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Wie Friedrich der Große, Graumann und Ephraim Preußen durch Geldprägung prägten
Vor 275 Jahren wurde ein Mann zum Münzmeister berufen, dessen Name heute fast vergessen ist, obwohl er das preußische Geldwesen reformiert hat wie kaum ein anderer: Johann Philipp Graumann. In einer Zeit wirtschaftlicher Unordnung und internationaler Münzverwirrung versuchte er, Ordnung ins preußische Münzwesen zu bringen – und wurde zur Schlüsselfigur einer Reform, deren Schatten bis in den Siebenjährigen Krieg reichten. Dabei arbeitete er mit einem Monarchen zusammen, der wenig Skrupel kannte, wenn es um Geld und Macht ging: Friedrich II., der Große.
Die Münzen, die bis 1750 im Umlauf waren, glichen einem babylonischen Sprachengewirr aus Silberanteilen, Gewichten und Namen. Kein Händler, kein Bauer und kein Soldat konnte sicher sein, welchen Wert ein Taler oder Groschen am nächsten Tag noch hatte. Es gab Reichstaler, Kuranttaler, Konventionstaler – alle mit unterschiedlichem Gewicht und Silbergehalt.
Friedrich II., seit 1740 auf dem preußischen Thron, wusste, dass ein starkes Münzwesen ebenso wichtig war wie eine starke Armee. Er beauftragte den erfahrenen Kaufmann Johann Philipp Graumann (1706–1765), der im Jahr zuvor eine beachtliche Denkschrift zum Münzwesen verfasst hatte, ein neues System zu entwerfen. Dieser hatte eine klare Vision: Eine einheitliche, stabile und international anschlussfähige Währung, die das Vertrauen der Bevölkerung genießen und Preußen ökonomisch auf Augenhöhe mit Österreich und den Niederlanden bringen sollte.
Graumann arbeitete für eine stabile, verlässliche Währung
Im Jahr 1750 wurde Graumann offiziell zum Münzdirektor ernannt. Er setzte auf eine neue Norm: 14 Taler aus einer Kölner Mark Silber, statt der bisherigen zwölf oder 18. Die Kölner Mark wog 233,856 Gramm. Damit war der preußische Taler leichter als der österreichische, aber schwerer als viele kursierende Kleinmünzen – eine bewusste Gratwanderung. „Eine solche Münze muss so beschaffen sein, dass sie gleich einem ehrlichen Manne überall angenommen wird“, schrieb Graumann 1751 in einer Denkschrift an den König.
Seine Idee: Preußen sollte durch die Prägung hochwertiger Taler Silber aus dem Ausland anziehen und durch den Gewinn aus dem Münzgeschäft – dem sogenannten Seigniorage – die Staatskasse füllen, ohne Steuern erhöhen zu müssen.
Doch der Traum von Stabilität währte nicht lange. Mit dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges 1756 war der Bedarf an Geld schier unermesslich. Soldaten wollten Sold, Kanonen mussten gegossen, Korn gekauft werden. Friedrich der Große sah sich gezwungen, Graumanns Prinzipien über Bord zu werfen – und wandte sich an andere Männer. Einer von ihnen war der Hofjude Veitel Heine Ephraim (1703–1775), ein brillanter Finanzier, aber kein Reformer. Gemeinsam mit seinem Partner Itzig begann er, unterwertige Münzen mit dem vertrauten preußischen Münzbild zu prägen: die berüchtigten „Ephraimiten“. Sie sahen aus wie Taler, wogen wie Taler – doch enthielten sie oft nur noch ein Drittel des ursprünglichen Silbers.
Er sehe wohl, „dass man auch mit schlechtem Gelde große Dinge vollbringen“ könne, resümierte Friedrich und bewies im Krieg ökonomischen Pragmatismus. „Es ist gleichviel, womit man bezahlt, wenn der Soldat seinen Sold bekommt und das Volk Brot hat.“ Bedenken seiner Berater ignorierte der König. Für ihn war Geld „ein gutes Kanonenfutter“, ein Mittel zum Zweck in einem Krieg, den er nicht verlieren konnte.
Graumann, der Idealist, war bald aus dem Amt gedrängt. Seine Reformen für eine stabile Währung galten politisch stabilen Zeiten. In einem Brief beklagte er: „Ich habe für Ordnung gestritten, doch die Unordnung hat gesiegt, golden glänzend in des Königs Namen.“ Preußen überschwemmte während des langen Völkerringens den Markt mit schlechten Münzen, teils auch in feindlichen Gebieten. Der Trick: Ausländisches Silber wurde angekauft, eingeschmolzen, zu schlechten Talern geprägt – und wieder ausgegeben. Eine frühe Form ökonomischer Kriegsführung.
Ephraim plädierte für ein Strecken der Silbermünzen
Doch mit dem Friedensschluss von 1763 endete auch die Toleranz für die Ephraimiten. Ihr Wert fiel rapide, das Vertrauen in preußische Münzen war nachhaltig erschüttert. Friedrich musste zurückrudern und ließ wieder bessere Münzen prägen. Doch das Image war beschädigt.
Heute, 275 Jahre nach der Graumannschen Reform, lässt sich ihre Bedeutung kaum überschätzen. Sie war ein früher Versuch, ein modernes, staatlich kontrolliertes Geldsystem aufzubauen, das auf Vertrauen, Stabilität und Vernunft basierte.
Der Konflikt zwischen Graumann und Friedrich, zwischen Reform und Realpolitik zeigt ein zeitloses Dilemma: Was ist Geld wert, wenn Vertrauen fehlt? Und wie viel Vertrauen darf ein Staat verspielen, um kurzfristig handlungsfähig zu bleiben?
Die Namen Graumann, Ephraim und Friedrich der Große stehen heute für drei Seiten derselben Medaille: Den Reformer, den Opportunisten und den Herrscher, der zwischen beiden lavierte. Die Münzgeschichte Preußens ist kein verstaubtes Kapitel – sie ist ein Spiegel der Staatsvernunft, der Krisenfestigkeit und der moralischen Grauzonen in Zeiten großer Not.
Dass wir heute über stabile Währungen, Münzgesetzgebung und Zentralbanken sprechen, verdanken wir nicht zuletzt auch jenen, die vor 275 Jahren den Mut hatten, Ordnung in ein System zu bringen, das kurz vor dem Kollaps stand – mit Silber, Verstand und einem Quäntchen Skrupellosigkeit.