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Verleihung der Heinrich-von-Lehndorff-Medaille an den Dirigenten Christian Thielemann und den Kunsthistoriker Kilian Heck
Er kam ohne Orchester nach Lüneburg. Aber wenn der weltbekannte Dirigent Christian Thielemann zu Gast ist, dann sind auch ohne Musiker harmonische Töne garantiert. Das war auch diesmal im Ostpreußischen Landesmuseum der Fall, als der Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden gemeinsam mit dem Greifswalder Kunsthistoriker Kilian Heck mit der Heinrich-von-Lehndorff-Medaille geehrt wurde.
Die beiden Preisträger haben sich mit der Gruppe „Kunstfreunde Schloss Steinort“ um die Bewahrung der letzten originalen Ausstattungsstücke und Kunstgegenstände von Schloss Steinort verdient gemacht. Das in Masuren gelegene Schloss war seit dem Mittelalter der Stammsitz der ostpreußischen Adelsfamilie von Lehndorff. Sein letzter Besitzer, Heinrich Graf von Lehndorff, war einer der Verschwörer des 20. Juli 1944. Nach dem misslungenen Attentat auf Hitler in der „Wolfsschanze“ wurde er verhaftet, zum Tode verurteilt und im September 1944 hingerichtet. Seine Familie wurde enteignet und aus Steinort verjagt.
In seiner Dankesrede erzählte Thielemann, wie er – getrieben von dem Bemühen um die Bewahrung der Erinnerung an ein Stück verloren gegangene Geschichte – zunächst zu dem nicht mehr existenten Schloss Friedrichstein der Familie von Dönhoff und schließlich zu Steinort kam. Dessen eindrucksvolle Eichenalleen, die er in ihrer Wucht „wie eine Sinfonie von Bruckner“ empfindet, und dessen Geschichte im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 hätten ihn inspiriert. Es sei ihm ein Bedürfnis gewesen, Impulse für dessen Erhalt zu geben.
Liebeserklärung an Land und Leute
Aus der Unsicherheit, was ein Einzelner überhaupt tun und ausrichten kann, und durch sein anhaltendes Kunstinteresse ergab sich der Glücksumstand, dass die wenigen noch existenten Kunst- und Ausstattungsgegenstände von Schloss Steinort in ihrer Gesamtheit auf Thielemanns und Hecks Initiative hin bewahrt werden konnten. Die „Kunstfreunde Schloss Steinort“ unterstützten das Anliegen mit einer Zwischenfinanzierung, bis die vorläufige Lösung des Verbleibs im Ostpreußischen Landesmuseum über öffentliche Gelder gefunden werden konnte.
Das Konvolut von Gemälden, Möbeln, Tapisserien, Kunsthandwerk, Tafelgeschirr und -silber sowie Briefen und Büchern aus dem einst von äußerst qualitätsvoller Ausstattung geprägten Schloss Steinort zählt zu den bedeutendsten Beständen an erhaltenem adligen Inventar aus Ostpreußen. Sowohl Thielemann als auch Heck hatten sich für den Erhalt dieser Sammlung eingesetzt, die durch Einzelverkäufe auseinanderzureißen drohte.
Dank ihrer Initiative wurde der Ankauf durch die Stiftung Deutsches Historisches Museum Berlin mit Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien möglich. Nach der Restaurierung soll die Sammlung in einer Ausstellung im Ostpreußischen Landesmuseum Lüneburg gezeigt werden.
Museumsdirektor Joachim Mähnert schilderte nach der Medaillenverleihung anschaulich den abenteuerlichen Weg, den die Kunstgegenstände gehen mussten: die Evakuierung aus Ostpreußen in Güterwaggons, das eilige Einmauern in einen Burgkamin und der Jahrzehnte später erfolgte „Schatzfund“ auf Burg Kriebstein in Sachsen, nach der deutschen Einheit schließlich langjährige Restitutionsbemühungen der einst von den Nationalsozialisten enteigneten Familie, der drohende Auktionsverkauf bei Christies in London und die glückliche Rettung als zusammenhängender Bestand durch die von den Laureaten initiierte Gruppe von Kunstfreunden, bis sie vom Deutschen Historischen Museum erworben und als Leihgabe vom Ostpreußischen Landesmuseum übernommen werden konnten.
Mähnert würdigte das Konvolut, welches auch wegen herausragender Einzelstücke von höchstem musealen Wert sei. So etwa ein ungewöhnliches Familienporträt vom „Goethe-Tischbein“ Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751–1829) oder Portraits von Antoine Pesne und Anna Rosina de Gasc sowie ein mächtiger Gobelin mit biblischer Szenerie.
Das Schicksal von Steinort
Später einmal, so die Hoffnung aller Beteiligten, sollen das Schloss und sein Inventar wieder zusammengeführt werden. Aktuell gibt Schloss Steinort allerdings ein trauriges Bild ab. Das Gebäude war zwar von Kriegszerstörungen verschont geblieben. Doch nach längerer Besetzung durch die Rote Armee war es ab den 1950er Jahren Sitz einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. In den 1990er Jahren haben die Besitzer mehrmals gewechselt und ließen das Schloss stark verfallen. Seit 2009 gehört es der Polnisch-Deutschen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz, die sich um seine Rettung bemüht.
Einer, der sich seitdem an den Sanierungsmaßnahmen beteiligt, ist der Meißener Bauingenieur und Hochschullehrer Wolfram Jäger. Er hat auch die Lehndorff-Medaille gestiftet, die seit 2021 an Persönlichkeiten vergeben wird, die sich um die Rettung des Schlosses und seines Inventars sowie die Festigung der deutsch-polnischen Beziehungen verdient gemacht haben. Erstmalig ging sie an den einstigen Botschafter Polens in Deutschland, Janusz Reiter, sowie an Antje Vollmer, der im März verstorbenen ehemaligen Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Die grüne Politikerin hatte nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag mit „Doppelleben“ im Jahr 2010 eine Monographie über Heinrich von Lehndorff und seine Ehefrau Gottliebe verfasst.
Wenn Steinort einmal umfänglich restauriert sein sollte, könnte Thielemann dort einmal ein Konzert geben. Groß genug für ein musikalisches Festivalspektakel ist es allemal.
Konzerttipp: Am 8. Juli überträgt 3sat live ab 20.15 Uhr und zeitversetzt das BR-Fernsehen ab 22 Uhr ein Freiluftkonzert mit Christian Thielemann, dem Pianisten Lang Lang sowie dem Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf dem Münchener Odeonsplatz.