Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Rede des Kanzlers beim Festakt des Bundes der Vertriebenen aus Anlass des 75. Jahrestags der Unterzeichnung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen
Am 5. August 1950 unterzeichneten in Stuttgart-Bad Cannstatt Vertreter der vertriebenen Deutschen aus Ost- und Westpreußen, Danzig und Ost-Brandenburg, Pommern und Schlesien sowie weiteren deutschen Siedlungsgebieten die Charta der deutschen Heimatvertriebenen. Diese galt schon bald als „Grundgesetz der deutschen Heimatvertriebenen“. Trotz des gerade erst erlittenen eigenen Unrechts verkündeten die Vertriebenen darin sowohl einen Aufruf zum Verzicht auf Rache und Gewalt als auch ein klares Bekenntnis zur Schaffung eines einigen Europas, dessen Grundlage die Verständigung zwischen vormals verfeindeten Staaten, Völkern und Volksgruppen sein sollte. Damit waren die Vertriebenen ihrer Zeit weit voraus. Darüber hinaus reklamierte die Charta auch das Recht auf die Heimat als ein von Gott geschenktes Grundrecht der Menschheit. Dieses ist in Bezug auf die heimatvertriebenen Deutschen jedoch bis heute nicht verwirklicht. Zum 75. Jahrestag der Unterzeichnung der Charta veranstaltete der Bund der Vertriebenen am 5. August einen Gedenkakt in Stuttgart. Festredner war Bundeskanzler Friedrich Merz. Die Preußische Allgemeine Zeitung dokumentiert die Rede leicht gekürzt.
*******
Dieses Jubiläum – 75 Jahre der Charta der deutschen Heimatvertriebenen – steht in einer Reihe von sehr großen Jubiläen, die wir in diesem Jahr in der Bundesrepublik Deutschland begehen und im vergangenen Jahr begangen haben. 75 Jahre des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und damit 75 Jahre der Bundesrepublik Deutschland waren es 2024. In diesem Jahr sind es 75 Jahre seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, also der ersten Gründung der späteren Europäischen Gemeinschaften, 70 Jahre von Deutschland in der NATO und nun eben auch 75 Jahre der Charta der deutschen Heimatvertriebenen.
Mit jedem einzelnen dieser Jubiläen feiern wir, begehen wir, denken wir an historische Entscheidungen und an Weichenstellungen in unserem Land für Freiheit, Frieden und Versöhnung. Diese Begriffe tauchen in jeder Festansprache auf: Freiheit, Frieden und Versöhnung. Wenn wir aber ehrlich miteinander sind, haben viele von uns in Deutschland, vor allem im westlichen Teil unseres Landes, über die Bedeutung dieser Begriffe lange nicht mehr nachgedacht.
Die historischen Weichenstellungen vor 75 Jahren und vor 70 Jahren waren so erfolgreich, dass Freiheit, Frieden und Versöhnung für uns zum selbstverständlichen Alltag geworden sind. Aber sie waren kein Alltag, sie waren keine Selbstverständlichkeit im Jahr 1950, und zwar vor allem nicht für Millionen der deutschen Vertriebenen aus Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa, für die das Ende des Krieges oftmals erst einmal kein Ende der Gewalt bedeutet hat, sondern die furchtbare Erfahrung, erst rechtlos und dann heimatlos zu werden.
Wir kennen doch alle die Schwarz-Weiß-Fotos der Menschen, der Familien, der kleinen Kinder an den Händen ihrer Eltern oder Großeltern, ihrer Geschwister, die ihr ganzes verbliebenes Hab und Gut auf einem kleinen hölzernen Schubkarren mit sich ziehen, und die Fotos aus den Notunterkünften, in denen die Vertriebenen in den ersten Nachkriegsjahren untergebracht waren, oft unter katastrophalen hygienischen Bedingungen, oft auf engstem Raum. Vier Quadratmeter pro Person waren vorübergehend in der britischen Zone als Richtwert festgelegt. Vier Quadratmeter! Wir wissen aus Erzählungen, dass viele Vertriebene und Spätaussiedler in den Gemeinden und Kommunen, auf die sie verteilt wurden, stille Ablehnung, aber auch offene Feindseligkeit erleben mussten, dass sie nicht selten wie Menschen zweiter Klasse behandelt wurden.
