Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Vor 600 Jahren wurde die ostpreußische Kreisstadt als Dorf gegründet
Bis in das 13. Jahrhundert war der Kreis Lyck von dem preußischen Stamm der Sudauer besiedelt. Ihr bekannter letzter Heerführer war Herzog Skomand. Seine Burg stand bei Skomanten [Skometno Wielkie]. Die Sudauer waren die letzten Prußen, die der Deutsche Ritterorden 1283 besiegte und christianisierte. Es entstand die „Große Wildnis“, ein entvölkertes Land. 1354 wurde die „Clausula Mariana“ erwähnt; es soll sich um Klaussen, Kreis Lyck handeln. Im Jahre 1398 begann der Ritterorden den Bau einer Burg auf der Insel im Lyck-See [Jezioro Ełckie]. Aufgrund des Vertrages vom Melnosee von 1422 wurde die Grenze zwischen dem Ordensstaat einerseits und dem vereinigten Polen und Litauen andererseits markiert. Sie bestand mit einer Unterbrechung in der Zwischenkriegszeit de facto bis 1945 und de jure bis 1990.
Das Dorf Lyck wurde am 27. Mai 1425 von Hochmeister Paul von Rußdorff gegründet. Lokator war der Masowier Bartusch Bratomil. Bereits 1435 wurden Lyck die Stadtrechte verliehen, die allerdings bis 1669 ruhten. Im 15. Jahrhundert ließ der Zustrom deutscher Siedler nach Preußen nach. In der ersten Hälfte jenes Jahrhunderts wurden im Kreis Lyck nur fünf weitere Dörfer gegründet. Nach dem Zweiten Thorner Frieden von 1466 und der damit verbundenen Lehnsabhängigkeit des Ordensstaates vom polnischen König kamen verstärkt Siedler aus dem benachbarten polnischen Masowien (Mazowsze).
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden viele Dörfer. 1525 wurde Preußen protestantisch und ein weltliches Herzogtum. Die Gegenreformation in Polen hatte zur Folge, dass Glaubensflüchtlinge insbesondere aus dem südlichen Polen nach Preußen einwanderten. 1587 erhielt Lyck wie Saalfeld und Tilsit eine „Partikular“-Schule zur Vorbereitung auf das Universitätsstudium in Königsberg. 1618 wurde der Kurfürst von Brandenburg zusätzlich Herzog von Preußen. 1545 errichtete man bei Prostken die Grenzsäule. Sie markierte das damalige Dreiländer-Eck Preußen–Litauen–Polen.
Verleihung der Stadtrechte 1435
1656 verheerten im Zweiten Polnisch-Schwedisch Krieg die polnischen Hilfstruppen der Tataren den Kreis Lyck. 1660 wurde Preußen durch den Frieden von Oliva ein souveränes Herzogtum. 1669 hat der Große Kurfürst die Stadtrechte von Lyck „erneuert“. 1701 wurde Preußen ein Königreich. 1710 grassierte die Pest. Im Siebenjährigen Krieg war Lyck von 1758 bis 1762 von Russen besetzt. Von 1807 bis 1813 lagerten französische Truppen in Lyck. 1868 wurde die Eisenbahnlinie Königsberg–Lyck eröffnet. Ab 1872 unterrichtete man an den Volksschulen im Kreis Lyck nur noch in deutscher Sprache.
Kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges war Lyck Sitz der 72. Infanterie-Brigade mit einem Generalmajor an der Sputze. In Lyck waren das 2. Masurische Infanterie-Regiment Nr. 147 und das Dragoner-Regiment von Wedel Nr. 11 stationiert.
1879 entstand das Landgericht, das für die Kreise Lyck, Lötzen, Angerburg, Treuburg, Johannisburg und Sensburg zuständig war. Neben den üblichen Kreis- und Stadtbehörden hatten ein Reichsbahnamt, eine Reichsbankfiliale, das Hauptzollamt und das für die Kreise Lyck, Lötzen und Johannisbug zuständige Arbeitsamt ihren Sitz in Lyck. Lyck war Eisenbahnknotenpunkt. Züge fuhren in fünf Richtungen, dazu die Kleinbahn.
