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Bei den Brexit-Verhandlungen spielen beide Seiten auf Zeit. Die Briten haben weniger zu verlieren
Es war ein steiniger Weg, den die Briten beschreiten sollten, um ihr Votum für einen Austritt aus der EU endlich wahr werden zu lassen. Zweimal musste das Parlament neu gewählt werden, und erst der dritte Premierminister seit dem historischen Referendum aus dem Jahr 2016 vermochte dem Volkswillen gegen die Widerstände aus dem In- und Ausland Geltung zu verschaffen.
Am 31. Januar verließ das Vereinigte Königreiches nach 47 Jahren dann endlich das längst ins Straucheln geratene supranationale europäische Projekt. Doch auch wenn die Mitgliedschaft der Briten in der EU formal beendet ist, gelten wichtige Rechtsvorschriften der Brüsseler Bürokratie nach wie vor auf der Insel. Für einen bis zum Ende dieses Jahres andauernden Zeitraum ist London de facto an die Regeln des gemeinsamen Marktes gebunden.
Wie das Verhältnis zwischen Großbritannien und der Europäischen Union ab 2021 ausgestaltet wird, darüber wird aktuell verhandelt. Geht es nach dem Willen der EU-Kommission, so sollte sich das Vereinigte Königreich auch in Zukunft weiter vollständig ihren Direktiven unterwerfen, ohne diese jedoch freilich – wie bisher – mit aushandeln zu können. Premierminister Boris Johnson hingegen will das dichte Regelwerk der Union abschütteln. Dennoch ist er daran interessiert, dass ab dem kommenden Jahr der Austausch von Waren und Gütern möglichst zollfrei vonstattengeht.
Im Februar veröffentlichte die britische Regierung erste Vorschläge, auf welche Grundlage die zukünftigen Beziehungen zur EU gestellt werden könnten. Premier Johnson schwebt dabei ein Freihandelsabkommen vor, dass ähnlich ausgestaltet ist wie das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), welches Brüssel noch im Jahr 2017 mit Kanada abgeschlossen hat. Neben einem erheblichen Abbau von Zöllen verpflichteten sich hier die Vertragsparteien vor allem zum Schutz von geistigem Eigentum sowie von Investitionen.
Erleichtert wurde den Unternehmen aus der EU beziehungsweise aus Kanada ebenso, ihre Beschäftigten zeitweise in den Wirtschaftsraum des jeweiligen Vertragspartners zu entsenden. Der Abschluss eines vergleichbaren Abkommens mit Großbritannien wird von Brüssel jedoch abgelehnt. Als Grund hierfür führt die EU-Kommission an, dass die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen mit London deutlich enger und auch das Volumen des Warenaustausches sehr viel umfangreicher seien. Demnach müsse ein künftiges Abkommen darauf ausgerichtet werden, dass der Handel zu gleichen Wettbewerbsbedingungen stattfinden könne. Den Briten solle es verwehrt werden, sich durch ein Absenken von Standards im Bereich des Arbeits-, Sozial- und Umweltschutzes einseitig Vorteile zu verschaffen.
Präzedenzfall verhindern
Die aus Brüssel geltend gemachten Bedenken dürften dabei jedoch weitestgehend vorgeschoben sein. Zum einen stellt gerade die schon fast planwirtschaftliche Überregulierung großer Teile des Arbeits- und Wirtschaftslebens eine wesentliche Ursache dafür dar, dass das Vereinigte Königreich als klassisch marktliberale Nation die EU überhaupt verlassen hat. Zum anderen ist kaum ernsthaft anzunehmen, dass Großbritannien ohne eine verbindliche Verpflichtung auf den Normenkanon der Union auf das Sozialniveau von Pakistan zurückfallen wird.
Der tatsächliche Grund für die Hartleibigkeit der Kommission in den aktuellen Verhandlungen mit der Regierung Johnson dürfte daher vor allem sein, den nicht verhinderten Brexit zu keinem Präzedenzfall für andere Unionsstaaten zu machen, in denen ebenfalls zunehmend offener über einen Austritt aus der EU nachgedacht wird. Dies zeigt vor allem ein weiterer strittiger Punkt der derzeitigen Verhandlungen.
Die Brüsseler Bürokratie beharrt darauf, dass bei künftigen Konflikten um die Auslegung und Interpretation eines noch abzuschließenden Freihandelsabkommens zwingend der Europäische Gerichtshof in Straßburg zuständig sei. Da dieses Gremium bei seinen Entscheidungen in der Vergangenheit nahezu durchgängig für eine immer weitergehende Übertragung nationaler Souveränitätsrechte an die EU-Bürokratie votiert hat, dürften die Briten im Falle eines Falles eine neutrale Behandlung ihrer Handelsstreitigkeiten mit der Union kaum zu erwarten haben.
Bislang stocken die Verhandlungen über die weitere Zusammenarbeit. Angesichts des sich schließenden Zeitfensters dürfte ein umfassendes Abkommen kaum mehr zu realisieren sein. Ein wichtiger Durchbruch könnte allenfalls im Herbst noch erwartet werden, wenn das ersatzlose Auslaufen der Übergangsregelungen in greifbare Nähe rückt und eine der Verhandlungsparteien Nerven zeigt.
Kommt es zu keinem Abkommen, würden die Regelungen der Welthandelsorganisation zur Anwendung kommen, in der sowohl die EU-Staaten als auch Großbritannien Mitglied sind. Boris Johnson kann diesem Eventualfall noch am gelassensten entgegensehen, denn die Briten haben weit weniger zu verlieren als die EU, und sie haben zudem längst nicht so hoch gepokert.
sitra achra am 04.07.20, 12:17 Uhr
Churchill ist ein übler Kriegsverbrecher.
Allerdings wünsche ich Boris Johnson zumindest dessen Widerstands- und Überzeugungskraft. Hail Britannia!