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Der „Generalinspekteur der Einheit“ starb vor 20 Jahren
Dass Dieter Wellershoff in seiner Karriere in vielerlei Hinsicht der Jüngste und der Erste war, ist umso bemerkenswerter, als er erst relativ spät Bundeswehrsoldat wurde. Man könnte ihn geradezu als Quereinsteiger bezeichnen. Am 16. März 1933 in Dortmund geboren, gehörte er zu den sogenannten weißen Jahrgängen, die nicht als Wehrpflichtige zwangsläufig mit der Bundeswehr in Kontakt kamen. Sein Vater war auch nicht etwa Berufssoldat, sondern Bergbauingenieur, ein für das Ruhrgebiet typischer Beruf. Das Ende der goldenen Zeiten der Steinkohle zeichnete sich jedoch bereits ab, und die Eltern empfahlen ihrem Sohn, nicht wie der Vater Bergbau-, sondern Maschinenbauingenieur zu werden. 1953 nahm der Abiturient ein entsprechendes Studium an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen auf.
1957 brach Wellershoff das Studium indes ab und wechselte zu der damals bereits zwei Jahre bestehenden Bundeswehr. Als Motiv nannte Wellershoff nachvollziehbar die blutige Niederschlagung des Ungarnaufstands durch sowjetische Truppen im Vorjahr.
Der Abiturient mit Studienerfahrung durchlief bei der Bundesmarine die Ausbildung zum Seeoffizier. Von 1967 bis 1969 absolvierte er den 9. Admiralstabslehrgang an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg-Blankenese. Als Lehrgangsbester erhielt er den General-Heusinger-Preis.
Als erster Angehöriger der Nachkriegsgeneration errang Wellershoff einen Admiralsrang. 1977 wurde er zum Flottillenadmiral ernannt.
Wellershoff war auch der erste Marineoffizier an der Spitze der Bundeswehrführungsakademie. Mit der Übernahme der Leitung der höchsten militärischen Ausbildungsstätte der Bundesrepublik im Jahre 1981 war eine Beförderung verbunden. Dadurch wurde der 48-Jährige zum jüngsten Konteradmiral der Bundeswehr. 1984 wurde er Chef des Führungsstabes der Marine und im Jahr 1985 deren Inspekteur im Range eines Vizeadmirals.
1986 erreichte Wellerhoffs Karriere ihren Höhepunkt. Unter gleichzeitiger Beförderung zum Admiral wurde er zum Generalinspekteur der Bundeswehr. Und auch bei diesem letzten Karriereschritt auf die oberste Sprosse der Leiter, zum obersten Soldaten und militärpolitischen Berater der Bundesregierung, war er wieder der Jüngste und der Erste. Er war der bis dahin Jüngste auf diesem Posten und der Erste, der keine Kriegserfahrung als Wehrmachtssoldat hatte.
Ende der Nachkriegszeit?
Wenn man es denn will, kann man an Wellershoff mit etwas Pathos das Ende der Nachkriegszeit festmachen. Nicht nur, dass dieser Generalinspekteur durch die Gnade der späten Geburt nicht mehr zu den Bundeswehrsoldaten gehörte, die im Zweiten Weltkrieg von den nunmehrigen NATO-Partnern geschlagen worden waren, in seine Amtszeit fiel auch die zumindest teilweise Überwindung eines schwerwiegenden Ergebnisses des verlorenen Weltkrieges: des Verlustes der nationalen Einheit und der nationalen Souveränität.
Daraus ergab sich eine bis dahin unbekannte große Herausforderung: die Abwicklung beziehungsweise Integration des Materials und des Personals der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR sowie die Neuausrichtung der Beziehungen der Bundeswehr zu den Streitkräften der nun demokratischen und befreundeten vormaligen gegnerischen Satellitenstaaten. Vor diesem Hintergrund resümierte das Bundesverteidigungsministerium über Wellershoff: „Man könnte ihn als ,Generalinspekteur der Einheit' bezeichnen.“
1991 trat Wellershoff in den einstweiligen Ruhestand. Im darauffolgenden Jahr wurde er Gründungspräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Diese Leitungstätigkeit übte Wellershoff bis 1995 aus, blieb der Wissenschaft jedoch darüber hinaus als Dozent, Autor und Herausgeber erhalten. Der Ehemann und Vater dreier Kinder starb am 16. Juli 2005 in Euskirchen-Flamersheim.