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Begrüßung auf Polynesisch: Die „Hōkūle’a“ nach ihrer Ankunft in der Bucht von Kailua auf der Hawaii-Insel O’ahu
Bild: pa/AP PhotoBegrüßung auf Polynesisch: Die „Hōkūle’a“ nach ihrer Ankunft in der Bucht von Kailua auf der Hawaii-Insel O’ahu

Seefahrt

Immer der seemännischen Nase nach

Ohne Kompass und Satellitennavigation – Eine Schiffscrew erprobt die Steuermannskünste der polynesischen Seefahrer

Dagmar Jestrzemski
18.01.2025

Einst durchquerten die Seefahrer der Inselgruppen von Melanesien, Mikronesien und Poly­nesien mit ihren hochseegängigen Kanus den pazifischen Ozean zielgerichtet ohne Karten und Navigationsgeräte. Die einzigen Hilfsmittel bei ihrer unglaublich präzisen Navigation waren Sternenkunde und permanente Naturbeobachtungen. Auf den kaum 20 Meter langen Doppelrumpfkanus wurden auf engstem Raum Menschen, Tiere und Nutzpflanzen über die unendlichen Weiten des Ozeans transportiert, um ferne Inseln zu erreichen und dort zu siedeln.

In den 1960er Jahren aber war die uralte Südseenavigation fast in Vergessenheit geraten. Um den Verlust des einzigartigen kulturellen Erbes abzuwenden, wurde 1973 auf Hawaii die Polynesian Voyaging Society (PVS, Polynesische Seefahrtgesellschaft) gegründet, eine Vereinigung zur Bewahrung der traditionellen polynesischen Seefahrtsmethoden. Durch die Initiative der engagierten Mitarbeiter konnte die polynesische Navigation gerettet und revitalisiert werden.

Seit 2017 lehrt die 38-jährige Kapitänin Lehua Kamalu in Hawaiis Hauptstadt Honolulu im Auftrag der PVS die „non-instrumental Navigation“. Mit dem nachgebauten Doppelrumpfkanu „Hōkūle'a“ kreuzte sie mit Segelschülern und einer wechselnden Crew zwischen den Anrainerstaaten des Pazifiks, ohne dabei moderne Satellitennavigation und optische Geräte zu gebrauchen.

Als der französische Entdecker Louis Antoine de Bougainville (1729–1811) auf seiner Weltumsegelung 1768 Tahiti und weitere südpazifische Inseln erforschte, stellte er erstaunt fest, dass die einheimischen Seefahrer mit ihren Katamaranen ohne jegliche navigatorischen Hilfsmittel erfolgreich weit entfernte Archipele ansteuerten.

1769 fiel dem englischen Südseeentdecker und Kartographen James Cook (1728–1779) auf, dass er sich mit den Maori auf Neuseeland verständigen konnte, weil diese denselben Dialekt sprachen wie der tahitianische Seefahrer, der ihm dabei half, die benachbarten Inseln zu erkunden. Daher kannte Cook die religiösen Gebräuche der Maori-Siedler und war in der Lage, Kontakte zu den Häuptlingen zu knüpfen und der Mannschaft seines Schiffes zu erklären, welche Sitten und Gebräuche des indigenen Volkes sicherheitshalber zu beachten waren.

Mit Händen und Armen kalibriert
Die Wegfindung in den unendlichen Weiten des Pazifiks gelang den polynesischen Seefahrern allein durch überliefertes astronomisches Wissen, das Lesen der Wellen und die Deutung von Vogelflug und Wolkenbildung. Die Navigatoren kalibrierten mit Händen und Armen, um die Höhe von mehr als 100 Sternen über dem Horizont zu ermitteln, dank derer sie zielgenau Kurs hielten. Ausgehend von Taiwan und den Philippinen begann die Entdeckung und Besiedlung der Archipele des westlichen Pazifiks mit Hilfe der Navigation nach den Sternen vor rund 3500 Jahren. Erst seit unserer Zeitrechnung setzte von Westen nach Osten die Erschließung und Besiedlung der tausende Kilometer voneinander entfernten Inselgruppen des Polynesischen Dreiecks ein, dessen Eckpunkte von den Hawaii-Inseln, Neuseeland und der Osterinsel gebildet werden. Ohne Unterbrechung wurde der kostbare Wissensschatz in den Familien der Navigatoren von Generation zu Generation durch hartes und langes Gedächtnistraining weitergegeben.