Keine politische Prosa, sondern ein ernsthaftes politisches Versprechen
Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend sind, um ihren letzten Satz zu zitieren, der Erfahrungsraum, in dem 1950 die Charta der deutschen Heimatvertriebenen entsteht. In dieser Situation ist ein Bekenntnis zu Freiheit, Frieden und Versöhnung keine Selbstverständlichkeit, keine politische Prosa, sondern ein sehr ernsthaftes politisches Versprechen. Das spürt jeder, der den Text der Charta heute liest. Wolfgang Schäuble hat sie einmal als einen der Grundsteine unserer Demokratie bezeichnet. Das heißt auch, dass wir, die wir das Glück haben, in Freiheit und Frieden zu leben, gut daran tun, aus ihr immer wieder neu zu lernen.
In diesem Sinne soll es mir heute um dreierlei gehen. Erstens: Freiheit ist mehr als Bewegungsfreiheit und Befreiung. Wenn wir Menschen in Freiheit leben und unsere Freiheit gestalten wollen, dann brauchen wir dazu einen Ort, eine Heimat, einen Ort, an dem wir Anerkennung finden können mit unserem Tun und unserem Handeln, an dem wir nicht ausgegrenzt werden, an dem wir unsere Sprache sprechen können, an dem wir Wurzeln haben oder Wurzeln schlagen können.
„Wir haben unser Zuhause und damit die Vertrautheit des Alltags verloren. Wir haben unseren Beruf verloren und damit das Vertrauen eingebüßt, in dieser Welt irgendwie von Nutzen zu sein.“ So hat es die deutsche Philosophin Hannah Arendt über die Erfahrung gesagt, ein Flüchtling zu sein. Heimat heißt also auch, die Erfahrung zu machen, in der Welt irgendwie von Nutzen zu sein.
Die Autoren der Charta der Heimatvertriebenen haben das in ein Recht auf Heimat übersetzt. Sie haben sich zugleich ans Werk gemacht, eine neue Heimat für sich zu bauen. Trotz Kriegstraumata, trotz Ausgrenzung und widrigsten Bedingungen haben Millionen deutscher Vertriebener in den 50er- und 60er-Jahren ihr Schicksal in die eigene Hand genommen, im zerstörten Deutschland Aufbauarbeit geleistet und an dem deutschen Wirtschaftswunder und an dem wirtschaftlichen Fundament, das unser Land bis heute trägt, mitgearbeitet. Diese Aufbauleistung der Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine der ganz großen Erfolgsgeschichten der Bundesrepublik, über die wir viel zu wenig gesprochen haben und viel zu wenig sprechen, obwohl in diesem Mut zum Neubeginn, in diesem Mut zur Verantwortung, den die Vertriebenen und später die Aussiedler und Spätaussiedler an den Tag gelegt haben, so viel Vorbildkraft auch für heute steckt.
Menschliche Schicksale auf allen Seiten eines Krieges
Freiheit braucht Heimat. Freiheit bedeutet Verantwortung. Das ist die zweite große Lehre der Charta der Heimatvertriebenen. Die Charta gibt dieser Verantwortung auch gleich ein Ziel. Wir alle, die Überlebende und vor allem die Nachgeborenen nach dem Zweiten Weltkrieg, wir alle sind in der Verantwortung, an einer Zukunft der Freiheit und des Friedens in Europa mitzuarbeiten.
Meine Damen und Herren, die Charta der deutschen Heimatvertriebenen beginnt bekanntlich mit der Erklärung, auf Rache und Vergeltung zu verzichten. Wir alle wissen, dass das ein umstrittener Satz war und vermutlich noch bis heute ist, ein kontroverser Satz. Denn, ja, es waren wir Deutsche, die Europa mit Krieg und Gewalt überzogen haben. Aber das Schicksal der Vertriebenen lehrt uns auch, und die Charta erinnert uns daran: Schuldfragen können politisch, historisch, moralisch noch so klar entschieden sein die Wirklichkeit eines Krieges schafft Opfer überall. Die menschlichen Schicksale, die ein Krieg hervorbringt, entstehen auf allen Seiten. Wir sehen es in diesen Tagen, Wochen und Monaten jeden Tag in der Ukraine und in Israel.
Meine Damen und Herren, die Erfahrungen, die wir Europäer in zwei Weltkriegen im 20. Jahrhundert gemacht haben, sind die Erfahrungen, mit denen das geeinte Europa gegründet worden ist. Genau dieser Geist kommt in der Charta zum Ausdruck, eben die Arbeit an einem freien und geeinten Europa.
