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Der Wochenrückblick

Neuer Streit und alte Sehnsucht

Polen und Russen prügeln sich wegen des Weltkriegs und Joe Kaeser rutscht auf seiner Schleimspur aus

Hans Heckel
18.01.2020

Wenn zwei sich streiten, was macht dann der Dritte? Eben nicht! Im Gefolge des öffentlichen Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren haben sich Polen und Russland so richtig in die Wolle gekriegt. Für uns Deutsche ist das jedoch kein Grund zur Freude. Vielmehr stehen wir ziemlich verdattert daneben und haben keine Ahnung, was wir sagen sollen zu dem Getöse.

Putin wirft den Polen eine Mitverantwortung am Krieg vor. Der polnische Botschafter in Berlin von 1933 bis 1939, Jozef Lipski, sei ein „Drecksack, ein antisemitisches Schwein“ gewesen, der sich „komplett mit Hitler solidarisiert (habe) in seinen antijüdischen, antisemitischen Tendenzen“. Die Sowjets dagegen seien ja überhaupt erst in Polen einmarschiert, als die polnische Regierung die Kontrolle über ihr Land verloren habe. Außerdem seien sie da nur rein, um die Sicherheit der Sowjetunion zu gewährleisten.

Aha? Und der Hitler-Stalin-Pakt? Das „Geheime Zusatzprotokoll“ mit den vor Kriegsausbruch genau abgesteckten Beute-Anteilen? Bis in die Gorbatschow-Ära stritt Moskau die Existenz des Protokolls ab, um erst in den 1980er Jahren der Wahrheit die Ehre zu geben. Damit ist es offenbar vorbei.

Das polnische Parlament wiederum hat schon 2016 ein Gesetz verabschiedet, nach dem es unter Strafe steht, Polen eine Kollaboration bei der NS-Judenverfolgung während der Besatzungszeit vorzuwerfen. Auch interessant. In der deutschen Wikipedia lesen wir zu den Vorgängen im nordostpolnischen Jedwabne: „Am 10. Juli 1941 wurde die jüdische Bevölkerung des Ortes von polnischen Bürgern auf dem Marktplatz zusammengetrieben. Nachdem einzelne Opfer bereits dort misshandelt und umgebracht worden waren, wurden die restlichen Juden in eine außerhalb des Ortes gelegene Scheune getrieben und bei lebendigem Leibe verbrannt.“ Der das geschrieben hat, sollte besser nicht mehr über die Oder reisen.

Bis vor wenigen Jahren behaupteten polnische Historiker, das Pogrom sei von den kurz zuvor einmarschierten Deutschen verübt worden. Dann lautete die Lesart, deutsche Stellen hätten die polnische Bevölkerung zu dem Massaker angestiftet oder es sogar befohlen. Letzteres wäre denkbar, doch rettet das die polnischen Täter nicht vor ihrer Schuld, ein paar sind nach dem Krieg auch verurteilt worden.

Doch 2016 wurde die polnische Kollaboration also aus der Geschichte gestrichen, und soeben hat Moskau das „Geheime Zusatzprotokoll“ aus den Annalen getilgt. Wie das wohl weitergeht? Wir Deutsche werden uns darauf einstellen dürfen, dass auch der Massenmord von Katyn schon bald wieder in unserem Sündenregister abgelegt wird. Für uns kein Problem, machen wir gern.

Zumal wir sowieso gerade in Sektlaune sind. Das haben wir unserem Finanzminister Olaf Scholz zu verdanken, der uns mit wunderbaren Zahlen entzückt. Zum sechsten Mal in Folge hat der Bundeshaushalt mit einem dicken Überschuss abgeschlossen. Mehr als 17 Milliarden Euro, Rekord. Woher kommt das viele Geld? Raten Sie mal: Wir schultern die zweihöchsten Steuer- und Abgabensätze der Welt. Und mittels Nullzins zahlt der Bund kaum noch Zinsen für seine Altschulden. Damit zerstört er Schritt für Schritt die Ersparnisse der Deutschen, die ihr Geld in Lebens- oder privaten Rentenversicherungen gesteckt haben, von wo aus es zu einem wesentlichen Teil an den Staat verliehen wurde.

