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3000 Stück wurden 1981/82 vom DMC 12 (o.) gebaut, dann war John DeLorean (mitte) pleite, auch weil das Auto vor Mängeln nur so strotzte. Zuvor brachte er bei GM Auto-Klassiker wie den Pontiac Firebird Trans Am (l.) oder den Pontiac GTO (r.) heraus
Bilder: picture alliance/dpa; mauritius images Content; grautogallery.com3000 Stück wurden 1981/82 vom DMC 12 (o.) gebaut, dann war John DeLorean (mitte) pleite, auch weil das Auto vor Mängeln nur so strotzte. Zuvor brachte er bei GM Auto-Klassiker wie den Pontiac Firebird Trans Am (l.) oder den Pontiac GTO (r.) heraus

Automobilbau

„Ihr werdet noch von mir hören!“

Der US-Amerikaner John DeLorean machte Karriere bei General Motors, doch erst sein finanziell größter Flop machte ihn zu einer unsterblichen Legende

Jens Eichler
05.01.2025

Die Kirschen in Nachbars Garten sind immer die größten! Eine alte deutsche Weisheit, die auch in den USA Gültigkeit besitzt. Vor allem, wenn im eigenen Garten gar keine Kirschen vorhanden sind. So wie im Jahr 1925 in Detroit, als ein gewisser John Zachary DeLorean als erstes von vier Kindern an den Ufern des Michigansees das Licht der Welt erblickte. Hineingeboren in völlige Armut, gegen die sein aus Rumänien stammender Vater verzweifelt ankämpft – mit diversen Jobs und sehr viel Alkohol. Und auch die österreichische Mutter versucht alles, um die Familie mit Arbeit und Fürsorge über Wasser zu halten – trotz der Alkoholsucht des Vaters.

Kein Wunder, dass „Little Zac“ von klein auf nur ein Ziel hat: nach oben kommen. Den amerikanischen Traum leben. Denn tiefer kann es nicht mehr gehen. Schnell erkennt er, dass der Weg aus dem Elend durchs Elend führt. Und der ist nur mit Disziplin, viel Arbeit, Fleiß, Kraft und mit Einsatz beider Ellenbogen zu bewältigen. Schuhe putzen, Zäune streichen, Böden fegen – „Little Zac“ ist schon als Kind keine Arbeit zu mies, dass er sie nicht trotzdem macht. Ein paar Pennys mehr in der Tasche sind es ihm wert. Er weiß jeden einzelnen Dollar zu schätzen. Sein eiserner Willen treibt ihn voran, die Situation zu ändern. DeLoreans größte Motivation sind zugleich seine Vorbilder, denen er nachstrebt: die Autobarone aus der Motor City Detroit, damals das Zentrum der florierenden US-Automobilbranche. Hier werden Träume wahr – auf vier Rädern, auf dem Konto und auf der Karriereleiter. Und genau da will John Zachary DeLorean hin, ganz nach oben. Mit diversen Abschlüssen, einem Ingenieursstudium und eisernem Willen ausgestattet, schafft er mit 23 Jahren den Einstieg in die Automobilindustrie. Und für den 1,93 Meter großen Mann aus armen Verhältnissen soll es der Startschuss zu einer Bilderbuchkarriere werden. Eine Metamorphose vom „Little Zac“ zum „Big John“, wie er in der Branche nur kurze Zeit später genannt werden soll.

Leben an der Spitze
Und das verdientermaßen. Denn er bietet seinem Arbeitgeber eine überaus seltene und ebenso wertvolle Mischung aus Können, Wollen und Wissen. Anfang der 50er Jahre startet er als Forschungs- und Entwicklungsleiter bei der Packard Motor Company. Bereits 1956 holt General Motor das Talent zu sich, wo er Jahr für Jahr immer eine Position weiter nach oben befördert wird, bis Big John letztlich Chefingenieur bei der GM-Tochterfirma Pontiac wird. In den folgenden vier Jahren hinterlässt seine Arbeit dort Spuren, die bis heute wirken, als er beispielsweise den Pontiac GTO oder den rassigen Firebird als Sport-Coupé aus der Taufe hebt.

Schnell wird man bei GM in der Konzernführung auf den jungen, langen und erfolgshungrigen DeLorean aufmerksam, der bald als innovatives Wunderkind der Branche gilt und daher nur wenig später zum Chef von Chevrolet aufsteigt. Mehr Macht, mehr Einfluss und mehr süßes Leben. DeLorean genießt alles in vollen Zügen, denn er hat seine ursprüngliche Armut nicht vergessen. Als er schließlich 1972 Vorstandsmitglied und sogar Vizepräsident der gesamten Pkw- und Lkw-Produktion von GM Nordamerika wird, hat er es endlich geschafft. Er ist auf dem Gipfel der Macht – fast. Fehlt nur noch die Präsidentschaft im Weltkonzern.

Wer Armut kennt, weiß auch, wie schön das Leben sein kann. So lässt es sich der Mann aus Detroit so richtig gutgehen und genießt seinen Wohlstand in vollen Zügen. Zunehmend mutiert er vom fleißigen Karrieremann zum Lebemann. Ein Liebesnest in Malibu, ein prächtiges Penthaus an der Fifth Avenue in New York und dazu wilde, ausschweifende Partys. DeLorean holt alles nach, was er meint, als Kind und Jugendlicher entbehrt zu haben.

