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Vor 100 Jahren wurde der von der Literaturkritik verachtete Erfolgsschriftsteller Heinz G. Konsalik geboren. Ausweislich der Leserzahlen hatte er mit seinen Büchern den Nerv der Zeit getroffen
Im besten Falle wurden literaturpäpstliche Nasen lediglich gerümpft, wenn die Sprache wieder einmal auf den „neuen Konsalik“ kam. Meist wurde das Werk des Erfolgsschriftstellers Heinz G. Konsalik mit abfälligen Bemerkungen beschieden, als trivial galt er und klischeebeladen. Wer etwas im Literatur- und Kulturbetrieb auf sich hielt, ließ sich nicht auf ihn ein. Dabei hätte es oft genug Anlass gegeben, einen „neuen Konsalik“ zu thematisieren. Zwei bis vier Romane brachte er jährlich heraus, am Ende waren es 155. Übersetzungen gibt es in 45 Sprachen. Die Gesamtauflage wird mit 83 Millionen angegeben, er war einer der meistverkauften und kommerziell erfolgreichsten deutschen Schriftsteller überhaupt.
Ein Autor, der wirklich gelesen wurde
So sehr, wie ihm die Anerkennung der Kritiker versagt blieb, so treu war ihm seine immens große Leserschaft. In der „alten“ Bundesrepublik dürfte es wenige Bücherregale gegeben haben, in denen nicht irgendwann einmal der eine oder andere „Konsalik“ stand. Nach dem Mauerfall fanden seine Werke in entsprechender Größenordnung auch den Weg in den anderen Teil Deutschlands. In gedruckter Form ist zwar durch den Buchhandel über zwanzig Jahre nach Konsaliks Tod nur noch weniges neu lieferbar, aber in den Antiquariaten stapeln sich die sichtlich zerlesenen Exemplare und finden stets von Neuem ihre Abnehmer. Auch Bibliotheksexemplare weisen meist einen arg mitgenommenen Zustand auf – bei einem Buch im Allgemeinen ein Zeichen dafür, dass es seinen Zweck erfüllt hat und mehrfach gelesen wurde.
Genau hierin besteht der große Unterschied zu vielen der preisüberhäuften und von den Feuilletons hochgelobten Werke anderer Schriftsteller: Konsalik wurde und wird wirklich gelesen, von der ersten bis zur letzten Seite. „Ich will unterhalten“ – so lautete der von ihm selbst formulierte Anspruch. Ausweislich der Resonanz ist dies in außerordentlichem Maß gelungen.
Geboren wurde er als Heinz Günther vor 100 Jahren, am 28. Mai 1921, in Köln. Veröffentlicht hat er auch unter Pseudonymen, zum Beispiel Henry Pahlen, als Autor bekannt geworden ist er aber vor allem als Heinz G. Konsalik. Den Nachnamen hatte er abgekürzt und den Geburtsnamen seiner Mutter – Konsalik – hinzugefügt. Ein Medizinstudium hatte er abgebrochen und war zu Theaterwissenschaften und Germanistik gewechselt. Im Zweiten Weltkrieg war er Kriegsberichterstatter, an der Ostfront wurde er schwer verwundet. Nach der Heimkehr wirkte er als Lektor, Redakteur und Dramaturg, seit 1951 betätigte er sich als freier Schriftsteller. Lange wohnte er in Aegidienberg, einem Stadtbezirk von Bad Honnef, wo der vermögende Konsalik über umfangreichen Besitz verfügte, zuweilen zog es ihn auch zu seinem Haus auf Teneriffa. Gestorben ist er am 2. Oktober 1999 in Salzburg. Die letzten Lebensjahre hatte er hier verbracht, getrennt von seiner langjährigen Ehefrau Elsbeth, gemeinsam mit der bedeutend jüngeren Chinesin Ke Gao.
Konsaliks großen Durchbruch bedeutete der 1956 veröffentlichte Roman „Der Arzt von Stalingrad“. Populär wurde er durch den nach der Buchvorlage entstandenen Film, der zwei Jahre später in die Kinos kam. Die Hauptrolle hatte O. E. Hasse übernommen, er verkörperte den Protagonisten, Dr. Fritz Böhler. Konsalik hatte bei dieser Hauptfigur, dem „Arzt von Stalingrad“, auf ein reales Vorbild zurückgegriffen: Der Chirurg Ottmar Kohler wirkte als Stabsarzt, geriet im Februar 1943 mit der 6. Armee in Gefangenschaft und kehrte erst 1954 nach Deutschland zurück. Konsalik schildert in seinem Roman das Wirken des Arztes in der sowjetischen Lagerhaft unter widrigsten Bedingungen. Als Autor, der den Leser im Blick hat, setzt er auf Spannung und klare Charakterisierungen, die Positionierung gegen das stalinistische System steht außer Zweifel. Sympathien gegenüber dem NS-Regime, wie mitunter behauptet, lässt das Werk nicht erkennen. Hingegen ist es gerade vor dem Hintergrund des Kalten Krieges bemerkenswert, dass eine Reihe der russischen Figuren positive Züge trägt.
