22.01.2025

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Ukraine

Im Teufelskreis der Mobilmachung

Immer mehr Ukrainer drücken sich vor dem Fronteinsatz – Harter Streit mit Veteranen steht bevor

Wolfgang Kaufmann
19.01.2025

Der Ukraine mangelt es nicht nur an Waffen, sondern auch an Soldaten. Obwohl das Land theoretisch mehr als elf Millionen Männer im wehrpflichtigen Alter besitzt, dient lediglich eine Million beim Militär. Und an der Front sollen sogar bloß 200.000 bis 250.000 Mann stehen – so die übereinstimmende Schätzung verschiedener ukrainischer Quellen.

Ursachen: Mindestens eine Million potentielle Rekruten leben im Ausland. Dazu kommt eine weitere Million, die im eigenen Land untergetaucht ist, um nicht eingezogen zu werden. Außerdem sitzen mehrere Millionen Männer in von Russland eroberten Gebieten. Des Weiteren gibt es drei Millionen gesundheitlich Ungeeignete oder Freigestellte, die in Unternehmen der Kritischen Infrastruktur arbeiten.

Gleichzeitig gehen dem Militär zahlreiche Ukrainer verloren, die sich vom Wehrdienst mit Beträgen von bis zu 15.000 US-Dollar freikaufen, indem sie Ärzte oder Beamte der Territorialen Zentren für Rekrutierung und soziale Unterstützung (TCC) bestechen. Und wenn jemand dann doch Uniform trägt, kann er durch das System des sogenannten Shabuning schnell zu einer „Toten Seele“ werden. Das heißt, er verschwindet im Einvernehmen mit seinem Kommandeur – gegen Entgelt – unter fadenscheinigen Vorwänden aus dem Frontbereich.

Ansonsten herrscht dort auch deshalb Personalmangel, weil alles in die rückwärtigen Dienste drängt. Beispielsweise sind die Stellen in den TCC sowie militärischen Bildungseinrichtungen allesamt voll besetzt. Diese Zustände sind ein offenes Geheimnis und werden von einheimischen Medien wie dem Portal „Strana“ kritisch thematisiert.

Und dann gibt es noch bloße Deserteure, die nach Jahren an der Front ausgebrannt sind. Laut dem britischen Blatt „Economist“, das sich auf Quellen im Kiewer Generalstab beruft, setzt sich bereits jeder fünfte Soldat unerlaubt ab.

Die Reaktion auf den Personalmangel an der Hauptkampflinie ist nicht selten Aktionismus. So fordern Hardliner vom Schlage der Leiterin des Kiewer Militärsanitätsdienstes Alina Michaljowa und des Nationalistenführers Dmytro Kortschynskyj, auch Frauen und jüngere Männer im Alter zwischen 14 und 24 Jahren einzuziehen. Ebenfalls ins Visier der Rekrutierer geraten aufgrund des neuen Befehls 204 des Verteidigungsministeriums Männer mit Krankheiten wie HIV oder Tuberkulose sowie Sprachstörungen und geistigen Behinderungen, wie das Mitglied im Ausschuss für nationale Sicherheit, Alexander Fedienko, berichtet hat. Gleichzeitig schicken die TCC immer öfter Greiftrupps los, welche potentielle Wehrpflichtige von der Straße weg in Kleintransporter zerren und zu den Rekrutierungszentren schleppen. Zahlreiche Videos im Internet dokumentieren das brutale Vorgehen der TCC-Leute.

Damit steckt die Ukraine in einem Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Darüber hinaus ist das Ganze auch eine schwere Hypothek für die Zeit nach dem Krieg. Denn dann steht zu erwarten, dass Frontveteranen und Kriegsdienstverweigerer auf das Heftigste aneinandergeraten.


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