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Während der Schlacht  bei Königgrätz am  3. Juli 1866: Helmuth von Moltke (l.) ergreift die bessere von zwei Zigarren, die Otto von Bismarck (r.) ihm anbietet
Bild: akg-imagesWährend der Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866: Helmuth von Moltke (l.) ergreift die bessere von zwei Zigarren, die Otto von Bismarck (r.) ihm anbietet

Helmuth von Moltke

„Mehr sein als scheinen“

Vor 225 Jahren kam das militärische Pendant zum Reichsgründer Otto von Bismarck in Parchim zur Welt – 2. Teil: 1840–1891

Manuel Ruoff
24.10.2025

Im Jahre 1840 kam Helmuth von Moltke in den Generalstab des IV. Armee-Korps des Prinzen Carl von Preußen. Da der Prinz in Berlin residierte, lebte und arbeitete nun auch Moltke hier. Im Gefolge des Prinzen nahm er teil am gesellschaftlichen Leben in der Haupt- und Residenzstadt.

1842 wurde Moltke nicht nur Major, sondern auch Ehemann. Und das kam so: Moltkes Schwester Auguste heiratete den wohlhabenden Engländer John Heyliger Burt, und der hatte aus erster Ehe eine Tochter, Mary. „Kaffeeböhnchen“, wie diese 1826 geborene Stiefnichte Moltkes wegen ihrer braunen Augen liebevoll genannt wurde, eroberte mit ihrer Jugend, Schönheit, Heiterkeit, Unkompliziertheit sowie praktischen und patenten Art das Herz ihres zurückhaltenden, ein Vierteljahrhundert älteren „Onkel Helmuth“.

Seine eine große Liebe
Der Briefwechsel zwischen den beiden ist pure Poesie:

Du fragst mich, was mir an Dir und Deiner Art zu sein, nicht paßt, damit Du es ändern könntest. Nun will ich Dir die Wahrheit sagen, daß, wie ich auch hin und her denke, mir alles gefällt, aber so manches in mir nicht. Du darfst Dich nur in Deiner Art fortentwickeln, wie Du jetzt bist, so mußt Du eine höchst liebenswürdige, treffliche Frau werden; ich kann so manches nicht mehr ändern, und wenn es wirklich wahr ist, daß Du ganz froh und zufrieden mit mir gewesen bist, so danke ich Gott aufrichtig dafür.

An anderer Stelle schreibt Moltke über den Verlobungsring, den er bis zu seinem Tode trug und der gemäß seinem Wunsch mit ihm begraben wurde:

Deinen Ring habe ich noch nie abgelegt, obschon ich ein paarmal die Buchstaben M.B. darin betrachtet habe. Zuweilen rieche ich auch an Deiner Eau de Cologne, um mich an Dich zu erinnern ... Abends pflanze ich mich in einen grünen Lehnstuhl und denke, wenn doch Marie hier wäre, um mir Tee zu machen und mit mir zu plaudern. Wenn der Briefträger einen Brief von Deiner Hand bringt, lege ich ihn erst hin und beende alle Geschäfte, um ihn dann mit ungestörter Muße ein paarmal zu lesen.

Und zum Abschluss noch ein paar Zeilen, mit denen Moltke das Schüler-Lehrer-Verhältnis, das sich angesichts des Altersunterschieds und des damaligen Rollenverständnisses der Geschlechter anzubieten schien, geradezu schelmisch umkehrte:

Liebe Marie! Nimm es mir nicht übel, aber ich nehme eben eine Prise Tabak, weil ich immer noch Zahnschmerzen habe. Du mußt es mir wirklich noch einmal streng verbieten!

Obwohl ein Vierteljahrhundert jünger, starb sie zuerst. Obschon beim Reiten eingeregnet, betreute sie auf einem vorweihnachtlichen Wohltätigkeitsbasar ihren Verkaufsstand. Am Weihnachtsabend 1868 erlag sie der dabei zugezogenen Erkrankung. Moltke blieb Witwer und kinderlos.

