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Frankreich

Le Pens Coup zur Europawahl

Ehemaliger Frontex-Direktor Fabrice Leggeri kandidiert für den Rassemblement National

Peter Entinger
28.02.2024

Dem Rassemblement National (RN, Nationale Versammlung) ist ein spektakulärer Coup gelungen. Der Direktor der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex von 2015 bis 2022, Fabrice Leggeri, tritt auf Listenplatz 3 der Partei für die EU-Wahl an. „Sein Fachwissen und seine Erfahrung werden uns helfen, die Migrationsüberflutung zu bekämpfen, die Frankreich und Europa derzeit erleben“, teilte die Partei mit. Der 55-Jährige erklärte wenig später, dass er beabsichtige, dem RN auch offiziell beizutreten.

Die politische Konkurrenz in Frankreich reagierte gereizt. An Leggeris Hände klebe Blut. Der RN-Vorsitzende solle sich fragen, ob er die Gesellschaft eines solchen Mannes wirklich wolle, gifteten die Grünen. Einer der Vorwürfe lautet, Leggeri habe als Frontex-Direktor veranlasst, Migrantenboote zu stoppen und Asylsuchende der griechischen Küstenwache zu übergeben.

Die wie die CDU/CSU zur Parteienfamilie der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) gehörenden „Republikaner“ hatten ebenfalls mit Leggeri über einen sicheren Listenplatz verhandelt. Nachdem sie erkennen mussten, dass sie den Kürzeren gezogen hatten, warfen sie dem ehemaligen Frontex-Direktor eine wenig glaubwürdige Kehrtwendung vor.

Aussprache Le Pens mit Weidel
Im Vorfeld der anstehenden Europawahl haben sich die Spitzen der Alternative für Deutschland (AfD) und des Rassemblement National in Frankreich getroffen, um Irritationen auszuräumen. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel berichtete anschließend von einem „herzlichen Empfang“ durch die Vorsitzende der RN-Fraktion in der französischen Nationalversammlung, Marine Le Pen, und den Vorsitzenden der Partei, Jordan Bardella. Man habe festgestellt, dass man bei den großen Problemen der heutigen Zeit die gleichen Lösungsansätze verfolge.

Le Pen hatte zuvor mit dem Ende einer gemeinsamen Fraktion im Straßburger EU-Parlament gedroht. Die Französin, die beste Aussichten hat, den aktuellen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zu beerben, war offenbar alarmiert durch die Berichte über das sogenannte Geheimtreffen von Potsdam. Le Pen sagte, sie sei nicht einverstanden mit den Vorschlägen, die bei diesem Treffen diskutiert worden sein sollen. Damit meinte sie die Abschiebung von Millionen Migranten, darunter Besitzer der deutschen Staatsbürgerschaft. Le Pen betonte, ihre Partei habe niemals eine Politik verteidigt, die Menschen die französische Staatsangehörigkeit entziehen wolle.

Der Konflikt schwelt allerdings schon länger. Bei der französischen Präsidentschaftswahl 2022 hatte sich Maximilian Krah, Mitglied im Bundesvorstand der AfD und im Parlament der EU sowie Spitzenkandidat seiner Partei für die diesjährige Europawahl, für einen von Le Pens Konkurrenten, den islamkritischen Journalisten und Autor Eric Zemmour ausgesprochen. Letzterer gilt mittlerweile als radikaler denn der RN. Das Verhältnis von Le Pen und Zemmour ist über die Konkurrenz hinaus dadurch belastet, dass Le Pens Nichte Marion Marechal eine Stellvertreterin von Zemmour in der von diesem 2021 gegründeten und noch heute geführten Partei „Reconquête“ (Rückeroberung) ist.

Aus strategischen Gründen hat Le Pen ihren Konkurrenten bisher allerdings weitgehend in Ruhe gelassen. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts bei den nationalen Wahlen konnte Zemmours Partei dem etablierten RN kaum gefährlich werden. Und die sechs Prozent, die der Zemmour-Partei derzeit für die EU-Wahl vorhergesagt werden, dürfte Le Pen verschmerzen können.

Wahlsieg des RN prognostiziert
Viel ärgerlicher für Le Pen war die Tatsache, dass zwei EU-Abgeordnete der Zemmour-Partei sich kürzlich der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) im Straßburger Parlament angeschlossen haben. Wortführer innerhalb dieser Fraktion sind die „Brüder Italiens“ (FdI) der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni. Der Werdegang der Italienerin von einer rechtsradikalen Außenseiterin hin zu einer akzeptierten Regierungschefin, die auch auf europäischem Terrain reüssiert, soll Le Pen tief beeindruckt haben. Unkontrollierte Querschüsse, wie sie in Straßburg häufiger von der AfD kommen oder von der italienischen Lega, deren EU-Abgeordnete wie die des RN der Fraktion „Identität und Demokratie“ angehören, sind ihr mittlerweile ein Dorn im Auge.

Die 55-Jährige hat ihre Partei vor zwei Jahren erstmals in Fraktionsstärke in die Nationalversammlung gebracht. Dort stellt der RN 88 der insgesamt 577 Abgeordneten. Die Tochter des längst ausgeschlossenen Parteigründers Jean-Marie Le Pen hat es geschafft, sich vom harten Kern der Nostalgiker zu trennen. An ihrer Seite tummeln sich vielmehr junge, eloquente Strategen vom Schlage Bardellas. Der 28-Jährige führte den RN bereits 2019 als Spitzenkandidat in die Europawahl. Diese wurde mit 23,3 Prozent der Stimmen landesweit stärkste Kraft, knapp vor der Präsidentenpartei. Derzeit werden dem RN zwischen 28 und 32 Prozent vorhergesagt und damit ein höherer Sieg.


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