Sie haben daran von Beginn an mitgearbeitet, von den 1950er-Jahren an, in denen die Westbindung der Bundesrepublik und die europäische Integration auch in Deutschland noch eine höchst umstrittene Sache war. Sie haben auch an der Versöhnung Deutschlands mit unseren östlichen Nachbarn mitgearbeitet. Bis heute sind Sie, die deutschen Minderheiten vor Ort, Brückenbauer in der Partnerschaft unseres Landes mit unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa. Sie sind Botschafter deutscher Kultur dort und in den nicht-europäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Ich möchte Ihnen einfach – ich hoffe, ich darf das tun – ein herzliches Wort des Dankes im Namen der Bundesrepublik Deutschland aussprechen. Ich sage Ihnen im Namen der Bundesregierung: Wir brauchen Sie weiterhin als Übersetzer und Mittler zwischen den Gesellschaften Europas und seiner Nachbarn.
Drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer und der Überwindung der europäischen Teilung stehen wir in Deutschland und in Europa wieder einem feindlichen, einem imperialistischen und revisionistischen Russland gegenüber. Es braucht politische Antworten darauf, an denen wir als Bundesregierung und als Gesellschaft arbeiten, mit unseren Weichenstellungen in der Verteidigungspolitik, indem wir den europäischen Arm der NATO stärken, indem wir die Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Aggressor unterstützen, mit der Intensivierung der Beziehungen zu Frankreich und zu Polen. Sie erinnern sich, Herr Fabritius; ich habe im vergangenen Jahr darüber gesprochen, wie wichtig gerade auch die deutsch-polnischen Beziehungen vor diesem Hintergrund sind.
Aber ein Schlüssel der Friedenssicherung bleiben Kontakte zwischen den Zivilgesellschaften, wie wir heute sagen, zwischen den Menschen hier und dort. Im besten Fall bestehen diese Kontakte gerade dorthin fort, wo autoritäre Staaten Feindschaft zwischen den Völkern neu auslösen wollen, wie wir es seit einigen Jahren in Russland beobachten müssen. 400.000 Angehörige der deutschen Minderheit leben heute in Russland. Es ist mir ein Anliegen, gerade sie und die deutschen Minderheiten in der Ukraine der Solidarität der Bundesregierung zu versichern.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch sagen: Wir halten an der Aufnahme der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler nach dem Bundesvertriebenengesetz fest. Für die nach dem 31. Dezember 1992 geborenen und in den Aussiedlungsgebieten lebenden deutschstämmigen Personen wollen wir die den Zuzug nach Deutschland auch in Zukunft ermöglichen.
Die Notwendigkeit von historischer Erinnerungsarbeit
Noch etwas wussten Sie, die Heimatvertriebenen, die Aussiedler und Spätaussiedler, früher und wissen es auch heute vielleicht besser als viele andere in unserem Land: Die Sicherung von Frieden und Freiheit braucht auch Erinnerungsarbeit. Das gilt heute noch einmal in besonderer Weise. Denn die geopolitische Umbruchszeit, in der wir leben, die neuen sicherheitspolitischen Notwendigkeiten, sie verlangen uns als Gesellschaft etwas ab, heute und ziemlich sicher auch in noch vielen Jahren vor uns. Die Neuaufstellung der Bundeswehr, der Ausbau der europäischen Verteidigungsgemeinschaft, die Arbeit an unserer Verteidigungsfähigkeit, das ist und bleibt eine gewaltige Kraftanstrengung. Wir sind dafür gut aufgestellt. Aber wir werden die Aufgabe nur dann wirklich meistern, wenn wir als ganze Gesellschaft jederzeit wissen, wofür diese Anstrengung notwendig ist, wenn wir das Wissen über den Wert von Freiheit und Frieden gemeinsam lebendig halten, wenn wir das Wissen lebendig halten über die totale Schrecklichkeit des Krieges.
Sie im BdV haben auch diese Verantwortung früh für sich erkannt und angenommen, und ich möchte Ihnen erneut für Ihre hochengagierte und unermüdliche Erinnerungsarbeit sehr ausdrücklich denken: Es ist unser aller kollektives Gedächtnis in Deutschland und in Europa, das Sie damit bewahren helfen.
