12.10.2025

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Kind des Ruhrgebiets: Bärbel Bas auf Wahlkampf in ihrer Heimatstadt Duisburg
Foto: picture alliance/dpa/Henning KaiserKind des Ruhrgebiets: Bärbel Bas auf Wahlkampf in ihrer Heimatstadt Duisburg

Kleine Frau in großer Mission

Als Bundesarbeitsministerin und Co-Chefin der SPD muss Bärbel Bas sowohl das deutsche Sozialsystem als auch die eigene Partei reformieren. Doch hat sie für diese Aufgaben das nötige Format?

Holger Fuß
12.10.2025

Am Vorabend des Tags der Deutschen Einheit war Bärbel Bas bei Ina Müllers launigem Kneipentalk „Inas Nacht“ zu Gast. Die Zuschauer erfuhren allerlei private Schmonzetten. Etwa, dass Bas ihren Kompagnon im SPD-Vorsitz Lars Klingbeil nicht sexy findet, dass die Bundesarbeitsministerin eher auf ältere Männer steht und dass die passionierte Fahrerin einer Harley-Davidson Low Rider S, wenn überhaupt, nur George Clooney mitnehmen würde. Kochen kann sie „leider nicht – ich will auch nicht“.Bei Müllers Frage, ob sie denn immer Essen bestellen würde, weicht sie aus, gibt aber an, sich gerne einladen zu lassen: „Und seit ich jetzt was bin, wollen alle die Ministerin zu Hause haben. Ja, immer gerne!“

Es war der erste massenwirksame Einblick hinter die bislang seltsam ausdrucksarme Panzerfassade jener Frau, die seit 2009 mit dem SPD-Direktmandat des Wahlkreises Duisburg I im Bundestag sitzt, die 2021 überraschenderweise zur Bundestagspräsidentin gewählt wurde und dieses Amt mit ähnlichem Phlegma ausübte wie ihr Parteifreund Olaf Scholz parallel das Amt des Bundeskanzlers. An das Format ihrer Vorgänger Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble reichte sie nie heran, was ihr selbst durchaus bewusst ist: „Also es sind schon klar kluge Köpfe, die eben auf ihre Art ihre Reden gehalten haben. Bei mir ist es halt ein bisschen anders.“

Das Prinzip Ruhrgebiet
Bas hat eine rührende Art, beinahe nach Art Freudscher Versprecher, mit der sie ihre eigene Schlichtheit porträtiert. Auch beim Talk mit Ina Müller lässt sie eine Graumäusigkeit durchblicken, betont unauffällig blau-schwarz gekleidet, die blonden Haare wie selbstgeschnitten, ein fülliges Allerweltsgesicht ohne biographische Konturen, geschweige denn erkennbare Emotionalität. Umso erstaunlicher, dass die Bundestagsverwaltung auf eine hinterhältige AfD-Anfrage angab, dass die Bundestagspräsidentin allein 2022 für „Visagisten, Kosmetiker und/oder Maskenbildner“ stolze 13.270 Euro an Steuergeldern aufgewendet hat, also mehr als 1000 Euro pro Monat für ein glanzloses Styling, das vom Publikum als stapfende Unauffälligkeit wahrgenommen wurde.

Was die Zuschauer bei „Inas Nacht“ wahrnahmen, war eine Frau, die gewiss gerne lacht, aber zu keiner eigenen Pointe imstande ist. Vielleicht ist sie ohne TV-Kameras schlagfertiger, aber in der Sendung stachelte Gastgeberin Müller sie höchstens zu verdrucksten Frivolitäten auf. Dass es, wie die Moderatorin behauptete, seit 2013 eine Sauna im Bundestag gibt, war Bas gar nicht bekannt. „Ich hätte die sonst auch geschlossen als Präsidentin. Hier wird im Plenarsaal geschwätzt und nicht in der Sauna!“ Viel wichtiger: „Ich möchte nicht, dass einer meiner Abgeordneten-Kollegen mich nackt sieht, echt nicht!“

Auch über etwaige Zukunftspläne gab Bas Auskunft – Kanzlerin will sie nämlich nicht werden: „Dann hast du kein Leben mehr. Dann fährst du auch nicht mehr in Urlaub ohne Personenschutz. Ich wäre überhaupt nicht tauglich dafür.“

Das dürfte so manchen erleichtern, der sich bei dem rätselhaften Aufstieg der Bärbel Bas darum gesorgt haben mag, dass es zum Äußersten kommen könnte. Dass die SPD-Chefin eine Bundestagswahl gewinnen könnte, dürfte nicht einmal Bas selber glauben. Sie ist keine Anke Rehlinger, die im Saarland die absolute Mehrheit holte. Sie ist auch keine Manuela Schwesig, die sich in Mecklenburg-Vorpommern mit wechselnden Mehrheiten behauptet. Bärbel Bas schaffte es zum Direktmandat Duisburg I, weil das ihre Geburtsstadt ist, eine sozialdemokratische Hochburg, wie es das ganze Ruhrgebiet lange Zeit war, und weil die Menschen dort wissen, dass Bas so tickt wie sie.