Russland, der Krieg und die Medizin
Im „Arzt von Stalingrad“ sind drei Komplexe vereint, die für Konsaliks Werke zentral wurden und bleiben sollten. Zum einen sind die Weiten und auch die Geschichte Russlands Gegenstand einer großen Anzahl seiner Bücher. Der in Moskau geborene und in Deutschland lebende Autor Waldimir Kaminer bemerkte überspitzt, Konsalik habe „mehr über die Taiga geschrieben als der gesamte sowjetische Schriftstellerverband“. Zum anderen thematisierte er beständig das Geschehen des Zweiten Weltkriegs und seiner Nachwirkungen, aus der Perspektive derjenigen, die nicht an führender Stelle tätig waren. Oder, wie er bezüglich eines seiner Bücher klarstellte, „nicht aus der Warte des Generalstäblers“, sondern „mit den leidenden und hungrigen Augen des einfachen Soldaten“.
Und schließlich war es nahezu beständig die Medizin, die er in den Mittelpunkt rückte. Konsalik selbst sagte einmal über sein Werk: „Sie werden kein Buch von mir finden, in dem kein Arzt vorkommt.“ Exotische Schauplätze, etwa in Mittel- und Südamerika oder auf den Philippinen, finden sich bei Konsalik ebenfalls reichlich, Grausamkeiten, Beziehungsverwerfungen und die Umweltthematik kamen später hinzu, Spionage, geniale Erfindungen, immer wieder ein nicht unbedingt zurückhaltendes Maß an Erotik – und vor allem Spannung. Er betonte allerdings, mit seinen „Kriegsbüchern“ wolle er „auch nachdenklich stimmen“.
Fünf Seiten am Tag
Des Öfteren wurde vermutet, dass Konsalik angesichts seiner immensen Produktivität nicht alle unter seinem Namen erschienen Texte selbst verfassen würde. In einem Interview von 1982 wies er dies strikt zurück. Er erklärte, er „tue nichts anderes als schreiben“. Er habe außer Reisen und Opernbesuchen – Wagner stand hier weit oben – keine Hobbys und rechnete vor, dass er, wenn er „pro Tag nur fünf Seiten schreibe“ bei 300 Arbeitstagen im Jahr auf 1500 Seiten käme. Dies entspräche drei seiner Romane. Schreibkrisen kenne er nicht, zudem habe er „noch nie eine Zeile gestrichen“ oder „ein Buch umgeschrieben“.
Er arbeite, um „die Leute auf andere Gedanken zu bringen“, er wolle „den Menschen für ein paar Stunden Freude geben“, indem er „sie aus ihrem grauen Alltag entführe“. Mit Verweis auf Millionen Leser erklärte Konsalik: „Ich bin immun gegen jegliche Literaturkritik.“ Entsprechend wenig berührt zeigte er sich, als ihm eifrige Aktivisten den „Kriegspreis“ auf der Frankfurter Buchmesse „verliehen“ – als Gegenstück zum Friedenspreis, da sie Konsalik unterstellten, den Krieg verherrlicht zu haben.
Dezidierte, nicht von jedermann geteilte Positionen vertrat er, wenn er sich für Sterbehilfe und die Wiedereinführung der Todesstrafe aussprach. Letzteres stieß auf großen Wiederhall bei seinen Anhängern. Die „breite Masse“ der deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges war seiner Meinung nach unpolitisch, Befehlen sei einfach Folge geleistet worden. Konsalik drückte es noch drastischer aus: „Der deutsche Landser war dumm.“ Er selbst sei damals allerdings auch nicht besser gewesen. Im Abstand von fast 50 Jahren erklärte er zum „Dritten Reich“, dass „die heutige Jugend einem Hitler“ wieder „hinterherrennen“ würde. „Der Mensch ist ein Herdentier“, er brauche „die Gemeinschaft“.
Den Nerv des Publikums getroffen
Konsalik gebrauchte noch Begriffe wie „asiatische Grausamkeit“ und bezeichnete den westlichen Kulturkreis schon seinerzeit als „in höchstem Maße degeneriert und verfault“. Intellektuelle Analytiker suchten seine Bücher nach „Sexismus“, „Rassismus“ und anderem ab, während sich Titel wie „Privatklinik“, „Liebesnächte in der Taiga“, „Strafbataillon 999“, „Das Bernsteinzimmer“ oder „Das Regenwald-Komplott“ gut verkauften. Offenbar hatte Konsalik ziemlich genau den Nerv seines Publikums getroffen.
Michael Brehmer am 31.05.23, 10:29 Uhr
Ich habe erst kürzlich zwei Romane dieses Ausnahmeschriftstellers gelesen.
Es handelte sich um die "Öl-Connection" sowie "Die Begnadigung". Beide ein Beispiel für das Engangment für brisante Themen. Dazu spannend bis zur letzten Zeile.
Chris Benthe am 09.06.21, 06:52 Uhr
Ich habe, schon als Jugendlicher, Konsalik gern gelesen, obwohl mein Bildungshergang anderes forderte. Es war ein hervorragender, unterhaltsamer und entspannender Ausgleich. Noch heute stehen Bücher von Konsalik in meinem Regal.
sitra achra am 05.06.21, 14:23 Uhr
Konsalik: als die Leute noch Lesen wollten und konnten.
Die heutigen Legastheniker glotzen hingegen permanent auf ihr Smartphone. So verändert sich unmerklich das menschliche Genom, bis der neue Mensch durch selbstgewollte Transformation Realität sein wird.
Die Evolution ist manchmal zum Piepen!