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Kosaken

In beiden Lagern des Ukrainekrieges

In der kosakischen Geschichte hatte eine ambivalente Beziehung zur russischen Zentralgewalt schon vor Wladimir Putin Tradition

Bodo Bost
06.05.2022

In den Steppengebieten entlang den Grenzflüssen Wolga, Don, Dnjepr und Ural bildeten die Kosaken ab dem 15. Jahrhundert die schnelle Eingreiftruppe für den Zaren, aber ihre Freiheit und Autonomie gaben sie nie auf. Die Kosaken waren die treibende Kraft Russlands im Kampf gegen den Erzfeind, die Tataren. Die Kosaken besiegten sie, weil sie sich deren Lebensweise selbst zu eigen gemacht hatten und sich mit ihnen vermischten, aber Christen geblieben sind.

Kosaken waren Söldner und „freie Krieger“ zugleich, sie verbanden staatstreuen Patriotismus mit starker Freiheitsliebe. Deshalb blieben sie auch den Zaren suspekt. Die Kosaken halfen Bauern, die sich der Leibeigenschaft der Zaren entziehen wollten, und Altgläubigen, welche die Reformen der orthodoxen Staatskirche nicht mitmachen wollten. Während Teile der Kosaken zum kolonialen Vorposten Russlands wurden, wurden andere Teile zum tragenden Element regionaler Volksaufstände gegen den Zaren. Unter den Sowjets waren die Kosaken, die zum größten Teil auf Seiten der Gegner der Bolschewiken gekämpft hatten, dann so etwas wie Staatsfeinde Nummer 1.

Kreml fördert Neu-Kosakentum

Erst Wladimir Putin hat ihren kriegerischen und nationalistischen Nutzen wiederentdeckt. Sogar das Amt des Ataman, so lautet die traditionelle Bezeichnung eines Kosakenführers, wurde unter Putin wiedereingeführt. Ataman Nikolai Doluda wurde von Putin zum Oberhaupt der Gesamtrussischen Kosaken-Gesellschaft ernannt. Die Kosaken werden unter Putin zur patriotischen Erziehung der Jugend und für den Staatsdienst herangezogen. Vom Kindergarten über die Schule bis zu Kosakenuniversitäten reicht das Angebot. Kosakenverbände dürfen sogar seit einigen Jahren am Tag des Sieges in der Militärparade auf dem Roten Platz mitmarschieren, obwohl die Mehrheit der Kosaken damals in der Wehrmacht gegen die Sowjetunion gekämpft hat.

Putin hatte gemerkt, dass mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein verbindendes Element in der russischen Gesellschaft fehlt. Um das Vakuum zu füllen, förderte er die orthodoxe Kirche und das Kosakentum.

Heute gibt es mehr als 2600 Kosaken-Gesellschaften mit 170.000 Mitgliedern in Russland, etwa sieben Millionen Russen und mehr als eine Million Ukrainer fühlen sich als Nachkommen der Kosaken. Der Kreml fördert und nutzt das nachsowjetische Neu-Kosakentum für seine Zwecke.

In allen Kriegen Russlands seit dem von 1992 in und um Transnistrien waren Kosakenverbände im Einsatz. Nur in den beiden Tschetschenienkriegen von 1994 bis 1996 und von 1999 bis 2009 haben sie versagt. Dabei war der Kaukasus eines ihrer ureigensten Kampfgebiete.

Die offizielle Geschichtsschreibung der seit 1991 unabhängigen Ukraine gründet auch auf dem 1648 gegründeten Hetmanat der Saporoger Kosaken, obwohl unter Katharina der Großen das Saporoger Hetmanat, das Herzstück der heutigen Ukraine, 1765 eine russische Provinz wurde. Eine Rückbesinnung auf kosakische Traditionen trat bei den Protesten auf dem Kiewer Maijdan Ende 2013 als basis-demokratische und pro-westliche Tendenzen in Erscheinung. An die 50 Kosakenorganisationen unterstützten und unterstützen im Krieg um den Donbass wie heute gegen Russland die territoriale Integrität der Ukraine.

Ukraine-Kosaken verteidigen Land

Militärisch sind Kosakenverbände im 2014 ausgebrochenen Ukraine-Konflikt aber stärker auf russischer Seite aktiv. 5000 ukrainische Staatsbürger kämpften als Mitglieder kosakischer Verbände in den Regionen Luhansk und Donezk für die russische Sache. Als 2015 ukrainische Freiwilligenverbände vorrückten, verließen jedoch einige Kosakenverbände ihre Stellungen beim ersten Beschuss.

Vor allem seit der Proklamation der Volksrepublik Lugansk im Jahre 2014 hofft Ataman Kositsyn, mit Hilfe seiner Kosakischen Nationalgarde im Herzland der Donkosaken in der Region Rostow ein ukrainisch-russisches Hetmanat zu errichten in der Tradition der zu Zeiten des Russischen Bürgerkriegs von 1918 bis 1920 existierenden Donrepublik.

Der Aufmarsch von Kosaken bleibt für viele Russen jedoch nicht mehr als ein historischer Mummenschanz, bestenfalls Folklore, auch wenn er vom Kreml unterstützt wird. Selbst in einer Region wie Krasnodar, einst ein Kosakenzentrum im Süden Russlands, wo die staatliche Förderung besonders stark ausgeprägt ist, bestimmen Kosaken heute nicht mehr die regionale Identität, allenfalls die Folklore. Der staatliche Rückgriff auf das historische Symbol Kosakentum ist nur ein Mosaikstein in einer nationalistischen und rückwärtsgewandten Entwicklung, mit der Putin Russland weiter in Isolation und Selbstgefälligkeit treibt.


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