Ich weiß, dass wir in dieser Frage an einem kritischen Punkt sind; denn die Generation der Zeitzeugen von Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg wird immer kleiner. Wenn wir verhindern wollen, dass aus der Geschichte von Flucht und Vertreibung, die unsere Bundesrepublik so maßgeblich geprägt hat, „bloße Geschichte“ wird, dann müssen wir uns dieser Aufgabe gemeinsam annehmen. Deswegen will ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass heute nicht nur Vertreterinnen und Vertreter der sogenannten Erlebnisgeneration hier im Saal sind. Wenn ich in den Raum schaue, dann ist es sogar die Minderheit. Die Mehrheit sind jüngere und junge Menschen, die diese Erinnerungsarbeit fortsetzen wollen, nicht nur in Erinnerung an ihre Familien, sondern in Erinnerung an die Herkunft ihrer Eltern und Großeltern. Das, meine Damen und Herren, ist ein Auftrag, den wir alle heute annehmen sollten, gerade an einem solchen Tag wie diesem.
Ich verstehe eben das Gedenken an viele Jahrzehnte von Flucht und Vertreibung in diesem Sinne auch als Auftrag, und ich kann für die Bundesregierung sagen: Wir nehmen diesen Auftrag an. Denn wie Sie wissen, haben wir – ganz trivial mit dem Organisationserlass des Bundeskanzlers – im Mai die Zuständigkeiten für Heimatvertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler und deutsche Minderheiten wieder im Bundesinnenministerium zusammengeführt. Auch die Zuständigkeit für die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung und für die Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa ist jetzt wieder im Bundesinnenministerium angesiedelt, wo beides hingehört.
Wir werden sicherstellen, dass die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung und die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen eine verlässliche finanzielle Basis haben. Wir werden die Bundesförderung nach dem Bundesvertriebenengesetz zukunftsfest aufstellen.
Wir haben außerdem das Amt des Beauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten gestärkt, und ich freue mich sehr, dass wir mit Ihnen, lieber Herr Fabritius, in dieser Funktion wieder einen so starken, erfahrenen und gut vernetzten Ansprechpartner haben. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe zu Beginn meiner Rede gesagt: Wir erinnern mit diesem Jubiläum, wir erinnern mit den großen Jubiläen in diesem und im letzten Jahr an die großen, glücklichen Entscheidungen, die unsere Vorgänger vor 75 Jahren für Freiheit, Frieden und Versöhnung getroffen haben, die vor allem aber auch für uns getroffen worden sind, die damals Kinder waren, Jugendliche waren, die noch nicht geboren waren. Ich bin, wie Sie vermutlich wissen, im Jahr 1955 geboren. Meine Generation hatte das Glück, und es war nicht mehr als reines Glück, in diesem Land seit mittlerweile 80 Jahren in Frieden, Freiheit und ständig steigendem Wohlstand zu leben. Was wir im Frieden Geborenen heute entscheiden, in dieser Zeit großer geopolitischer Umwälzungen, wird das Gesicht unseres Landes und der freiheitlichen Welt insgesamt vermutlich für Jahrzehnte prägen. Wir müssen uns darum auch heute noch und wir müssen uns immer wieder in besonderer Weise von diesem letzten, eindringlichen Satz der Charta in die Pflicht nehmen lassen:
„Wir rufen Völker und Menschen auf [...], Hand anzulegen ans Werk, damit aus Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend für uns alle der Weg in eine bessere Zukunft gefunden wird.“
Ein bleibender Auftrag
Wir sind auf diesem Weg in der Bundesrepublik weit gekommen. Aber wir sind nicht und waren nie am Ende der Wegstrecke. Freiheit und Frieden sind auf dieser Welt nie endgültig errungen. Sie werden immer aktive Entscheidungen, Einsatz, Wachsamkeit von uns verlangen.
Das Gedenken an 80 Jahre Flucht und Vertreibung und das 75-jährige Jubiläum der Charta fallen in eine Zeit, in der der Krieg zurück ist in Europa, in der Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht sind, innerhalb der Ukraine und in den europäischen Nachbarstaaten. Wir stehen täglich unter dem Eindruck der Bilder aus Israel und Gaza, Bilder von Frauen, Kindern, älteren Menschen, die in Ruinenlandschaften hausen und die nicht wissen, wohin. Frieden und Freiheit sind kein Besitz. Frieden und Freiheit sind ein Versprechen in die Zukunft, auf eine gute, bessere Zukunft, die wir mitbestimmen und mitgestalten können. Das wussten die Verfasser der Charta der deutschen Heimatvertriebenen. Das ist eben die dritte große Lehre, die wir in ihr finden, und davon müssen wir uns auch heute wieder leiten lassen.
