Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Vom Armenhaus zur Wohlstandsregion – Vor 75 Jahre sollte der Emslandplan die Gegend wirtschaftlich auf die Beine bringen
Wenn im Wald der Ginster blüht, in den Gärten üppige Rhododendron-Hecken leuchten und das Wollgras mit seinen weißen Fruchtständen – fälschlich als Blüten bezeichnet – die Moorflächen überzieht, präsentiert sich das Emsland von seiner schönsten Seite. Villenartige Wohnhäuser, penibel gepflegte Gärten und saubere Dörfer vervollständigen das Wohlstandsbild der Gegend, die über Jahrhunderte als Armenhaus galt.
Noch vor 75 Jahren war das Leben an Ems und Hase im äußersten Westen von Niedersachsen ein anderes. Die Region bestand aus weiten Mooren, dünenartigen Versandungen und unabsehbaren Heideflächen, die kärgliche Landwirtschaft wurde unter größten Mühen fast ohne Maschinen bewältigt.
Als am 5. Mai 1950 der Deutsche Bundestag den Antrag zur „Erschließung der Ödländereien des Emslandes“ einstimmig annahm, war der „Emslandplan“ geboren. Dank des Marshallplans konnte das 2,1-Milliarden-D-Mark-Projekt umgesetzt werden. Die Ansiedlung und Versorgung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen aus dem deutschen Osten spielte dabei eine Schlüsselrolle.
Die Mammutaufgabe wurde mit Mammut-Maschinen bewältigt. Ihr Symbol ist das von Ottomeyer aus Bad Pyrmont entwickelte „Mammut“, der größte Tiefpflug der Welt. Zusammen mit zwei leistungsfähigen Zugmaschinen, Lokomobilen, ist er das spektakuläre Vorzeigeobjekt des Emsland Moormuseums bei Groß-Hesepe inmitten des deutsch-niederländischen Naturparks Bourtanger Moor-Bargerveen, kurz Moor-Veenland.
Als inzwischen größtes europäisches Moormuseum informiert es in Text und Bild zur Moorentstehung, -entwicklung und -kultivierung, Besiedlung, Torfgewinnung und -verarbeitung, zum Moorschutz, zu Fragen der Renaturierung und Neuregulierung des Wasserhaushaltes unter dem Einfluss des Klimawandels. Dazu rumpelt eine alte Feldbahn durch das Außengelände mit Hochmoorfläche und Siedlerhof. Nur Moorleichen findet man nicht. Der „Rote Franz“, die einzige hier auf deutscher Seite gefundene, ist im Landesmuseum Hannover ausgestellt. Sie war vor 1700 Jahren im Bourtanger Moor versenkt worden.
Der Emslandplan schloss bis zu seinem Ende 1989 auch die Industrie- und Gewerbe-Erschließung mit ein. Mit Erfolg, sodass die Abwanderung im Gegensatz zu anderen ländlichen Regionen gering ist und die Arbeitslosenquote von drei Prozent klar unter dem Bundesdurchschnitt liegt.
Unabhängig davon nicken selbst in Vorgärten fast wie in Texas allerorten Pferdekopf-Ölpumpen vor sich hin. Weithin unbekannt ist, dass die Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim sowie die niederländische Provinz Drenthe bedeutende Förderregionen für Erdöl und Erdgas sind, worüber das Erdöl-Erdgas-Museum Twist umfassend informiert.
Inzwischen wurden erneut Millionen, jetzt Euro, in den Naturschutz und die touristische Infrastruktur der heutigen Kulturlandschaft mit ihren Moor-Inseln und Wäldern investiert, insbesondere für Rad- und Wanderwege sowie eine wachsende Zahl an Infotafeln. Die Flora und Fauna dankt es. So wird man auf dem Libellen-Pfad im Dalum-Wietmarscher Moor von dem Insekt umschwärmt. Die Nähe von sehr gutem Reproduktionsgewässer und idealem Jagd- und Ruhehabitat bietet auch ihm hier ideale Lebensbedingungen.
Benjamin van der Linde u. a. (Hrsg.): 75 Jahre Emslandplan, Wallstein Verlag, Göttingen 2025, 372 Seiten, 113 zum Teil farbige Abbildungen, 20 Euro