Kaum Erfahrung als Truppenführer
Zurück zu den Anfangsjahren der Ehe und Moltkes beruflicher Karriere. Er hatte Erfahrung auf dem gesellschaftlichen Parkett in Berlin, angenehme Umgangsformen, große Bildung und Auslandserfahrung einschließlich Sprachkenntnissen. So bot sich eine Tätigkeit als Adjutant des in Rom lebenden sowie zwar etwas skurrilen, aber geistig sehr regen und kunstbeflissenen Prinzen Heinrich von Preußen an. 1845 begann diese Tätigkeit, doch sie endete bereits im Folgejahr mit dem Tod des Hohenzollers. Eigentlich hatte Moltke die Leiche des Prinzen auf dem Seeweg nach Cuxhaven begleiten sollen, aber der große Feldherr war nicht seefest. So ging er bereits in Gibraltar von Bord und sammelte so auf der weiteren Heimreise auch noch Reiseerfahrungen in Spanien und Frankreich.

Nach kurzen Zwischenstationen landete Moltke 1848 wieder im Generalstab des IV. Armee-Korps, diesmal allerdings auf dem Chefposten.

Doch die nächste Adjutantentätigkeit wartete bereits auf ihn. In diesem Fall war die Aufgabe allerdings etwas diffiziler. Das Verhältnis zwischen dem König Friedrich Wilhelm IV. und dessen ältestem Bruder, dem zwei Jahre jüngeren späteren Wilhelm I., war nicht ganz unkompliziert. Als einen Mann seines Vertrauens machte der kinderlose Monarch deshalb Moltke zum Ersten Adjutanten des noch jungen, 1831 geborenen einzigen Sohns seines Bruders, des späteren Friedrich III. Das war 1855, nachdem Wilhelm seinem Bruder Friedrich Wilhelm IV. Vorhaltungen wegen dessen Neutralitätspolitik im Krimkrieg gemacht hatte. Moltke befand sich nun an führender Stelle im Gefolge des drittmächtigsten Mannes und Hoffnungsträgers Preußens. Er wurde von Friedrich Wilhelm IV. nicht abberufen, was für dessen Zufriedenheit spricht. Als 1857/58 die Regentschaft krankheitsbedingt von Letzterem auf Wilhelm überging, wurde Moltke zwar von seiner Adjutantentätigkeit entbunden. Aber er wurde nicht geschasst, sondern fiel die Karriereleiter nach oben. Ungeachtet seiner delikaten Stellung war Moltke also bei keinem der beiden Brüder in Ungnade gefallen, was für ein gehöriges Maß an Takt spricht.

Chef des Generalstabes
Nun endlich erhielt Moltke die Stellung, in der er Weltruhm erlangte. Nachdem 1857 der bisherige Amtsinhaber Karl von Reyher verstorben war, wurde Moltke dessen Nachfolger als Chef des Generalstabs der Armee, des späteren Großen Generalstabes. Doch erst unter ihm und dann auch nur allmählich gewann der Generalstab seine geradezu legendäre Stellung als Macht- und Leitzentrum der preußischen beziehungsweise deutschen Landstreitkräfte. Noch bis zum Deutschen Krieg von 1866 stand der Generalstab der Armee nicht neben, sondern unter dem Kriegsminister. Letzterer war der Berater des Königs, nicht der Generalstabschef.

Im ersten Einigungskrieg von 1864 wuchs Moltkes Bedeutung allmählich. Erst ein viertel Jahr nach dem Ausbruch des Deutsch-Dänischen Krieges am 1. Februar 1864, am 30. April des Jahres, wurde Moltke Nachfolger von Eduard Vogel von Falckenstein als Generalstabschef der verbündeten preußisch-österreichischen Armee. Sein Chef, der Oberkommandierende der verbündeten Armee, „Papa Wrangel“, war Moltkes komplexen Plänen kaum gewachsen. Zwar wurde Friedrich von Wrangel noch während des Krieges durch den Prinzen Friedrich Karl von Preußen ersetzt, aber der Deutsch-Dänische war noch ein traditioneller Kabinettskrieg mit einem klaren Primat der Politik, der eine volle Entfaltung von Moltkes militärischem Talent nicht möglich machte.

Deutscher aus Überzeugung
Ähnlich wie Prinz Friedrich Wilhelm, der spätere Friedrich III., dachte Moltke im Gegensatz zu den Altpreußen modern in nationalen und weniger in staatlichen Kategorien. Die Österreicher waren für ihn deutsche Landsleute, gegen die er nichts hatte, denen er sich verbunden fühlte – im Gegensatz zu den Franzosen, die eine Einigung Deutschlands zu verhindern suchten. So war Moltke dafür eingetreten, in den Sardinischen Krieg von 1859 auf der Seite Österreichs gegen Frankreich einzutreten.

Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, im deutschen Bruderkrieg von 1866 wie ein Uhrwerk zu funktionieren. Das war sein Verständnis von Pflichterfüllung. Moltke hatte durchaus menschliche Regungen. Wenn es allerdings darum ging, einen Befehl zu erfüllen, zählte für ihn die Effizienz. Es ist im Grunde ein Glücksfall, dass Moltke keinen verbrecherischen Befehl erhalten hat. Wohl keiner vermag zu sagen, wie er sich in so einem Fall verhalten hätte.

Bismarck sagte über ihn: „Er war ein ganz seltener Mensch, ein Mann der systematischen Pflichterfüllung, eine eigenartige Natur, immer fertig und unbedingt zuverlässig, dabei kühl bis ans Herz hinan.“

Der zweite Einigungskrieg ist ungleich stärker von Moltke geprägt als der erste. Er war der Feldherr auf preußischer Seite. Der Sieg in der Entscheidungsschlacht von Königgrätz ist sein Werk. Er hatte sich einen gewissen Ruf erarbeitet und seine Stellung war gefestigt. In der Mobilisierungsphase für den zwölf Tage später beginnenden Deutschen Krieg erteilte Wilhelm I. den Befehl, dass den Kommandobehörden die Befehle für die von ihnen anzuordnenden operativen Bewegungen nicht mehr wie bisher durch den Kriegsminister, sondern durch den Chef des Generalstabes der Armee zugehen sollten. Dieser hatte jenen lediglich von dem Vorgefallenen in Kenntnis zu setzen. Die Neuerung legte den Grund zu einer Entfremdung zwischen Moltke und Kriegsminister Roon. Auch die Generale hatten teilweise Schwierigkeiten mit der Umstellung. So fragte in der Schlacht von Königgrätz ein Divisionskommandeur einen Generalstabsoffizier, der ihm einen Befehl überbrachte: „Das ist Alles sehr richtig; wer ist aber der General Moltke?“ Den Befehl befolgte er dann aber trotzdem.

In der Schlacht von Königgrätz machte sich im preußischen Lager Nervosität breit, weil die aus der Ersten und der Elb-Armee bestehende preußische Hauptstreitmacht den Österreichern nicht gewachsen schien. Sogar an Rückzug wurde gedacht. Moltke hingegen hatte die Zuversicht, dass die Zweite Armee unter Kronprinz Friedrich Wilhelm rechtzeitig erscheinen werde, um die rechte Flanke der österreichischen Front anzugreifen. Moltke formulierte diesen Gegensatz bildhaft so:

Die Schlacht war zum Stehen gekommen. Die Truppen standen seit fünf Stunden im lebhaften Feuer des Feindes, ohne Verpflegung, da zum Kochen keine Zeit. Einiger Zweifel über den Ausgang der Schlacht mochte sich bei manchen regen, vielleicht auch bei Graf Bismarck, als er mir seine Zigarrentasche anbot. Wie ich später erfahren, hat er es für ein gutes Zeichen gehalten, daß ich von ihm von zwei Zigarren kaltblütig die Beste wegnahm.

Und in der Tat kam des Kronprinzen Zweite Armee rechtzeitig für den die Schlacht entscheidenden Angriff in die österreichische rechte Flanke. Dem Aufrollen ihrer Front von der Seite entgingen die Österreicher nur durch einen verlustreichen Rückzug auf die Festung Königgrätz. Zu einer Vernichtungsschlacht kam es in diesem Kriege nicht. Bismarck wünschte einen schnellen Frieden, der in Österreich möglichst wenige Revanchegelüste weckte. Moltke akzeptierte das Primat der Politik.

Agrarier mit Haut und Haar
Wilhelm dankte Moltke den Sieg mit einem Geldgeschenk, mit dem Letzterer das niederschlesische Gut Kreisau kaufte. Moltke war Landbesitz wichtig:

Ohne Zweifel entscheidet Landeigentum über die Hingehörigkeit einer Familie. In diesem Sinne ist gerade der älteste Stamm seit nun fast 100 Jahren heimatlos. Möge derselbe durch befestigten Grundbesitz irgendwo auf der väterlichen deutschen Erde wieder Wurzeln fassen.

