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Malerisch und äußerst liebevoll restauriert: Der Marktplatz von Allenstein mit vielen bunte  Geschäften, Restaurants und Cafés, die zum Verweilen einladen, besticht mit seiner typisch ostpreußischen Architektur
Bild: JEMalerisch und äußerst liebevoll restauriert: Der Marktplatz von Allenstein mit vielen bunte Geschäften, Restaurants und Cafés, die zum Verweilen einladen, besticht mit seiner typisch ostpreußischen Architektur

Ostpreußen

Lebens- und liebenswertes Alleinstein

Die Freude der Bewohner der schönen ostpreußischen Stadt hält sich in Grenzen, denn das Leben hier ist zu teuer

Dawid Kazanski
07.01.2025

Der Jahreswechsel ist traditionell eine Zeit der Rückblicke, und eines der überraschendsten Ereignisse in der städtischen Sphäre war das April-Ranking von „Business Insider“, in dem Allenstein zur lebenswertesten Stadt in Polen gekürt wurde. Diese Entscheidung überraschte nicht nur Soziologen und Beobachter des gesellschaftlichen Lebens, sondern auch die Stadtbewohner selbst.

Obwohl Allenstein seit Jahren mit seinem Charme, seinen malerischen Seen und seinem friedlichen Lebensstil Besucher anzieht, sind die Ergebnisse des Rankings umstritten – vor allem im Hinblick auf die wirtschaftlichen Realitäten. Die größte Stadt in der Region beeindruckt zweifelsohne durch ihre Nähe zur Natur. Sie ist ein idealer Ort für alle, die Ruhe und aktive Erholung in der Natur schätzen. Auch die Investitionen in die städtische Infrastruktur, darunter moderne Straßenbahnen und restaurierte Parks, werden sehr geschätzt. Diese Qualitäten trugen zweifellos zu der hohen Bewertung der Stadt in der Rangliste bei.

Zu teurer Wohnraum
Das Alltagsleben vieler Einwohner von Allenstein zeigt jedoch ein vielschichtigeres Bild. Die Stadt hat mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen, die den Titel „lebenswerteste Stadt“ infrage stellen. Die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in Allenstein gehören mit rund 1125 Euro pro Monat für eine alleinstehende Person zu den höchsten in der Republik Polen, insbesondere im Vergleich zu Städten ähnlicher Größe.

Auch die Mietkosten scheinen extrem hoch zu sein. Der Durchschnittspreis pro Quadratmeter beträgt umgerechnet immerhin 18,86 Euro auf dem Sekundärmarkt und 19,74 Euro auf dem Erstwohnungsmarkt. Diese Werte sind mit den Preisen in größeren Ballungsräumen wie Posen oder Stettin vergleichbar. Vor dem Hintergrund der genannten Kosten ist der Durchschnittsverdienst in Allenstein mit etwa 1710 Euro brutto eher durchschnittlich bis fast schon niedrig. Die Löhne sind nämlich niedriger als in Städten wie beispielsweise Breslau (2464 Euro brutto) oder Warschau (2323 Euro brutto). Das Medianeinkommen in Allenstein, das bei 1578 brutto liegt, zeigt, dass viele Einwohner noch weniger verdienen.

Hinzu kommt, dass mäßig bezahlte Arbeitsplätze von der Reduzierung bedroht sind und der Arbeitsmarkt der Stadt somit in letzter Zeit an Stabilität verlor. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung des Behälter- und Apparatebau-Unternehmens Schwarte Milfor, die Produktion nach Kroatien zu verlagern, was zu zahlreichen Entlassungen im örtlichen Werk führte. In ähnlicher Weise schloss das Staatsbahnunternehmen PKP Cargo das Allensteiner Werk von Cargo Tabor, weshalb alle Mitarbeiter arbeitslos wurden, obwohl das Werk eine wichtige Rolle bei der Reparatur von militärischem Gerät spielte. Darüber hinaus hat Eurocash, das eine Kette von Geschäften wie Lewiatan und ABC betreibt, im Rahmen seiner Umstrukturierung Entlassungen angekündigt, wobei jedoch nicht angegeben wurde, wie viele dieser Entlassungen Allenstein betreffen würden.