1914/15 hatten mehrmals russische Truppen Lyck besetzt. Am 11. Juli 1920 fand die Volksabstimmung statt. Im Kreis Lyck stimmten für Ostpreußen 36.534 und für Polen nur 44 Stimmberechtigte. In der Stadt Lyck stimmten 8339 für Ostpreußen und sieben für Polen. Im Jahre 1925 fand die 500-Jahrfeier der Stadt statt.
Am 30. Januar 1933 kam Adolf Hitler an die Macht. Kein Wunder, dass am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach. Der Einmarsch der deutschen Truppen in die Sowjetunion erfolgte am 22. Juni 1941.
In der Konferenz von Teheran vom 28. November bis zum 1. Dezember 1943 sagten der britische Premier Winston Churchill und der US-Präsident Franklin D. Roosevelt ihrem Verbündeten Josef Stalin zu, dass die polnische Ostgrenze auf die weitgehend der Volkstums- beziehungsweise Sprachgrenze entsprechende Curzon-Linie zurückgenommen werden sollte. Die Polen sollten für den Verlust des in der Zwischenkriegszeit von ihnen eroberten, mehrheitlich nicht von ihnen bewohnten sogenannten Ostpolen auf Kosten der Deutschen mit Pommern und Schlesien entschädigt werden.
In einem Geheimabkommen vom 27. Juli 1944 zwischen der UdSSR und dem Polnischen Komitee der Nationalen Befreiung (Lubliner Komitee) verpflichtete sich die sowjetische Regierung, bei der Festlegung der Staatsgrenze zwischen Polen und Deutschland die Forderung auf Festlegung der Grenze entlang der Oder-Neiße-Linie zu unterstützen.
Klares Bekenntnis zu Ostpreußen
In jenem Monat näherte sich die Ostfront der ostpreußischen Grenze, in deren Nähe Bunker und Panzergräben zur Verteidigung angelegt wurden. Die Front kam zwar auf der Linie Augustów–Osowiec (Ossowitz) zum Stehen, dennoch wurden bereits am 1. August die Orte des Kreises Lyck, die östlich der Reichsstraße 132 (Prostken–Lyck–Stradauen) lagen, in den westlichen Teil des Kreises evakuiert. Ob man wirklich glaubte, dort sicher zu sein? Zum Teil durften die Bewohner zur Herbsternte in ihre Dörfer zurückkehren. In einer zweiten Maßnahme am 23. Oktober 1944 wurden alle Orte, die östlich der Eisenbahnlinie Prostken–Lyck–Fließdorf lagen, wegen der Kriegsereignisse im Goldap in den Kreis Allenstein evakuiert. Im November 1944 wurden alte Leute und Frauen mit Kleinkindern in den Freistaat Sachsen beziehungsweise in die Provinz Brandenburg verbracht.
Am 21. Januar 1945 erfolgte der Fluchtbefehl für Lyck. Die Flucht vollzog sich mit der Eisenbahn beziehungsweise in Form von Trecks. Manche Trecks kamen nur bis Arys, andere bis in die Gegend von Rastenburg. Einige kamen durch bis zum Frischen Haff, sehr wenige mit Pferd und Wagen bis nach Schleswig-Holstein beziehungsweise Niedersachsen.
Flucht und Vertreibung
Mit der Eisenbahn ging es nur bis in den Raum Preußisch Eylau, südlich von Königsberg. Von dort weiter zu Fuß über das zugefrorene Haff bis zur Frischen Nehrung und dann weiter nach Danzig oder Pillau. Von Danzig, Gdingen/Gotenhafen beziehungsweise Pillau ging es mit Schiffen nach Saßnitz auf Rügen oder Dänemark. Wer Glück hatte, kam mit einem Zug bis nach Mecklenburg beziehungsweise Schleswig-Holstein. Viele wurden jedoch schon in Ostpreußen, andere in Pommern von der Front überrollt.
Infolge von Flucht und Vertreibung sind 10.789 Menschen umgekommen. Das entspricht 20,4 Prozent der 52.795 Personen, die bei Fluchtbeginn im Kreis Lyck lebten. Man schätzt das im südlichen Ostpreußen etwa zehn Prozent der Einwohner nicht geflüchtet beziehungsweise nach der Flucht in die Heimat zurückgekehrt sind. Im Kreis Lyck waren es weniger. Nach Beendigung der Kriegshandlungen sollen sich im Kreis Lyck einschließlich der zurückgebliebenen Zwangsarbeiter etwa viertausend Personen befunden haben darunter der katholische Dechant von Lyck, Karl Fox.
