Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Ein wundervoller Sandstrand, die reiche Historie und vielfältige Kureinrichtungen erfreuen die Besucher
Eine Wanderung am breiten, feinsandigen Strand von Kolberg [Kołobrzeg] lässt den Besucher ahnen, dass dieses Ostseebad in der 2. Hälfte des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein ernst zu nehmender Konkurrent des ältesten pommerschen Ostseebades Swinemünde war. Bei den Gästezahlen war man auf Augenhöhe mit den Usedomer Bädern und Misdroy. Man verstand sich als Kranken- und Rekonvaleszensbad und warb damit, im Unterschied zu anderen Nord- und Ostseebädern, einen „vollkommen schnakenfreien Strand“ zu haben.
In den 1930er Jahren stritt sich das „See-, Moor- und Solebad Kolberg“ gar mit Swinemünde um den Superlativ, „das meistbesuchte deutsche Ostseebad“ zu sein. Im Sommerhalbjahr 1938 wurden 566.000 Gästeübernachtungen registriert. Die Gastgeber waren stolz auf ihre Heilanstalten (darunter zahlreiche für Kinder), Hotels und Pensionen, das Kurhaus, den Seesteg und die gepflegten Parks. Mehrmals am Tag gab es Kurkonzerte. Die Mehrzahl der Besucher kam aus Berlin und dem mittleren und östlichen Deutschland, auch aus Polen.
Heute hat sich das Bild gewandelt, die früheren Gastgeber sind zu Gästen geworden. Die Zahl der deutschen Kurpatienten wächst, nicht zuletzt wegen der moderaten Preise, stetig. Die Zahl der „Heimwehtouristen“ hingegen, die zu ihren Wurzeln beziehungsweise den Wurzeln ihrer Vorfahren zurück möchten, nimmt – schon biologisch bedingt – kontinuierlich ab. Die deutschen Gäste werden hier gerne gesehen. Im Jahre 2000 wurde zur Erinnerung an die früheren Bewohner westlich der Persante, in der Parkanlage der Maikuhle, ein Lapidarium mit alten deutschen Grabsteinen geschaffen. Die Wegweiser in der Stadt und die Hinweistafeln bei den Sehenswürdigkeiten sind dreisprachig: Polnisch, Deutsch und Englisch, was in den westpommerschen Bädern keineswegs die Regel ist.
Beliebt sind Schiffsausflüge
Sehr empfehlenswert sind in Kolberg ein Spaziergang auf der Ostmole, eine Schiffsfahrt mit der Kogge „Santa Maria“ über die Mündung der Persante auf die See hinaus oder ein Besuch des idyllisch gelegenen Cafés auf dem Seesteg. Der Leuchtturm ist zwar nur 26 Meter hoch, bietet aber eine fantastische Aussicht. Und mit dem Katamaran „Jantar“ ist in der Sommersaison ein Tagesausflug nach Bornholm (Nexø) möglich. Auch über einen Seglerhafen verfügt die Stadt. Weniger euphorisch stimmt die weitläufige Promenade. Die berühmte Bäderarchitektur fehlt hier vollständig.
Stets waren die Kriege der Fluch der Kolberger. Die Pest und der Dreißigjährige Krieg, in dem sich hier Wallenstein und die Schweden gegenüberstanden, dezimierten die Bevölkerung. Im Siebenjährigen Krieg hungerten die russischen Belagerer die Stadt aus und nahmen sie schließlich nach der 3. Belagerung ein.
Napoleon hingegen, konnte im Jahre 1807 die Festung nicht stürmen. Gneisenau, Schill und Nettelbeck hatten deren Verteidigung geleitet. 1919 war Kolberg der letzte Sitz der Obersten deutschen Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Wilhelm Groener. Das Ende für die im Jahre 1944 erneut zur Festung ernannte Stadt und ihre deutschen Einwohner war im März 1945 eingetreten, als die Stadt zwei Wochen lang von der Roten Armee belagert und fast völlig zerstört wurde. Das war der bittere Schlusspunkt unter der 700-jährigen deutschen Geschichte der Stadt, die im Jahre 1255 von Herzog Wartislaw III. von Pommern und Bischof Hermann von Gleichen von Cammin das Stadtrecht nach Lübischem Recht erhalten hatte.