Aufstieg aus schwierigen Verhältnissen
Über ihren Aufstieg in höchste politische Ämter dürfte sich niemand mehr wundern als Bas selbst. Ihre Herkunft eine „einfache“ zu nennen, wäre bereits eine Beschönigung. Ihre Herkunft war eine ganz schwierige. Der Vater brachte seine Frau und sechs Kinder mühselig als Bus- und Lkw-Fahrer durch, immer wieder musste das Sozialamt aushelfen, wenn das Geld nicht reichte und die Schuhe kaputt waren. Wenn die Familie irgendwo auftauchte, hörte die kleine Bärbel: „Da kommen die Asozialen.“ Wie oft hatte sie sich vor Klassenfahrten durch fingierte Krankmeldungen gedrückt, weil sie kein Taschengeld bekam und sich schämte, dass sie sich nicht, wie ihre Mitschüler, unterwegs mal eine Limo oder Süßigkeiten kaufen konnte. „Das vergisst man nicht“, so Bas. Ja, sie sei davon schon traumatisiert. Irgendwann zerbrach die Ehe der Eltern, mal lebten die Kinder bei der Mutter, mal beim Vater; all diese Unbehaustheiten frästen sich in ihr Seelenkostüm.

Als Bundestagspräsidentin verdiente sie 22.700 Euro im Monat, nun als Bundesministerin in etwa auch soviel. Ihren Wohlstand findet sie heute „auf jeden Fall beruhigend“, denn Existenzängste aus Kindertagen zittern ein Leben lang nach. Tief im Inneren nagt die unauslöschliche Furcht, auf einmal wieder alles zu verlieren. Ihr bescheidener privater Lebensstil, der sich in ihrer gerade mal 42 Quadratmeter großen Wohnung in Berlin spiegelt, dürfte ein spätes Echo ihrer Herkunft sein. Materielle Ansprüche wurden ihr nie vorgelebt und derlei Begehrlichkeit offenbar nie entzündet.

Auch Bildung gehörte nicht zu ihren Erfahrungen im Elternhaus. Bis heute ist ihr literarischer Geschmack eher bodenständig, sie liest gern Horrorromane wie Stephen Kings „Es“. Nach ihrem Hauptschulabschluss lernte Bas Schweißerin, anschließend Bürogehilfin und arbeitete 14 Jahre lang als Sachbearbeiterin bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft und deren betriebseigene Krankenkasse. Doch damit mochte sie sich nicht begnügen. In ihr schwelte stets eine Sehnsucht, ihrer beengten Herkunft zu entkommen. Sie bildete sich fort, erst zur Sozialversicherungsfachangestellten, dann zur Krankenkassenbetriebswirtin. Anfang der Nullerjahre ging es jäh aufwärts, sie wurde stellvertretendes Vorstandsmitglied ihrer Betriebskrankenkasse und, nach einem Studium zur Personalmanagement-Ökonomin, schließlich Leiterin der Abteilung für Personalservice im Hause.

Unzweifelbar eine Duisburger Erfolgsgeschichte, durch die sozialdemokratisches Blut fließt. Natürlich war Bas bei der Verkehrsgesellschaft als Betriebsrätin aktiv, engagierte sich gegen die damalige Kohl-Regierung und trat 1988 in die SPD ein. Sie machte Kommunalpolitik und Parteikarriere, als Nachtmensch und kinderlose Frau konnte sie mühelos in den Kaderzirkeln bis nach Mitternacht Strippen ziehen. 2005 wurde sie Lebensgefährtin des Duisburger SPD-Urgesteins Siegfried Ambrosius, Jahrgang 1941, fast 27 Jahre älter als Bärbel Bas, Jahrgang 1968. Bis zu seinem Tod 2020 waren die beiden ein Paar, die letzten fünf Jahre miteinander verheiratet.

Privat an der Seite eines sozialdemokratischen Urgesteins
Bei Ambrosius fand Bas nicht nur den emotionalen Halt und die Anerkennung, die sie seit ihren von Unsicherheit geprägten Kindertagen gesucht hat, sondern auch ihren politischen Mentor, der ihr die Richtung wies. Ambrosius war 39 Jahre lang Unterbezirks-Geschäftsführer in Duisburg und galt als „herausragendes Organisationstalent“, so seine Partei im Nachruf. Mit allen Winkelzügen vertraut, dürfte er Bas den Weg in den Bundestag mitgeebnet haben.