Jeder Fünfte starb bei der Flucht
Der Flucht folgte die Vertreibung. Die ersten Deutschen wurden bereits im Herbst 1945 ausgewiesen. In Güterzügen wurden sie „hinter die Oder“ transportiert. Mitnehmen durften sie bis zu 40 Kilogramm Handgepäck. Nach einer Gomulka-Verfügung erhielten die Ausgewiesenen als Reiseverpflegung für vier Tage zum Beispiel 800 Gramm Brot für die Erwachsenen und 80 Gramm Milchpulver für Kinder bis zu sieben Jahren. Nach der sogenannten wilden Aussiedlung bald nach dem Krieg verblieben im Kreis Lyck noch etwa 2300 Deutsche. In der Zeit vom September 1948 bis zum August 1950 wurden offiziell 562 Personen ausgesiedelt. Es waren Menschen, die partout die polnische Staatsangehörigkeit nicht annehmen wollten. Die verbliebenen Deutschen mussten sich einer sogenannten Verifizierung unterziehen. im Januar 1949 waren 1265 „verifiziert“ und 614 nicht, insgesamt 1879 Personen. Nach einer Statistik hatte die evangelisch-methodistische Kirche am 25. November 1950 im Kreis Lyck 1877 Mitglieder, die wohl Deutsche waren. In den Jahren 1956 bis 1958 gelang vielen die Ausreise im Rahmen der Familienzusammenführung. Am 31. Dezember 1965 wohnten nur noch 731 Deutsche im Kreis Lyck. Nach der Volkszählung von 2002 gaben im Kreis Lyck nur noch 84 Personen Deutsch als Muttersprache an.
Einnahme am 24. Januar 1945
Der Entgermanisierung stand eine Polonisierung gegenüber. Die Rote Armee nahm am 24. Januar 1945 Lyck kampflos ein. Die Russen richteten unter anderem in Lyck, Neuendorf, Dreimühlen, Borschimmmen, Fließdorf, Klaussen, Ebenfelde und Waldwerder Militär-Kommandanturen ein. Die ersten Polen kamen Anfang Februar 1945 nach Lyck. Unter Aufsicht der russischen Soldaten mussten sie die Eisenbahnstrecken auf ihre Schadhaftigkeit und Unterminierung kontrollieren.
Vom 4. bis 11. Februar 1945 tagten die Großen Drei in Jalta auf der Halbinsel Krim. Man war sich einig, dass Polen im Norden und Westen einen beachtlichen territorialen Zuwachs erhalten müsse. Die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens sollte der Friedenskonferenz vorbehalten bleiben.
Am 20. Februar 1945 beschloss das Staatskomitee für Verteidigung der UdSSR die Übertragung der Hoheitsgewalt in den von der Roten Armee eroberten Gebieten an die provisorische polnische Regierung. Am 14. März erfolgte die Aufteilung der „wiedergewonnenen Gebiete“ in „Oppelner Schlesien“, „Niederschlesien“, „Pommern“ und „Ostpreußen“. Ostpreußen wurde am 30. Marz 1945 in „Okreg Mazurski“ (Bezirk Masuren) umbenannt.
Am 6. April 1945 übertrug der russische Kommandant die Zivilverwaltung im Kreis Lyck an den polnischen Landrat Wladyslaw Niksa. Am selben Tag wurde die polnische Flagge auf dem Landratsamt in Lyck gehisst.
Landrat Niksa ernannte am 25. April 1945 Fryderyk Jeroma zum ersten polnischen Bürgermeister von Lyck. Der Ort Prostken und einige umliegende Dörfer wurden dem Kreis Grajewo zugeschlagen. Mit Gesetz vom 6. Mai 1945 wurde sämtliches deutsches Vermögen unter staatliche Verwaltung gestellt. Am 23. Mai 1945 wurde Jakub Prawin als Beauftragter der polnischen Regierung für den Bezirk Masuren eingesetzt. Am 29. Mai 1945 wurde durch Dekret des Ministerrates die Woiwodschaft Allenstein gebildet. Am 27. Juli 1945 wurde der Kreis Lyck zusammen mit Treuburg und Goldap der Woiwodschaft Białystok zugeordnet.
