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Berliner Rathauskoalition uneins: SPD will sich Autofahrer nicht zu Feinden machen
Der Berliner Senat hat im Dezember eine „Klimanotlage“ ausgerufen und angekündigt, in diesem Jahr einen „Zeit- und Maßnahmenplan“ vorlegen zu wollen, mit dem Berlin schnellstmöglich „klimaneutral“ werden soll. Die nun von Grünen und SPD präsentierten Ideen bergen jedoch massives Streitpotenzial für die verbleibende Regierungszeit der rot-rot-grünen Koalition.
Geht es nach den Vorstellungen der Umweltsenatorin Regine Günther, dann wird bereits bis zum Jahr 2030 innerhalb des Berliner S-Bahnrings ein vollständiges Fahrverbot für alle Autos mit Diesel- und Benzinmotoren eingeführt. Eine Senatsvorlage der Grünen-Politikerin sieht darüber hinaus vor, das gesamte Berliner Stadtgebiet ab 2035 zu einer „Zero Emission Zone“ zu erklären. Innerhalb von 15 Jahren wären damit Autos mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren aus der Bundeshauptstadt komplett verbannt. Die Umweltsenatorin will in Berlin zudem auch das Parken deutlich teurer machen und eine Citymaut einführen. Mit den Einnahmen soll dann der öffentliche Nahverkehr subventioniert werden.
2035 alle Diesel und Benziner raus?
Ob insbesondere die radikalen Fahrverbotspläne der Grünen politisch durchsetzbar sind, bleibt abzuwarten. Innerhalb der Koalition treffen die Ideen nämlich auf Widerstand der SPD. Gut anderthalb Jahre vor den Berliner Abgeordnetenhauswahlen 2021 grenzen sich die Sozialdemokraten bei der Verkehrspolitik deutlich vom Koalitionspartner Grüne ab. Auf ihrer Jahresklausurtagung in Nürnberg erteilte die Berliner SPD-Fraktion einem Verbot von Autos mit Verbrennungsmotor auf absehbare Zeit eine klare Absage. Vizefraktionschef Jörg Stroedter sagte: „Man kann den Leuten nicht vorschreiben, dass sie mit ihrem Auto mit Verbrennungsmotor in zehn Jahren nicht mehr in die Stadt fahren können.“
Der Politiker versicherte zudem: Mit der SPD „gibt es keinen Krieg gegen die Autofahrer“. Auch Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller, stellte klar: „Es wird immer Leute geben, die ein Auto brauchen.“ Müller plädierte auch dafür, bei Bussen als Übergangslösung Gas für den Antrieb zu nutzen, bis es genug Elektrobusse gebe: „Doch das lehnen die Grünen ab, weil es ein fossiler Energieträger ist“, so der Berliner SPD-Chef. Auf der Klausur verabschiedete die SPD-Fraktion ein Programm zu einem „sozialen Klimaschutz“. Teil des Pakets ist die Forderung nach einem 365-Euro-Jahresticket für den öffentlichen Nahverkehr in Berlin.
„Kein Krieg gegen die Autofahrer“
Auf der Klausurtagung hatte Verkehrsexperte Bernd Rosenbusch vom Münchener Verkehrs- und Tarifverbund allerdings deutlich von der Idee der Billig-Jahreskarte abgeraten. Rosenbusch, der als Referent geladen war, sprach sogar von „Unsinn“ und verwies auf das Beispiel Wiens. Die Donau-Metropole hat bereits im Jahr 2012 eine 365-Euro-Jahreskarte eingeführt. Laut Bernd Rosenbusch hat sich der Schritt allerdings nicht gelohnt, da er nicht zu mehr Fahrgästen für den ÖPNV in Wien geführt habe. Rosenbusch sagte auf der SPD-Tagung, dass man sich daher in München von der Idee der 365-Euro-Jahreskarte verabschiedet habe. Nach internen Berechnungen des Berliner Senats würde die Einführung eines solchen Angebots pro Jahr einen zusätzlichen Zuschuss von 160 Millionen Euro an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) erforderlich machen.
Der Regierende Bürgermeister Müller will sich das Ticket allerdings vom Bund fördern lassen. Genutzt werden soll dabei eine Ankündigung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der bundesweit mehrere Modellregionen ausloben will. Gerade Berlin könnte diese Hilfe des Bundes gut gebrauchen. Um den ÖPNV tatsächlich attraktiver zu machen, wird der Senat in den kommenden Jahren viel Geld in die Hand nehmen müssen. Schon jetzt sind Schienen und Straßen in der gesamten Hauptstadtregion regelmäßig überlastet. Mit den gestiegenen Einwohnerzahlen von Berlin und dem Speckgürtel sind in den vergangenen Jahren die täglichen Pendlerströme massiv gewachsen. Für neue Busse, Bahnen und Schienenwege sind nicht nur Milliardeninvestitionen nötig, sondern auch viel zeitlicher Vorlauf für Planungen, Genehmigungen und den Bau.
ÖPNV-Ausbau kommt kaum voran
Die Vorbereitungen für den Wiederaufbau der Dresdner Bahn haben sich beispielsweise über 20 Jahre hingezogen, ehe der Bau nun langsam in Gang kommt. Beim Streckenausbau der S-Bahn oder dem Wiederaufbau der preußischen Stammbahn ist die Hauptstadtregion Jahrzehnte nach der deutschen Vereinigung noch immer weit davon entfernt, überhaupt den Stand wiederherzustellen, der schon bis zum Zweiten Weltkrieg oder bis zum Mauerbau 1961 bestanden hatte.