Einer der letzten Meisternavigatoren namens Mau Pialug war Anfang der 1970er Jahre bereit, sein Wissen mit den Mitgliedern der PVS zu teilen. Geboren und aufgewachsen auf der kleinen mikronesischen Insel Satawal, durchbrach er damit das Verbot der Weitergabe dieser archaischen Geheimnisse an nicht Eingeweihte. Nach seiner Anweisung und mithilfe von Zeichnungen, die während der ersten Südseeexpedition von James Cook entstanden waren, wurde der 19 Meter lange, mit Krebsscherensegeln getakelte Katamaran „Hōkūle'a“ erbaut, allerdings mit überwiegend modernen Materialien.

Bei einer ersten experimentellen Seereise von Hawaii nach Tahiti auf der „Hōkūle'a“ bewährte sich bereits die beinahe untergegangene Methode der polynesischen Seefahrt. Damit war der Nachweis erbracht, dass die Ureinwohner der Südsee mit ihrer Navigationskunst tatsächlich den Pazifikraum erschlossen haben. Heute weiß man, dass auf diese Weise sogar ein ausgedehnter Handel betrieben wurde, der es ermöglichte, Produkte, Wissen und Techniken zwischen den Archipelen auszutauschen. Von 2014 bis 2017 wurde mit einem Nachbau der „Hōkūle'a“ und dem Schwesterschiff „Hikianalia“ unter dem Kommando des Kapitäns Bruce Blankenfeld erfolgreich eine Weltreise über 40.000 Seemeilen mit Stopps in 23 Ländern und Hoheitsgebieten durchgeführt.

Zurück zu den Wurzeln
In allen angesteuerten Häfen wurde die insgesamt fast 300-köpfige Mannschaft, deren Mitglieder jeweils über verschiedene Etappen an Bord waren, von der einheimischen Bevölkerung begeistert empfangen. Als die „Hōkūle'a“ in ihren Heimathafen Honolulu zurückkehrte, wurde das Traditionsboot von einigen Tausend Zuschauern mit Fahnen, Gesängen und dem alten hawaiianischen Speerwerf-Ritus Kāli'i begrüßt.

Kapitän Blankenfeld gehörte schon auf der ersten Fahrt der Vorgänger-„Hōkūle'a“ zur damaligen 15-köpfigen Crew. Als Präsident eines traditionellen hawaiianischen Ruderclubs ist er seit 1990 mit der PVS assoziiert. Zusammen mit deren Präsidenten Nainoa Thompson war er seit 1990 mit von der Partie auf zahlreichen, erfolgreich durchgeführten Seereisen zu den Archipelen des Pazifiks und entlang der Pazifischen Feuerplatte.

Unterdessen waren die Meisternavigatoren Thompsen und Blankenfeld, beide indigener Abstammung, 30 Jahre lang mit der Vorbereitung des großen Abenteuers einer Weltreise auf der Replica-„Hōkūle'a“ ohne den Gebrauch von Navigationsinstrumenten beschäftigt. Wer die spirituelle Seite der Orientierung auf offenem Meer ohne GPS und optische Geräte erfasst hat, erhält auf Hawaii im Rahmen eines Initiationsrituals die Auszeichnung „Pwo“. Diese gilt als eine Ehrung dafür, dass man den Anschluss an seine polynesischen Wurzeln gefunden hat.

Mit ihrer Arbeit wollen Thompson und Blankenfeld die überwiegend von Indigenen getragene „Zurück zu den Wurzeln“-Bewegung in den Nationalstaaten Ozeaniens und den ozeanischen Anrainerstaaten stärken. Auch wollen sie die Menschen ermutigen, den Umgang mit natürlichen Ressourcen wieder aufleben zu lassen.


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