Kulturangebot ausbauen
Der Lebensstandard eines Ortes wird auch durch sein Kultur- und Freizeitangebot beeinflusst. Und es zeigt sich, dass man auch hier, im Herzen des südlichen Ostpreußens, immer tiefer in die Tasche greifen muss. Im Jahr 2024 musste Allenstein mit erheblichen Haushaltseinsparungen kämpfen, die sich auf verschiedene Bereiche des städtischen Lebens auswirkten. Eine der spürbarsten Auswirkungen dieser Maßnahmen waren Kürzungen im Kulturbereich und bei der Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen. Die Stadtverwaltung beschloss, die Mittel für kulturelle Veranstaltungen zu kürzen, wodurch die Zahl der Freiluftveranstaltungen, Konzerte und Workshops, die zuvor die lokale Bevölkerung integriert und Touristen angezogen hatten, zurückging. Diese Entscheidungen riefen Kritik hervor, insbesondere von Einwohnern und gemeinnützigen Organisationen, die jahrelang von Zuschüssen für Bildungs- und Wohltätigkeitsaktivitäten profitierten.

Die Sparmaßnahmen wirkten sich auch auf kommunale Investitionen aus, die auf absolut notwendige Projekte im Jahr 2024 beschränkt wurden. Die Haushaltspläne umfassten vor allem Ausgaben im Zusammenhang mit der Modernisierung des städtischen Krankenhauses und Investitionen in die Cybersicherheit, während größere Infrastrukturprojekte, wie der Bau der Nowobałtycka-Straße, verschoben wurden.

Mehr finanzielle Stabilität
Obwohl Allenstein sicherlich viele Vorteile hat, ist das Ranking von „Business Insider“ fragwürdig, insbesondere wenn man die wirtschaftlichen Realitäten des Lebens in der Stadt betrachtet. Die Einwohner von Allenstein weisen häufig auf die Diskrepanz zwischen den steigenden Lebenshaltungskosten und den Durchschnittslöhnen hin. Die hohen Preise für Wohnraum und Dienstleistungen stehen in keinem Verhältnis zum Lohnniveau, was das Leben in der Stadt zu einer Herausforderung machen kann, insbesondere für junge Familien und Menschen mit durchschnittlichem Einkommen, die einen festen Arbeitsplatz suchen.

Die Kürzung der Ausgaben war zwar aufgrund von Haushaltszwängen notwendig, wirkte sich aber spürbar negativ auf die Lebensqualität der Einwohner aus und schuf eher ein Gefühl der Unsicherheit über die Zukunft der lokalen kulturellen und sozialen Initiativen. Diese Maßnahmen zeigen, vor welchen Herausforderungen die Stadt im Jahr 2025 steht, wenn sie versucht, die finanzielle Stabilität zu erhalten und gleichzeitig das Defizit zu verringern.

Um den Titel der lebenswertesten Stadt in der Republik Polen wirklich und vollumfänglich zu verdienen, muss die ostpreußische Metropole in Zukunft vor allem ihre wirtschaftlichen Probleme in den Griff bekommen und für ein noch besseres Gleichgewicht zwischen Lebensqualität und Kosten sorgen. Denn dann können auch die Allensteiner sich darüber freuen, in der liebens- und lebenswertesten Stadt der Republik Polen zu leben.


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Kommentare

sitra achra am 07.01.25, 19:26 Uhr

Und wenn man sich vorstellt, dass sie auch noch einen Ansturm von "Asylsuchenden" bewältigen müssten, wird einem angst und bange. Ich hoffe, die Allensteiner finden einen Weg, ihre ökonomischen und sozialen Probleme zu lösen!

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