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Heimat im Gepäck

Vertriebene zeigen sich in diesem besonderen Werk von ihrer schönsten und traditionellsten Trachtenseite

Ute Eichler
22.07.2024

Selten haben die zwei Pandemie-Jahre et-was Positives hervorgebracht. In diesem Fall jedoch wurde aus der ursprünglichen Idee, „Heimat im Gepäck“ mittels einer Fotoausstellung von Trachtenträgerinnen und -trägern zu zeigen, ein bemerkenswertes Buch: „Vertriebene und ihre Trachten“. Sogar das vorangestellte Grußwort des Bezirkstagspräsidenten von Mittelfranken, Armin Kroder, ist lesenswert.

Den Blickfang des im Volk Verlag München Ende 2023 erschienenen und sehr schön gestalteten Werks bilden Dutzende von ganzseitigen Farbaufnahmen. Der Fotograf Walther Appelt hat hier, nachdem er bereits 2018 mit „Oberfrankens Trachten“ ein bemerkenswertes Buch vorgelegt hat, wieder sein Können unter Beweis gestellt. Der Industriefotograf ist „nebenbei“ Leiter des Arbeitskreises Männertracht des Fränkischen Schweiz-Vereins. Alle für „Vertriebene und ihre Trachten“ abgebildeten Personen sind echte Trachtenträger, die jetzt in der Region Mittelfranken leben, und keine Modelle! Sie sind Repräsentanten der ehemaligen Heimatregion. Bewusste Haltung, Stolz, Würde, eine ihnen durch das Tragen der Tracht eigene Schönheit und – im Einzelfall – auch Fröhlichkeit kommen auf diesen Fotografien erkennbar zum Ausdruck.

Die Herausgeberin des Buches, Katrin Weber, hat die Umsetzung ihrer Idee durch mehrere Textbeiträge fundiert. Sie ist seit 2016 die Leiterin der Trachtenforschungs- und beratungsstelle des Bezirks Mittelfranken. Für einzelne inhaltliche Schwerpunkte wurde ein halbes Dutzend weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter gewonnen.

Weber nimmt im Einführungstext notwendige Begriffsklärungen im Kapitel „Vertrieben – Geflohen – Abgewandert?“ vor. Knapp, klar und gut verständlich äußert sie sich zu den Bezeichnungen Flüchtling, Heimatvertriebene, Grenzlandvertriebene, verdrängte Auslandsdeutsche, Umsiedler, Spätaussiedler, definiert Heimat und Tracht.

Der über die regionalen Medien gestartete Aufruf nach Zeitzeugen und ihren Nachkommen im Großraum Franken löste ein erstaunliches Echo aus. Im Zusammenhang mit den Zeitzeugenbefragungen per Fragebogen und/oder per Telefon musste bei dieser Methodik auch der Quellenwert menschlicher Erinnerungsstrukturen geprüft und berücksichtigt werden. Es wurden Menschen der Erlebnisgeneration und Nachkommen derselben, die sogenannte Bekenntnisgeneration, befragt. Aufgrund der regionalen Beschränkung der Umfrage auf Mittelfranken können die Zahlen der Rückmeldungen nur Tendenzen wiedergeben. Sie sind nicht statistisch repräsentativ für die gesamte Gruppe der Vertriebenen und Aussiedler in Deutschland. Ein Textbeitrag informiert über die Landsmannschaften der Vertriebenen, ihre Entstehung und Programmatik und auch über die Rolle des BdV vor und nach 1972.

Folgende Trachtengebiete finden Darstellung und Erläuterung: Das Sudetenland, das Egerland, die Wischauer Sprachinsel, Oberschlesien, Niederschlesien, Ostpreußen, dazu die Tracht(en) der Siebenbürger Sachsen, der Ungarndeutschen, der Banater Schwaben. Pommern beschließt den Trachtenreigen und lässt ein wenig staunen, weil nicht nur die Jamunder Tracht, die Pyritzer Weizackertracht und die Festtagstracht aus der Belbucker Abtei, sondern auch die Mönch-guter Fischertracht (das Mönchgut – südöstliche Halbinsel der Insel Rügen) Berücksichtigung findet.

Das Buch „Heimat im Gepäck – Vertriebene und ihre Trachten“ verdient das Prädikat „besonders wertvoll“. Trachtenträgern ist zu wünschen, dass sie über den Tellerrand schauen, Trachtengruppen, dass sie sich Wissen aneignen und allen an der Tracht Interessierten, dass sie sich Gedanken machen zum Umgang mit der Tracht, zu Fragen ihrer (Weiter-)Entwicklung, zur kritischen Auseinandersetzung mit Heimatverlust und Identität. Dazu bietet dieses Buch außer der sachlichen Information nicht wenige Denkanstöße.


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