Als Ergebnis der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 wurde Ostpreußen geteilt. Königsberg und das umliegende Gebiet wurden der Sowjetunion übergeben. Der südliche Teil wurde bis zur Friedenskonferenz unter die Verwaltung des polnischen Staates gestellt.
Am 15. August 1945 wurde der Pole Teodor Bensch Apostolischer Administrator der Diözese Ermland. Der deutsche Bischof Maximilian Kaller wurde ausgewiesen. Am 16. August 1945 wurde die Grenze zwischen Polen und dem Königsberger Gebiet festgelegt. Die polnischen Behörden, die sich bereits in Heiligenbeil, Pr. Eylau, Gerdauen und Angerapp niedergelassen hatten, mussten diese Orte wieder verlassen.
Von der Besetzung Lycks durch die Rote Armee bis zum Jahresende 1945 wurden in der Stadt viele Häuser von betrunkenen Sowjetsoldaten und bewaffneten polnischen Plünderern zerstört. Noch am Heiligabend 1945 brannte das Geschäftshaus Trojan gegenüber der großen Kirche ab.
Im August 1945 übernahmen Kanoniker nach den Lateranischen Regularien aus Krakau die große (evangelische) Kirche.
In der Zeit von September bis Ende Dezember 1945 wurden im Kreis Lyck 3945 Polen angesiedelt.
Bis Ende November 1945 wurden im Kreis Lyck 15 Gemeinden gebildet. Dies waren Borschimmen, Kelchendorf, Dreimühlen, Lenzendorf, Millau, Mulden, Neuendorf, Ebenfelde, Dippelsee, Fließdorf, Stradaunen, Morgengrund, Kölmersdorf, Neumalken und Waltershöhe.
Nachdem dem Dechanten Fox immer mehr polnische katholische Priester zugeordnet worden waren, wurde er mit Wirkung vom 1. März 1946 nach Fließdorf versetzt.
Enteignung am 8. März 1946
Das gesamte deutsche Vermögen wurde mit Dekret vom 8. März 1946 zugunsten des polnischen Staates enteignet.
Am Himmelfahrtstag 1946 wurde in der Kapelle durch Pfarrer Edward Mallek der erste evangelisch-methodistische Gottesdienst gefeiert. Vorher hatte der evangelisch-lutherische Bischof Jan Szeruda den Masuren die Seelsorge mit der Begründung verweigert, das seien ja Deutsche.
Am 1. Januar 1975 trat in Polen eine Verwaltungsreform in Kraft. Es entstanden 49 verkleinerte Woiwodschaften, darunter Sudauen [Suwalki]. Die Kreise wurden aufgelöst. Es entstanden Großgemeinden. Auf dem Gebiet des vormaligen Kreises Lyck waren dies die Stadt Lyck [Ełk], die Landgemeinden Lyck [Ełk], Dreimühlen [Kalinowo], Prostken [Prostki] und Fließdorf [Stare Juchy], die der Woiwodschaft Sudauen [Suwałki] angehörten.
Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 wurde Deutschland vereinigt und souverän. Es verzichtete durch konkludente Handlung auf die Oder-Neiße-Gebiete. Mit dem Vertrag vom 14. November 1990 wurde zwischen Deutschland und Polen die an der Oder und Neiße verlaufende Grenze bestätigt. Am 17. Juni 1991 unterzeichneten Deutschland und Polen den Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Durch eine Bulle von Papst Johannes Paul II. vom 25. März 1992 entstand die römisch-katholische Diözese Lyck. Mit Wirkung vom 1. Januar 1999 entstanden in Polen wieder die Kreise. Gleichzeitig wurde der Kreis Lyck der Woiwodschaft Ermland-Masuren mit Sitz in Allenstein zugeordnet. Am 2. April 2002 schloss die Kreisgemeinschaft Lyck mit dem polnischen Kreis Lyck [Ełk] einen Zusammenarbeitsvertrag ab.
Jan Kerzel am 31.05.25, 14:51 Uhr
Sachlich und fachlich ein ganz hervorragender Beitrag . Die juristischen Meilensteine sind chronologisch bis zum völkerrechtlich verbindlichen Verzicht übersichtlich dargestellt. Wer verzichtet ist draußen, jede weitere emotionale Verbundenheit, so verständlich sie ist, ist komplett fehl am Platze. Historische und wissenschaftliche Erörterungen sind selbstverständlich in Ordnung. Das Kapitel ist abgeschlossen und kommt ins Archiv.