„Zukunft braucht Herkunft“, hat der deutsche Philosoph Odo Marquard gesagt. Meine Damen und Herren, Sie wissen aus eigener Erfahrung um die Wahrheit dieses Satzes, und mit dieser Erfahrung brauchen wir Sie, die Heimatvertriebenen, die Aussiedler, die Spätaussiedler und Ihre Kinder und Enkelkinder. Wir in Deutschland brauchen Sie, und wir im geeinten Europa brauchen Sie – im Erinnern, im Bewahren und, vor allem, im Gestalten.
Herzlichen Dank!
Friedrich Merz ist Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und Bundesvorsitzender der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU). Das vollständige Manuskript der Rede findet sich unter www.bundeskanzler.de
Bettina Burow am 03.09.25, 13:08 Uhr
… über Freiheit, Frieden und Versöhnung hat auch ein Friedrich Merz lange nicht nachgedacht.
Eine singuläre Äußerung, die man einem Bundeskanzler, der für seine notorische Wortbrüchigkeit in die bundesrepublikanische Geschichte eingehen wird, jeder Deutsche sofort unterschreiben würde.
Im Würgegriff von rot-grünen Politkannibalen gehört Friedrich Merz nach den zurückliegenden Koalitionsverhandlungen zu den unfreiesten Bundeskanzlern, dem das Amt der Interessenvertretung Deutschlands und der Schutz unseres Landes je anvertraut wurde.
Während wir Veranstaltungsteilnehmer uns fragen, weshalb ein Verfassungsbruch begehender CDU-Kanzler auf stringentem Konfrontations- und Weltkriegskurs, dem mehr und mehr Menschen misstrauen, als Festredner in Erscheinung tritt und „75 Jahre Unterzeichnung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen“, von denen die meisten heute unter der Erde liegen, im nachfolgenden Wortlaut sogar zur Chefsache macht:
„deshalb … haben wir – ganz trivial mit dem Organisationserlass des Bundeskanzlers – im Mai die Zuständigkeiten für Heimatvertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler und deutsche Minderheiten wieder im Bundesinnenministerium zusammengeführt. Auch die Zuständigkeit für die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung und für die Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa ist jetzt wieder im Bundesinnenministerium angesiedelt, wo beides hingehört. Wir werden sicherstellen, dass die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung und die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen eine verlässliche finanzielle Basis haben. Wir werden die Bundesförderung nach dem Bundesvertriebenengesetz zukunftsfest aufstellen.“
… rekapitulieren wir die etwas taktlosen Ungenauigkeiten in der „Festrede“, die ein Redenschreiber im Bundespresse- und Informationsamt etwas nachlässig verfasste, die Merz auf Einladung des Bundes der deutschen Heimatvertriebenen dann beim Festakt am 05. August 2025 im Weißen Saal des Neuen Schlosses zu Stuttgart dann vorlas:
“Wir kennen doch alle die Schwarz-Weiß-Fotos von…, den kleinen Kindern an den Händen ihrer Eltern…“ „Eltern“? Die Väter waren nahezu ausnahmslos gegen die Länder Osteuropas und an der Westfront zum Kriegsdienst zwangsverpflichtet eingesetzt.
„Wir kennen doch alle die Schwarz-Weiß-Fotos der Menschen…, die ihr ganzes verbliebenes Hab und Gut auf einem kleinen hölzernen Schubkarren mit sich ziehen“. Mit Verlaub, diesem Redenschreiber mangelt es an authentischer Empathie! Die Frauen mit ihren Kindern und die alten Menschen kämpften verzweifelt gegen die eisigen Winterstürme an, froren und hungerten und wurden wie die Hasen unter alliiertem Tieffliegerbeschuss über die eisglatten Landstraßen und das gefrorene Haff gejagt. „Das ganze verbliebene Hab und Gut“ musste, mitsamt „dem kleinen hölzernen Schubkarren“, im Zuhause und auf den heimatlichen Höfen zurückgelassen werden. Die Menschen flohen im Januar/ Februar 1945 bei minus 25°C mit dem, was sie auf dem Leib trugen und mit ein paar Nahrungsmitteln für Mensch und Tier: Meine Mutter war ein vierjähriges Mädchen und sagt unter Tränen, sie höre heute noch die Todesangstschreie der Pferde, die mitsamt der Wagendeichsel in den Einschusslöchern im Eis der Ostsee einbrachen…
„Wir kennen doch alle die Schwarz-Weiß-Fotos… aus den Notunterkünften, in denen die Vertriebenen in den ersten Nachkriegsjahren untergebracht waren, oft unter katastrophalen hygienischen Bedingungen, oft auf engstem Raum“. Merz lässt unerwähnt, dass „die deutschen Vertriebenen aus den Ostprovinzen“ zumeist per Zwangseinweisung ein Dach über dem Kopf fanden, bei „Deutschen im Reich“, die "das Pack aus dem Osten wieder dahin zurückwünschten, wo es hergekommen war“.