Lübisches Stadtrecht
Von 1361 bis 1610 gehörte Kolberg der Hanse an. In dieser Blütezeit der Stadt waren die Salzproduktion, der Salzhandel und der Fischfang die Haupteinnahmequellen Kolbergs. Mehr als 30 kleinere Salzsiedereien existierten bis zum Jahre 1860. Das auf der an der Persante gelegenen Salzinsel gewonnene Salz brachte den Bürgern jenen Wohlstand, der sich auch im Stadtbild widerspiegelte.
Nach dem Krieg wurde das zerstörte historische Stadtzentrum, abgesehen vom Rathaus, dem Dom und einigen wenigen Bürgerhäusern, nicht wieder aufgebaut. Triste Plattenbauten bestimmten zu dieser Zeit das Stadtbild. Erst in den 90er Jahren begann man damit, im Stadtzentrum an die alte architektonische Tradition anzuknüpfen.
Den Wert Kolbergs als Kurort erkannten die polnischen Behörden bereits Jahrzehnte früher. Mit Unterstützung aus Warschau wurde das Ostseebad nach dem Krieg zum Zentrum der westpommerschen Kurorte ausgebaut. Heute bildet der Tourismus für die rechts und links der Persante-Mündung gelegene Stadt mit ihren 46.700 Einwohnern den stärksten wirtschaftlichen Zweig. Ein Rundgang durch das partiell wiederhergestellte historische Stadtzentrum ist sehr empfehlenswert. Die Pulverbastei, der Dom, das Neugotisches Rathaus und der Braunschweiger Palast bilden die Höhepunkte.
Der Dom (die Marienbasilika) – bis 1945 die St.-Marien-Domkirche – verfügt über sehr wertvolle alte Kunstschätze. Bis zu 9000 Gläubige können hier am Gottesdienst teilnehmen. Das Rathaus war von 1829 bis 1831 nach einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel erbaut worden. Das ursprüngliche mittelalterliche Rathaus wurde 1807 durch Napoleons Truppen, die der Stadt unermesslichen Schaden zugefügt hatten, zerstört. Im offenen Innenhof des Gebäudes befand sich bis 1945 die Statue Friedrich Wilhelms III. Er hatte seine Schatulle für den Wiederaufbau des Rathauses weit geöffnet und zudem die Gründung eines „Seebade-Etablissements“ in Kolberg angeregt.
Das Braunschweigische Palais, benannt nach einer angesehenen Kolberger Ratsfamilie, beherbergt heute das Museum und bietet eine Ausstellung zur Stadtgeschichte. Sehenswert sind auch die Gebäude an der frühere Schmiedestraße [ul. Stanislawa Dubois], die Teil der Straße „An der Mauer“ war. Mit den hier wieder entstandenen Handwerkerhäusern aus dem Mittelalter ist die Annäherung an das historische Stadtbild offensichtlich am besten gelungen. In der genannten Straße befindet sich auch der Pulverturm [Baszta Prochowa], der im 14. Jahrhundert als Teil der 1600 Meter langen Stadtmauer im Stil der Backsteingotik errichtet wurde. Es heißt, dass der Turm als einziges Gebäude des Stadtzentrums nicht zerstört worden war. Das Anbringen der über Jahrhunderte geltenden deutschen Straßennamen würde das Stadtzentrum zweifellos weiter aufwerten.
Festungen und Schanzen
Stein gewordene pommersche Geschichte sind auch die alten Festungsanlagen. Auf der Salzinsel befindet sich die Schill-Redoute, eine geschlossene Feldschanze, die der Bewachung des westlichen Stadtbereichs diente. Auf den Fundamenten des Forts Münde, das die Hafeneinfahrt sicherte, wurde der heutige Leuchtturm erbaut. Im Osten der Strandpromenade können die Reste der Waldenfelsschanze besichtigt werden. Etwas weiter landeinwärts, beim Amphitheater, sind beim genauen Hinsehen Überbleibsel der Wolfsbergschanze zu erkennen. Und westlich der Persante befanden sich die Heyde-Schanze und die Kleist-Schanze.
Die Festung Kolberg nutzte Preußen auch für den Strafvollzug. Hier hatten auch Adam Heinrich Dietrich Freiherr von Bülow, der als literarische Figur in Fontanes Schach von Wuthenow auftritt, Turnvater Jahn, der in Bergen auf Rügen geborene Philosoph Arnold Ruge und Martin von Dunin ihre Festungshaft verbüßt. Die Festungshaft galt in Preußen als „ehrenvolle Strafe“. Sie konnte bei politischen Straftaten von Offizieren und Angehörigen der höheren, gebildeten Schichten oder gegen Duellanten verhängt werden.