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Psychiatrie

Mit dem KI-Coach auf die Couch

Künstliche Intelligenz kann Daten von seelisch belasteten Patienten besser erfassen als ein Therapeut – Heilen kann sie aber nicht

Stephanie Sieckmann
05.08.2024

Psychische Probleme haben sich in den vergangenen Jahren zur Nummer eins für Krankschreibungen entwickelt. Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sind inzwischen jedes Jahr 18 Millionen Menschen in Deutschland von einer psychischen Erkrankung betroffen. Dazu zählen unter anderem Angststörungen, Depressionen, Burn-Out, Anpassungsstörungen oder auch Störungen aufgrund von Medikamenten-, Drogen oder Alkoholkonsum. Von diesen 18 Millionen Menschen suchen nach Meinung der DGPPN rund 20 Prozent Hilfe bei entsprechend qualifizierten Behandlern.

Rund 14.600 Psychiater, Psychotherapeuten und Analytiker gibt es bundesweit, Patienten mit psychischen Belastungen müssen teilweise mehr als ein Jahr auf einen Platz warten. Künstliche Intelligenz (KI) könnte hier Abhilfe schaffen. In anderen Bereichen des Gesundheitssystems wird KI bereits erfolgreich eingesetzt.

Inzwischen setzt auch das Berliner Krankenhaus Charité bei der Behandlung von Schlaganfall-Patienten auf die Unterstützung durch eine KI-App. Informationen zum Patienten werden erfasst und ausgewertet. Entscheidungen können damit schneller getroffen werden. Studien zum Einsatz von KI bei der Auswertung der menschlichen Stimme versprechen eine schnellere und bessere Behandlung von Herzinsuffizienz-Patienten.

Die große Stärke der Künstlichen Intelligenz liegt darin, große Mengen von Daten zu erfassen. KI kann, das haben Studien bewiesen, Mimik, Gestik und Stimme eines Menschen auch in kleinsten Ausprägungen exakter erfassen als ein Psychiater. Die Interpretation dieser Daten, exaktes Zählen von Sprechpausen, das Erfassen von Augen-Bewegungen – all das kann hilfreich sein bei der Bewertung einer Therapiesitzung, auch bei einer Online-Therapie.

Durch den unterstützenden Einsatz von Dialogsystemen, den KI-Chatbots, lässt sich der Verlauf einer psychologischen Sitzung, das Therapiekonzept oder auch die Prognose für die Behandlung deutlich präziser vorhersagen. Die Unterstützung durch KI-gesteuerte Systeme ist daher eine Bereicherung bei der Therapie.

Aber kann ein Chatbot auch als Online-Therapeut ohne menschlichen Experten Therapie leisten? In der Testphase befindet sich zurzeit der Chatbot Mina, der darauf ausgelegt ist, Prüfungsängste zu mindern. Auch bei leichten Depressionen könnte er eventuell hilfreich sein. In Großbritannien wird in einem Feldversuch die Wirkung einer Online-Verhaltenstherapie getestet. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Zumindest leichtere Fälle können mit dieser Art der Therapie behandelt und unterstützt werden.

Trotz der erfolgversprechenden Studien gibt es Bedenken. Denn KI reagiert an die Datenlage angelehnt, technikbasiert und ohne Empathie. Gerade im Kontext psychischer Problemlagen, bei denen Ängste oder gar Suizidgedanken auftreten können, besteht die Gefahr, dass eine technisch basierte Antwort die Gefühlslage des Patienten sogar verschlechtern kann. Daher sehen Experten die Künstliche Intelligenz derzeit lediglich als Ergänzung, nicht jedoch als Ersatz für qualifizierte Psychologen und Psychotherapeuten an.


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