… und fragen uns: Weshalb bemüht Herr Merz, „Drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer und der Überwindung der europäischen Teilung“, neuerdings „die Notwendigkeit historischer Erinnerungskultur“ auf bundespolitischer Ebene?
Jahrzehntelang wurde jeder Deutsche als „Revanchist“ verleumdet, so auch Dr. Herbert Czaja, Präsident des Bundes der Vertriebenen (1970 – 1994), Vorsitzender des Kuratoriums der Kulturstiftung Deutscher Vertriebener (1970 – 1997), der 1996 das Buch „Unterwegs zum kleinsten Deutschland? – Mangel an Solidarität mit den Vertriebenen- Marginalien zur deutschen Ostpolitik“ veröffentlichte. Dr. Herbert Czaja, Lehrer, Stuttgarter Stadtrat (1947 – 1953), CDU-Abgeordneter (1953 – 1990), Sprecher der Landsmannschaft Oberschlesien (1969 – 1997) und bis zu seinem Herzinfarkttod 1997 ein unermüdlicher Anwalt für Menschenrechte und Interessenvertreter der Heimatvertriebenen im Westen, war Merz und dem baden-württembergischen Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, mit seiner unwürdigen „sensationell“-Rede keine Erinnerung wert...
Siehe paz-Beitrag vom 18.04. 2025: Erinnerung: Verpönt – verleumdet – verkannt Herbert Czaja hat keine Memoiren hinterlassen, aber ein Vermächtnis. Am 18. April 1997 ist er verstorben
Merz, dem Politik Machtzweck ist, wusste die Gedenkstunde in Stuttgart in unverschämter Weise zu nutzen, um bei den anwesenden Töchtern, Söhnen und Enkeln der deutschen Heimatvertriebenen die gewünschten Assoziationen wachzurufen, als er gegen „ein feindliches, ein imperialistisches und revisionistisches Russland agitierte und die „politischen Antworten“ andeutete, „an denen wir als Bundesregierung und als Gesellschaft arbeiten, mit unseren Weichenstellungen in der Verteidigungspolitik, indem wir den europäischen Arm der NATO stärken, indem wir die Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Aggressor unterstützen, mit der Intensivierung der Beziehungen zu Frankreich und zu Polen“
…
Und schlägt den folgenden scheinheiligen Bogen:
„Die Sicherung von Frieden und Freiheit braucht auch Erinnerungsarbeit. Das gilt heute noch einmal in besonderer Weise. Denn die geopolitische Umbruchszeit, in der wir leben, die neuen sicherheitspolitischen Notwendigkeiten, sie verlangen uns als Gesellschaft etwas ab, heute und ziemlich sicher auch in noch vielen Jahren vor uns. Die Neuaufstellung der Bundeswehr, der Ausbau der europäischen Verteidigungsgemeinschaft, die Arbeit an unserer Verteidigungsfähigkeit, das ist und bleibt eine gewaltige Kraftanstrengung. Wir sind dafür gut aufgestellt. Aber wir werden die Aufgabe nur dann wirklich meistern, wenn wir als ganze Gesellschaft jederzeit wissen, wofür diese Anstrengung notwendig ist, wenn wir das Wissen über den Wert von Freiheit und Frieden gemeinsam lebendig halten, wenn wir das Wissen lebendig halten über die totale Schrecklichkeit des Krieges.“
Aha! Ein Ex-BLACKROCK-Manager und passionierte Kriegstreiber, der TAURUS-Marschflugkörper-Lieferungen an die Ukraine mit aller Gewalt durchsetzen will, gibt vor, „über die totale Schrecklichkeit des Krieges“, in der die Anderen für ihn „die Drecksarbeit erledigen“, Bescheid zu wissen, agitiert aber weiter:
…
„Aber ein Schlüssel der Friedenssicherung bleiben Kontakte zwischen den Zivilgesellschaften, wie wir heute sagen, zwischen den Menschen hier und dort. Im besten Fall bestehen diese Kontakte gerade dorthin fort, wo autoritäre Staaten Feindschaft zwischen den Völkern neu auslösen wollen, wie wir es seit einigen Jahren in Russland beobachten müssen.“