Später erkrankte Ambrosius an Parkinson. In der Rückschau meint Bas, sie hätte wohl zu seinen Lebzeiten nicht den Job der zweiten Frau im Staate angenommen: „Ich hätte ihn nicht alleingelassen mit seiner Krankheit. Aber jetzt, nach seinem Tod, bin ich frei.“

So respektabel ihr Werdegang in den Steigleitungen der Partei des Aufstiegsversprechens auch ist – ein Unbehagen bleibt: Wie will eine SPD-Chefin Bas ihre einstige Volkspartei, die bei der vergangenen Bundestagswahl niederschmetternde 16,4 Prozent holte und in aktuellen Umfragen bei

13 bis 15 Prozent oszilliert, aus ihrem stabilen Tief herausholen? Zumal die SPD als Juniorpartner in der Koalition wenig Spielraum zur inhaltlichen Neuaufstellung hat, insbesondere um ihre einstige Stammklientel, die Arbeiter, die zur AfD geflohen sind, zurückzugewinnen? Hat Bärbel Bas das intellektuelle Format, ihre Partei aus der links-woken Sackgasse herauszuführen, aus der Geiselnahme queerer und klimaversessenen Lobbyisten zu befreien? Oder begnügt sich die SPD-Führung mit einer Mutti-Figur an der Spitze, die die traurigen Reste der Partei zusammenhält, um mit einem entschlossenen Weiter-so absehbar den einstelligen Prozentbereich anzupeilen?

Kann sie den Sozialstaat retten?
In ihrer Funktion als Bundesarbeitsministerin hat Bas immerhin die Möglichkeit, den völlig aus dem Leim geratenen Sozialstaat neu zu ordnen, der nicht zuletzt durch die ungeregelte Migrationspolitik und den Zuzug von viel zu vielen Einwanderern ins Bürgergeld überfordert ist. Wer aber diese Unwuchten reparieren will, benötigt den Mut, die Ausweitung der Leistungsberechtigten zu stoppen. Stattdessen wird über die Einschränkungen von Leistungen nachgedacht, die den sozialen Frieden gefährden werden. Kürzlich hat Bas angedeutet, dass Bürgergeldempfänger, die in zu teuren Wohnungen leben, sofort umziehen müssen – die bisherige einjährige Schonzeit solle entfallen. In Zeiten, in denen Wohnraum überhaupt Mangelware ist, erst recht solcher, der mit Wohngeld bezahlbar ist, dürfte diese Maßnahme zum Obdachlosigkeitsturbo werden.

Kanzler Merz bezeichnete das derzeitige Sozialsystem als nicht mehr finanzierbar. Ministerin Bas nannte seine Aussage daraufhin „Bullshit“. Ob dies zur Stimmungsaufhellung des Publikums gedacht war oder von Überzeugung getragen, wird sich noch herausstellen. Das gleiche gilt für die Frage, ob Bas die gedankliche Kraft hat, als Ministerin das Sozialsystem und als SPD-Chefin die Partei auf zukunftsfähigen Kurs zu bringen. Oder wird sie sich einreihen in die Riege mittelmäßiger Gestalten, die die SPD in den vergangenen Jahren geprägt haben, zu Martin Schulz, zu Andrea Nahles, zu Saskia Esken?

Stefan Zweig hat über den „mittleren Charakter“ einmal geschrieben: „Aber ebenso ergibt sich Tragik, wenn eine mittlere oder gar schwächliche Natur in ein ungeheures Schicksal gerät, in persönliche Verantwortungen, die sie erdrücken und zermalmen, und diese Form des Tragischen will mir sogar als die menschlich ergreifendere erscheinen.“

So berührend der Weg der Bärbel Bas auch immer sein mag, die multidimensionale Krisenlage in Deutschland wie in der Welt verlangt eher nach aristokratischen Persönlichkeiten im Wortsinne: Aristokratie kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Auswahl der Besten“.

Holger Fuß ist freier Autor und schreibt regelmäßig für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften über das Zeitgeschehen. 2019 erschien „Vielleicht will die SPD gar nicht, dass es sie gibt“ (FinanzBuch Verlag). www.m-vg.de/finanzbuchverlag 


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Kommentare

Peter Wendt am 09.10.25, 06:08 Uhr

Ich erinnere Frau Bas als Bundestagspräsidentin, wo Sie sehr von oben herab agierte, Parlamentarier belehrte, parteiisch formulierte und die Spaltung der Gesellschaft betrieb. Solche Politiker brauchen wir nicht!

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