Alles kein Problem, denn Amerika feiert gern. Aber bitte mit Zucht und Ordnung. Und so sind die Exzesse des GM-Vizepräsidenten den Kollegen in der Führungsetage immer mehr ein Dorn im Auge. Das Fass zum Überlaufen bringt zu guter Letzt seine aufwendig inszenierte Hochzeit mit dem Fotomodell Cristina Ferrare. In der GM-Führungsetage fliegen die Fetzen. So sehr, dass DeLorean angeblich seinen Vertrag zerriss und den werten Kollegen wutentbrannt mit hochrotem Kopf entgegenbrüllte: „Ihr werdet noch von mir hören!“

Eine Ansage mit nachhaltiger Wirkung. Denn schon lange ging der Topmanager mit der General-Motors-Philosophie nicht mehr konform. So pfiffen es jedenfalls die Insiderspatzen von den Detroiter Hochhausdächern. DeLorean hatte eigene, andere Vorstellungen von einem werthaltigen, guten, wirtschaftlichen und bezahlbaren Auto – und er hatte eigene Pläne in der Tasche. Sein neuer Traum: das Auto der Zukunft zu bauen. Vor allem in Zeiten der Ölkrise ging es dem Visionär um Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Verbrauchssparsamkeit. Alles drei Merkmale, die damals bei GM keine Rolle spielten.

Den eigenen Traum verwirklichen
Für sein riskantes, weitgehend kreditfinanziertes Vorhaben, in das er selbst nahezu sein ganzes Vermögen investierte, wählte er den Standort Nordirland aus. Ein Land, krisengeschüttelt, strukturschwach und vom Bürgerkrieg zerrissen, gab ihm nur zu gern die Chance, kostengünstig seinen Traum zu verwirklichen, wenn nur genug Arbeitsplätze dabei heraussprangen. Und die britische Regierung in London unterstützte das Vorhaben auch noch mit großzügigen Investitionen. 30.000 Autos sollten aus dem Stand jährlich in der Autofabrik in Dunmurry produziert werden. Das Modell: Ein aufsehenerregender Sportwagen mit Flügeltüren und dem futuristischen Namen DMC 12. Er sollte alles erfüllen, was DeLorean zuvor groß angekündigt und versprochen hatte.

Das Ergebnis war das komplette Gegenteil. Der Sportwagen entpuppte sich als lahme Ente und erfüllte nicht eines der Versprechen. Außer einem rasanten Design gab es nichts, was an dem Auto klappte – von den Türen einmal abgesehen. Die Qualität war desaströs, überall lief Wasser bei Regen ins Gefährt, statt 12.000 kostete der DMC 12 über 25.000 US-Dollar, der Verbrauch lag trotz müder Leistung statt bei acht eher bei knapp 20 Litern. Die ersten 400 Exemplare waren qualitativ sogar so schlecht, dass sie nicht repariert wurden, weil es sich nicht lohnte, sondern vielmehr jeweils komplett neu aufgebaut wurden.

Zwischen 1981 und 1982 liefen etwa 3000 Autos statt der angekündigten 30.000 vom Band. Das bedeutete für DeLorean das Ende, vor allem in finanzieller Hinsicht. Leere Kassen, riesige Forderungen der Investoren – das Wunderkind von einst sah nur noch einen Ausweg. Und der war kriminell. Ein Drogengeschäft über 200 Pfund Kokain sollte ihm frische Millionen als dringend benötigtes Kapital in die leere Kasse spülen. Was DeLorean allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht ahnt: Das Geschäft wird von einem FBI-Informanten zusammen mit der US-Drogenbehörde DEA initiiert und geleitet. Tatort ist eine mit Kameras verwanzte Wohnung in Los Angeles. Nur Sekunden später, als klar wird, dass der Ex-Automanager den kriminellen Handel tatsächlich durchziehen will, klicken die Handschellen.

Glück im Unglück
Big John ist wieder Little Zac und wieder ganz unten nach seinem Höhenflug über Dekaden hinweg angekommen. Zwar wird er von allen Anklagepunkten im darauffolgenden Prozess wegen geradezu dilettantischer handwerklicher und verfahrenstechnischer Fehler der Behörden und insbesondere der US-Drogenbehörde DEA freigesprochen, aber DeLorean steht am Ende seines Lebens zugleich vor den Scherben seines Lebens. Scherben, die er selbst aufgrund seiner ungezügelten Lebensweise verursacht hat. Als er 2005 in New Jersey an den Folgen eines Schlaganfalls stirbt, ist er allein. Verlassen von seiner Ehefrau, verlassen von seinen einstigen Weggefährten, verlassen vom Glück.

Nur ein kleines Stückchen Ruhm bleibt dem einstigen Überflieger erhalten. Denn Hollywood machte mit der Film-Trilogie „Zurück in die Zukunft“ seinen DMC 12 unsterblich zu einem Kultauto. Ausgerechnet sein allergrößter Flop sollte im Nachhinein DeLoreans großer Erfolg werden. Das Schicksal kann fies sein.


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