Nun könnte man meinen, wenn der Staat uns schon die Ersparnisse wegzockt, könnte er uns ja wenigstens die Steuerlast erleichtern. Aber nichts da: Seit Merkels Amtsantritt ist die Steuerquote von 19,7 auf 23,2 Prozent gestiegen. Und auch Scholz verliert kein Wort über Steuersenkungen.

Immerhin macht Schwarz-Rot mit unseren Milliarden allerhand sinnvolle Dinge. Der größte Brocken geht in die Asylrücklage, wo bereits mehr als 48 Milliarden Euro schlummern. Das nur zu dem Versprechen der Kanzlerin von 2015: „Niemandem wird etwas weggenommen“ durch die Asylflut nach ihrer Grenzöffnung.

Na gut, bringen wir den Sekt lieber wieder in den Keller. Nach diesem Blick hinter die Kulisse von Scholzens Überschüssen ist uns mehr nach einem starken Kaffee. Oder Schnaps.

Wenn ihm nichts mehr einfällt, kommt der Minister ohnehin immer mit dem einen Argument: Wer weiß denn, ob es mit der Konjunktur und damit den Staatseinnahmen künftig so weitergeht? Müssen wir nicht für schlechtere Zeiten vorbauen? Tatsächlich mehren sich die Zeichen, dass es wirklich nicht mehr gut weitergeht. So lesen wir im „Handelsblatt“, dass durch den Umstieg auf Elektro-Mobilität 410 000 Arbeitsplätze in der Auto-Industrie gefährdet seien. Und alle paar Tage erreicht uns die Meldung, dass schon wieder ein Auto-Zulieferer dichtgemacht habe.

Sie sehen: Der Feldzug der Klimakämpfer beginnt sich auszuzahlen. Den jüngsten Sieg auf dem Schlachtfeld hat ihnen Siemens-Chef Joe Kaeser geschenkt. Allen Ernstes bot er Luisa Neubauer, der Galionsfigur der „Fridays for Future“-Bewegung in Deutschland, einen Aufsichtsratsposten bei der Konzerntochter Siemens Energy an. Die 23-jährige Studentin lehnte kühl ab und ließ Kaeser damit auf dessen eigener Schleimspur ausrutschen. Trotzdem hat der Top-Manager unterwürfigst gelobt, künftig noch viel klimasensibler zu agieren.

Zu Neubauers Glück hat der flotte Konzernchef gar nicht begriffen, worum es den „Fridays“-Leithammeln in Wirklichkeit geht. Klima? Ach was! Auf einem Flugblatt der Bewegung lesen wir: „Um die Klimakrise zu überwinden, müssen wir schlichtweg den Kapitalismus überwinden.“

Es geht also – mal wieder – um die rote Revolution. Das erklärt auch, warum die „Fridays“ in den alten Bundesländern so viel mehr Zulauf genießen als in den neuen. „Drüben“, wie man die DDR in der Bundesrepublik nannte, können Eltern und Großeltern davon berichten, wie prächtig es um den Umweltschutz im Sozialismus bestellt war. Das könnte beim ökobewegten Sprössling die Sehnsucht nach der Wiederkehr der roten Planwirtschaft messbar eingrenzen.

Das macht aber nichts, solange der Großangriff auf Marktwirtschaft und Industrie im weitaus größeren Westteil der Republik so sahnemäßig läuft. Und wenn sich dann noch Zeitgeistritter wie Joe Kaeser vor den Karren spannen lassen, der die Geschäftsgrundlagen ihres Unternehmens zum Schafott fahren soll, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Zumindest fürs Erste. Denn wenn die freie Wirtschaft zerstört und der Sozialismus wieder in den Sattel gesetzt ist, beginnt bald das große Jammern. Wie schon Maggie Thatcher erkannte, besteht die Tragödie der Sozialisten ja darin, dass ihnen irgendwann das Geld der anderen Leute ausgeht. Aber das braucht Leute wie Luisa Neubauer nicht zu schrecken. Die sitzen dann längst hoch oben auf einem Bonzenposten, wo ihnen die Misere des Volkes nichts anhaben kann.


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