…
„400.000 Angehörige der deutschen Minderheit leben heute in Russland. Es ist mir ein Anliegen, gerade sie und die deutschen Minderheiten in der Ukraine der Solidarität der Bundesregierung zu versichern.“
…
„Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch sagen: Wir halten an der Aufnahme der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler nach dem Bundesvertriebenengesetz fest. Für die nach dem 31. Dezember 1992 geborenen und in den Aussiedlungsgebieten lebenden deutschstämmigen Personen wollen wir den Zuzug nach Deutschland auch in Zukunft ermöglichen.“
Für Friedrich Merz kann nichts so schlecht sein, nicht einmal Russland, dass es nicht auch für ihn etwas Gutes hätte: Angehörige der deutschen Minderheit, die ab dem 01. Januar 1993! auf die Welt gekommen sind.
Denn, wessen Partei demnächst an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnte, muss sich mit Blick auf die politische Zukunft neues Wählergruppenpotential erkaufen. Da sage noch einer, mit Speck fängt man keine Mäuse.
Jeder Blinde mit Krückstock aus den vorangegangenen Weltkriegen könnte dem Dreier-Tandem Merz-Pistorius-von der Leyen auf den Kopf zusagen, dass Deutschland auf eine Generalmobilmachung zusteuert. Und zwar Seite an Seite mit korrumpierbaren Wendehälsen in Frankreich und Polen, die die völlig orientierungslos gewordenen Deutschen mit perfider kognitiver Kriegsführung („Neueste Manipulationstechniken als Waffengattung der NATO“ von Dr. Jonas Tögel) in einen Dritten Weltkrieg gegen Russland hineinmanövrieren wollen.
Getreu nach dem Motto des britischen Marineministers (1911 – 1914), Winston Churchill: „Sollen sich die Deutschen und die Russen doch gegenseitig abschlachten.“
Merz, als schwacher Politiker und plumper Demagoge der er ist, reiht sich nahtlos ein, in „die neudeutsche Gruppe der Politdilettanten und Möchtegernmachthaber“, die „das „Glück haben“, mit Beginn der destruktiven Machtmensch-Merkel-Ära im dämlichsten Land Europas zu leben, ein völlig überfremdetes Deutschland, in dem die fremdgesteuerten Deutschen an ihrem eigenen Niedergang fleißig mittun. (Vera Lengsfeld: Ist mir egal - Wie Angela Merkel die CDU und Deutschland ruiniert hat)
Der statusbewusst sich für intelligent haltende weil akademisch zertifizierte und (bisher noch!) wohlsituierte Medienkonsument, der naiverweise begriffen zu haben glaubt, in Deutschland zwar UNTER, „aber immerhin noch IN UNSERER DEMOKRATIE“ zu leben und die Hochrisikogruppe der besonders propagandagefährdeten, rammdösigen Gewohnheitsfernsehzuschauer, sehen sich einer (vom braven Steuerzahler zwangsfinanzierten) Phalanx an weisungsgebundenen Berichterstattern gegenüber, die, anstatt konsequent journalistische Recherchearbeit abzuliefern und gewissenhaft Ursache und Wirkung offenzulegen, sich damit begnügen, den bundesweit dramatischen Kamikazekurs in der Mitte Europas nach linkem oder nach rechtem Gusto zu kommentieren.
Der vierten Gewalt dürfte somit gelingen, was ihr immer gelang: In der zukünftigen, staatlich genehmigten Geschichtsschreibung wird ein weiteres Mal in Stein gemeißelt stehen: „… Deutschland und die Deutschen aber, waren die größten Kriegstreiber…“
Donald Kasper am 07.08.25, 09:13 Uhr
Das der sich traut, vor dem BdV eine Rede zu halten, ist schon eine besondere Form von Ignoranz und Überheblichkeit.