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Vor 100 Jahren entdeckte Howard Carter das Grab des Tutanchamun
Am 4. November 1922 machte ein zwölf Jahre alter ägyptischer Wasserträger den damals 48-jährigen englischen Archäologen Howard Carter auf eine in den Felsboden geschlagene Treppenstufe aufmerksam. Carter ließ graben. Zutage kamen 16 Stufen. Sie führten vor eine vermauerte und versiegelte Tür. Carter schickte seinem Mäzen, dem 5. Earl of Carnarvon, George Herbert, ein Telegramm nach England: „Großartige Entdeckung im Tal der Könige.“
Am 24. November standen Carter, Carnarvon und dessen Tochter Evelyn vor der Gruft. In der unteren Hälfte des vermauerten Zugangs entdeckten sie im Putz mehrere Siegel des Tutanchamun. Am nächsten Tag riss das Grabungsteam die Vermauerung ein und entfernte die Schotterfüllung des abschüssigen Ganges, der zu einer zweiten zugemauerten Tür führte. Carter schlug ein Guckloch hinein und leuchtete in den hinter der Vermauerung liegenden Raum. Der Lord fragte, ob er etwas erkennen könne. Carter antwortete: „Ja, ich sehe wunderbare Dinge.“
Das Grab war fast unberührt
Carter und seinem Geldgeber war eine archäologische Weltsensation gelungen. Sie hatten das einzige so gut wie unberührte Grab im Tal der Könige gefunden. Zwar waren kurz nach Versiegelung der Gruft zweimal Grabräuber eingedrungen. Doch die hatten offenbar nicht viel mitgenommen und vor allem Unordnung hinterlassen. Anschließend herrschte für Tutanchamun im Gegensatz zu den anderen Pharaonen Grabesruhe. Er war nämlich als einziger der „rund 250 Jahre nach seinem Tod erlassenen staatlichen Verordnung entgangen, alle intakten Königsgräber im Tal der Könige leerzuräumen“, wie die Ägyptologin Nadja Tomoum in ihrem lesenswerten Buch „Das Geheimnis des Tutanchamun“ ausführt.
Tutanchamun kam um 1333 vor Christus mit etwa neun Jahren auf den Königsthron. Sein Vater Echnaton hatte mit seiner Gattin Nofretete die altägyptische Götterwelt gestürzt und Aton – die Sonne – zur einzigen Gottheit erklärt. Echnatons Sohn trug anfangs den Namen „Tutanchaton“. Den legte er im dritten Jahr seiner Herrschaft ab, nannte sich „Tutanchamun“ und ließ die unter der Regentschaft seines Vaters verfallenen Tempel der alten Götter restaurieren. Tutanchamun starb 1323 vor Christus mit etwa zwanzig Jahren.
Mit etwa achtzig Quadratmetern ist Tutanchamuns Grabanlage für pharaonische Verhältnisse recht klein. Sie besteht aus dem Vorraum mit Anbau, der Grabkammer und der Schatzkammer. Die offiziell am 27. November 1922 geöffneten, aber bereits in der Nacht zuvor von Carter, Carnarvon und Evelyn heimlich durchstöberten Räume waren mit fast 5400 Objekten vollgestopft. Carter und sein Team brauchten zehn Jahre, um die Schatzfunde zu bergen. Zur Grabeinrichtung gehörten 31 Hocker, Stühle und Thronsessel, 32 Paar Sandalen und 145 Lendenschurze. Um sich auch im Jenseits nicht die Hände schmutzig machen zu müssen, standen Tutanchamun 413 sogenannte Uschebti-Figuren als Arbeiter und deren Aufseher zu Diensten.
Als äußerst langwierig erwies sich für Carter, seinen Assistenten Arthur Mace, den Konservator Alfred Lucas, den Fotografen Harry Burton und die für die Untersuchung der Mumie zuständigen Ärzte die Arbeit in der Grabkammer. In vier Schreine, einen Sarkophag und drei Särge war die königliche Mumie verpackt. Der achte und letzte Sarg besteht aus purem Gold. Die Mumie selbst war mit der Goldmaske bedeckt, die es alsbald zum weltberühmten Markenzeichen Tutanchamuns gebracht hat. Die Einbalsamierungsflüssigkeit hatte sich in eine steinharte schwärzliche Masse verwandelt, die das Haupt des Königs mit seiner Maske verklebte. In den Mumienbinden fanden die Archäologen 140 Schmuckstücke und Objekte. Bei deren Bergung zerlegte Carter die Mumie kurzerhand in ihre Einzelteile, wie Tomoum berichtet. Den vom Körper getrennten Kopf löste er mit heißen Messern von der Maske.
Sonderausstellung im nächsten Jahr
In Kairos Ägyptischem Museum ist nur ein Teil von Tutanchamuns Grabschatz ausgestellt. Vollständig soll er demnächst in dem in der Nähe der Pyramiden von Gizeh neu erbauten „Großen Ägyptischen Museum“ zu sehen sein. Für die Ausstellungsgestaltung und Szenographie ist das in Stuttgart ansässige Atelier Brückner zuständig. Es bezog Anregungen aus Carters Grabungsarchiv, das vom Griffith Institute der Universität Oxford betreut wird. Das Institut hat kürzlich den Band „Howard Carter und das Grab des Tutanchamun“ herausgegeben, der 50 Briefe, Pläne, Zeichnungen und Fotografien präsentiert.
Der Termin für die Eröffnung des Museums in Gizeh steht noch nicht fest. Sicher aber ist, dass 101 Jahre nach der Entdeckung des Grabes das Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum Tutanchamun mit der einzigen Sonderausstellung im deutschsprachigen Raum ehrt. Kurator Christian Bayer kündigt an, dass die ab September laufende Schau unser Wissen um neue Facetten und Sichtweisen bereichern werde. Es soll hochwertige Reproduktionen von Originalen zum Anfassen geben. An der Drei-D-Rekonstruktion der Goldmaske wirkt der am Römisch-Germanischen Zentralmuseum von Mainz tätige Christian Eckmann mit. Er nahm 2014/15 die technologische Untersuchung und wissenschaftliche Restaurierung von Tutanchamuns Goldmaske vor, deren Zeremonialbart bei Reinigungsarbeiten abgefallen und kurzerhand mit Sekundenkleber schief wieder angesetzt worden war.