07.10.2025

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Der einst defizitäre VEB Sächsisches Serumwerk Dresden firmiert heute profitabel als GlaxoSmithKline Biologicals Dresden
Bild: IMAGO/Sächsische ZeitungDer einst defizitäre VEB Sächsisches Serumwerk Dresden firmiert heute profitabel als GlaxoSmithKline Biologicals Dresden

Epochenwechsel

„Hidden Champions“ im Osten

Einige Unternehmen in den östlichen Bundesländern haben es geschafft – Nach den DDR-Pleite-Jahren sind sie heute Weltmarktführer

Hermann Müller
07.10.2025

Deutschlands Wirtschaft umfasst zirka 1600 Unternehmen, die mit einem Produkt Weltmarktführer sind. Da vielen die oft mittelständischen Unternehmen kein Begriff sind, wird von „Hidden Champions“, also von verborgenen Spitzenreitern, gesprochen. Solche Betriebe sind nach dem Mauerfall auch in den östlichen Bundesländern entstanden. Besonders imposant ist die Entwicklung, die ein Ex-DDR-Betrieb aus Oranienburg bei Berlin genommen hat. Aus dem „VEB Spezialfarben Oranienburg“ ist unter dem neuen Namen Orafol ein Global Player auf dem Gebiet selbstklebender Spezialfolien geworden. Im Alltag sind die Orafol-Produkte überall zu finden: als Folien für Fahrzeugbeschriftungen oder als reflektierende Folien für Verkehrszeichen sowie als Warnmarkierungen an Polizeifahrzeugen. Kliniken und Behörden nutzen die Spezialfolien oft für Beschriftungen, Wegweiser und Türschilder.

Im Fall von Orafol ist die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten steil verlaufen. Erst am 10. September gab man die Übernahme des südkoreanischen Unternehmens Reflomax bekannt. Die Oranienburger wollen so ihre Präsenz im pazifisch-asiatischen Markt stärken. Insgesamt steigt die Zahl der Tochterfirmen von Orafol auf 18, produziert wird weltweit an 30 Standorten. Die Palette reicht von Australien, den USA und Kanada über Irland, Japan, China und Taiwan bis hin nach Südafrika. Der Umsatz erreichte 2024 fast 900 Millionen Euro. Die Umsatzmarke von einer Milliarde ist damit in Sicht.

Auch anderen Unternehmen in den östlichen Bundesländern ist mit einem hohen Spezialisierungsgrad der Sprung vom „VEB“ zum globalen Marktführer gelungen. In Waren (Müritz) ist mit der Mecklenburger Metallguss GmbH der weltweit führende Anbieter von Schiffspropellern in der Gewichtsklasse über 80 Tonnen ansässig. Mit Mecklenburger Propellern wird unter anderem auch der Luxusliner „Queen Mary 2“ angetrieben.

Potential war genug vorhanden
Die Leipziger Techne Kirow GmbH ist zum wichtigsten Anbieter von Eisenbahnkranen und Schlackentransportern aufgestiegen. In Chemnitz ist der „VEB Großdrehmaschinenbau ‚8. Mai'“ in die Niles-Simmons-Hegenscheidt-Gruppe eingeflossen. Der Maschinenbauer ist ein weltweit gefragter Spezialist, wenn es um Werkzeugmaschinen zur Kurbelwellenfertigung und um die Radsatzbearbeitung für Eisenbahnen geht. In der Oberlausitz produziert Spekon Fallschirmtechnik alle Arten von militärischen und zivilen Fallschirmsystemen. Exportiert wird in über 50 Länder der Erde.

In den neuen Bundesländern gelten
70 Firmen als Weltmarktführer. Zum Vergleich: Baden-Württemberg – bundesweiter Spitzenreiter – ist Heimat von allein über 230 Weltmarktführern. Naheliegend ist die Frage, warum im Osten der Bundesrepublik nicht viel mehr „Hidden Champions“ entstanden sind. Ein Potential war offensichtlich vorhanden.

Tatsächlich waren die Bedingungen, dass mittelständische Spezialunternehmen entstehen konnten, nach der wirtschaftlichen Bruchlandung der DDR nicht günstig. Anfang der 90er Jahre war es im Zuge der schnellen Privatisierung durch die Treuhand der Normalfall, dass Unternehmen entweder abgewickelt oder als „verlängerte Werkbank“ von Konzernen übernommen wurden. Ziel der damaligen Politik war es, das Kapitel Treuhand möglichst schnell zu schließen. Zur Erinnerung: Die Treuhand beendete bereits Ende 1994 ihre Arbeit. Bis dahin waren rund 7853 größere Unternehmen und mehr als 25000 Kleinbetriebe verkauft worden. Etwa 1600 Firmen gingen an Alteigentümer zurück, die zu DDR-Zeiten vom Staat enteignet worden waren. Rund 2.700 Unternehmen gingen im Zuge sogenannter Management-Buy-outs an Führungskräfte der jeweiligen Unternehmen.

Mangel an Eigenkapital hemmte
Tausende Firmen – zum großen Teil unsaniert – in kurzer Zeit auf den Markt zu werfen, war ein gewaltiges Verlustgeschäft: Mit Verkäufen von Firmen und Immobilien nahm die Treuhand rund 70 Milliarden D-Mark ein. Unter dem Strich hinterließ die zügig betriebene Privatisierung aber ein Minus von 250 Milliarden D-Mark. Nur wenige Jahre später wurden über viel längere Zeiträume hinweg große Summen zur Forcierung und Durchsetzung einer grünen Energiewende und zum Aufbau einer deutschen Solarindustrie aufgewendet. Nach Q-Cells, Solarworld, Sovello, First Solar, Heckert und anderen hat mit Meyer-Burger vor Kurzem der letzte Solarmodulhersteller die Produktion in Deutschland eingestellt.

Der Aufbau eigenständiger mittelständischer Unternehmen in den östlichen Bundesländern hatte Anfang der 90er Jahre keine Priorität. Bei rückübertragenen Familienunternehmen hemmte oft auch der Mangel an Eigenkapital die Entwicklung. Zudem konnten die „Hidden Champions“ in Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen von traditionell starken Industriezentren mit gewachsenen Zuliefernetzwerken profitieren. Verzichtet hat die Treuhand auch darauf, etwa über einen Fonds mit Wagniskapital die potentiellen Perlen unter den Ost-Firmen herauszupicken und längerfristig zu entwickeln.


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