Vielsagend ist die folgende Anekdote: Bismarck und Moltke stehen zusammen während der Kaiserproklamation am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles. Da beugt sich Bismarck zu Moltke und flüstert ihm zu: „Können Sie sich etwas Erhabeneres, etwas Schöneres denken, Exzellenz?“ Und Moltke erwidert trocken: „Ja, Exzellenz, zusehen, wie ein Baum wächst.“

Nicht der Typus Zivilversager
Moltke war ein Agrarier mit Haut und Haar, wie er ja überhaupt mehr aus der Not geboren Soldat geworden war. Er war kein Zivilversager, und wäre sicherlich auch im Zivilleben erfolgreich gewesen. Nicht umsonst betrachten manche Ökonomen, also Zivilisten, seine Auftragstaktik als vorbildlich für die Wirtschaft und bewundern die Effizienz seines Kindes, des Großen Generalstabes, wie wir ihn kennen.

Königgrätz zu erleben, war Marie Moltke noch vergönnt gewesen. Den größten Erfolg und Höhepunkt seines militärischen Wirkens hatte Moltke jedoch noch vor sich. Der Krieg gegen Frankreich war ihm ein Herzensanliegen. Über sich und den 1870 bevorstehenden Deutsch-Französischen Krieg meinte er:

Wenn ich das noch erlebe, in solchem Kriege unsere Heere zu führen, so mag nachher die alte Carcasse der Teufel holen.

Die Vernichtung feindlicher Armeen durch Einkreisung – im Krieg gegen Frankreich gelang sie ihm. Am 2. September 1870 kapitulierte das eingeschlossene Sedan, emotional besonders aufgeladen, weil mit der Armee auch der Kaiser in Gefangenschaft ging. Knapp zwei Monate später, am 27. Oktober, folgte die Kapitulation von Metz. Einen Tag später wurde Moltke in den Grafenstand erhoben.

Die neuerstandene Französische Republik zeigte jedoch keine Bereitschaft aufzugeben. Moltke setzte deshalb ab 1871 auf ein systematisches, gründliches Niederringen der französischen Kräfte einschließlich der Besetzung des Landes. Bismarck hingegen wollte aus Sorge vor einem Eingreifen Dritter einen schnellen Sieg. Während Moltke auf ein Aushungern der französischen Hauptstadt setzte, forderte Bismarck eine zusätzliche Beschießung von Paris und konnte den Monarchen für seine Forderung gewinnen. Am 28. Januar 1871 ergab sich die Seine-Metropole. Am 26. Februar folgte der Vorfriede von Versailles. Und am 10. Mai beendete der Frankfurter Frieden den Krieg. Einen guten Monat später, am 16. Juni 1871, erfolgte Moltkes Beförderung zum Generalfeldmarschall. Zahllose weitere Ehrungen folgten. Im Reichstag saß Moltke für die Konservativen bereits seit dessen Gründung. Ab 1872 gehörte er auch dem Herrenhaus an. Als Politiker wie als Militär setzte er sich für die Verteidigung des Erreichten ein, was für ihn das Mittel des Präventivkriegs einschloss, zu dem es aber nicht kam.

Rücktritt und Tod
Nachdem vorausgegangene Rücktrittsgesuche abgelehnt worden waren, überzeugte der Chef des Großen Generalstabes seinen Monarchen Wilhelm II. schließlich 1888 mit den Worten:

Euer Kaiserlichen und Königlichen Majestät bin ich anzuzeigen verpflichtet, daß ich bei meinem hohen Alter nicht mehr ein Pferd zu besteigen vermag. Euer Majestät brauchen jüngere Kräfte, und ist mit einem nicht mehr felddienstfähigen Chef des Generalstabes nicht gedient.

Zu den zahlreichen Ehrungen, die dem Entlassenen zuteilwurden, gehörte auch das Belassen der Dienstwohnung im Generalstabsgebäude über das Dienstende hinaus sowie seines Neffen und späteren Nachfolgers als Chef des Großen Generalstabes Helmuth Johannes Ludwig von Moltke als ständigen persönlichen Adjutanten. In dessen Beisein entschlief Helmuth von Moltke am 24. April 1891 friedlich in seiner Berliner Dienstwohnung.


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