Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Der Hauptfriedhof in Stettin war im Jahr 1911 Schauplatz einer Ausstellung über Friedhofskunst
Wenn wir am Totensonntag die Gräber unserer Vorfahren besuchen, dann ist es vielleicht von Interesse, dass auch bereits unsere Eltern und Großeltern sich auf ihre Weise mit dem Tod und den Ruhestätten auseinandersetzten. So wurde am 3. Juni 1911 in Stettin eine Ausstellung für Friedhofskunst auf dem Hauptfriedhof in Stettin eröffnet.
Der Ort war klug gewählt, denn hier zählte der Gestaltungsgrundsatz, jedes Grab so günstig wie möglich zur Wirkung gelangen zu lassen. Dies gelang dadurch, dass die Parkstellen mit ihren kräftigen Anpflanzungen auch jede Grabstelle für sich zur Geltung kommen ließen.
Dies war nicht einfach, denn bereits vor über 100 Jahren begann sich schon eine Grabmalindustrie zu entwickeln, die auch mit übertriebenen Erinnerungswerken aufwartete. Dem entgegen wirkte Friedhofsdirektor Georg Hanning, der in seinem Büro mit Modellen, Zeichnungen und Fotos für mustergültige Grabanlagen warb.
Sein Ziel: Die Anlegung eines andauernden Musterfriedhofs. Da dieser an den Kosten scheiterte, besann sich Hanning mit Unterstützung der Dürer-Gesellschaft darauf, eine Ausstellung für Friedhofskunst – unterstützt vom Stettiner Magistrat, dem Verein für Feuerbestattung und dem Konsistorium der Provinz Pommern – ins Leben zu rufen.
Hannings Entwurf für die Ausstellung wurde durch die Friedhofsverwaltung realisiert. So gelangte man nun vom Eingangsportal zur Ausstellungshalle, die nach den Plänen des Stettiner Stadtbaudirektors Stahl errichtet wurde, über einen Weg, der von hohen Thujahecken eingefasst und durch Heliotrop-Rabatten begleitet wurde.
Vor der Ausstellungshalle wurde die Stimmung durch alte Bäume bestimmt, durch deren Laubwerk die Sonne ihr Licht auf goldgelbe Kieswege warf. Akustisch vernahm man das nahe Plätschern eines Vogel- und eines Schöpfbrunnens. Dazu luden weiße Bänke zur Ruhe und zum beschaulichen Genießen ein.
Im Zentrum der Ausstellungshalle war eine Marmorstatue einer Kranzwinderin von dem Hildesheimer Bildhauer Friedrich Küsthardt zu sehen, zu ihren Füßen blühende Blumengebinde der Stettiner Firma des Kunstgärtners Blume. In den Seitenhallen waren Fotos, Modelle, Zeichnungen und Skulpturen von Friedhöfen ausgestellt worden.
Eine besondere Beachtung soll nun das Umfeld der Ausstellungshalle erfahren, denn hier war wohl eine der interessantesten historischen Abteilungen zu sehen. Das eigentlich als arm an Kunst geltende Pommern, wies – wie historische Beispiele zeigten – in der Gestaltung der Gräber eine besondere Kunstfertigkeit aus.
Um diese für eine breite Öffentlichkeit und deren Verständnis zugänglich zu machen, hatten Friedhofsdirektor Hanning und Architekt Höfert in mühevoller Kleinarbeit deren Zeugnisse von den pommerschen Dorffriedhöfen zusammengetragen. Ihr Material war nicht immer, aber wo es möglich war aus Stein. Das waren meist heimische Findlingen, also keine Massenware und auf den Toten angepasst mit einer individuell angepassten Inschrift. Diese Erinnerungszeugen waren zwanglos auf einer Wiese angeordnet, umgeben von Fichten und Birken. Auch ausgestellt waren neuzeitliche Grabmäler aus Schmiedeeisen und Holz.
Ziel war es auch, mit diesen Beispielen für die Gestaltung von Gräbern – die übrigens auch aus anderen Teilen Deutschlands für die Ausstellung beigesteuert wurden – auch die heimischen Traditionen wiederzubeleben. Zudem konnten diese durchaus günstig ausfallen. Musterrechnungen bei Holzkreuzen sprachen 1911 von 15 bis 25 Mark.
Um eine vornehme und ruhige Wirkung zu erzielen, wurde auf die Bepflanzung mit einer Pflanzenart hingewiesen. Die Beschränkungen von Höhen, die Ausweisung von Materialen und die Gestaltung der Grabmäler sollte durch Festlegungen beeinflusst werden, um eine Harmonie und Einfügung in das Umfeld zu erlangen.
In einer Zeit sich wandelnder Rituale und Bestattungsformen lohnt es auch noch, einen Blick über die damals angedachte Bestattungsform der Zukunft, die Feuerbestattung, ein paar Worte zu verlieren: Hier, in Stettin, waren neben dem Urnenhain, dem Urnengarten auch Familienurnentempel denkbar.
Wer heute den Stettiner Hauptfriedhof besucht, kann immer noch eine Vielzahl eindrucksvoller Grabkunst und Gräberstätten bewundern und sicher auch die eine oder andere Anregung zum Umgang mit dem Tod und Erinnern mitnehmen sowie der Einbettung von letzten Ruhestätten in ein natürliches Umfeld sehen. Dass der erst 1901 angelegte und von Wilhelm Meyer-Schwartau entworfene Hauptfriedhof Stettins bereits zehn Jahre später mit einer Friedhofsausstellung aufwartete, zeigt auch die große Achtung vor dem Tod und der Würde der Verstorbenen.
Der Friedhof ist auch heute ein Zeugnis deutscher Vergangenheit. Zu den bekanntesten Gräbern gehören die Grabstätten der Familien Haken, Kissling oder von Dewitz.