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Jochen Thies: „Die Reise, die 300 Jahre dauerte. Schicksalswege einer hugenottischen Familie“,  be.bra Verlag, Berlin 2021, gebunden,  191 Seiten, 22 Euro
Jochen Thies: „Die Reise, die 300 Jahre dauerte. Schicksalswege einer hugenottischen Familie“, be.bra Verlag, Berlin 2021, gebunden, 191 Seiten, 22 Euro

Hugenotten

Neusiedler mit reformiertem Bekenntnis in Preußen

Der Journalist und Schriftsteller Jochen Thies folgt den Spuren seiner eigenen Vorfahren – Die Herkunftsorte führen ihn ins östliche Ostpreußen und nach Frankreich

Dagmar Jestrzemski
19.09.2021

Manchen eingedeutschten Namen merkt man ihre Herkunft nicht an. Der 1944 in Rauschen/Ostpreußen geborene Publizist und Buchautor Jochen Thies berichtet in seinem Buch „Die Reise, die 300 Jahre dauerte. Schicksalswege einer hugenottischen Familie“ von der Vertreibung seiner hugenottischen, belgisch-französisch Vorfahren namens Tisse aus der Gegend von Calais am Ärmelkanal inmitten großer Kontingente französischer Glaubensflüchtlinge nach der Aufhebung des Edikts von Nantes im Jahr 1685.

Thies war Ressortleiter Außenpolitik einer überregionalen Tageszeitung, Redenschreiber von Helmut Schmidt und schrieb unter anderem die Bücher „Die Bismarcks“, „Die Moltkes“ und „Die Dohnanyis“. Im vorliegenden Buch gibt er einen knappen Überblick über die Geschichte der Hugenotten in Deutschland. Ihre Fluchtwege führten von Frankreich aus in mehrere europäische Länder, in denen freie Glaubensausübung möglich war, und nach Nordamerika. Die kinderreiche Familie Tisse fand eine neue Heimat in der Uckermark. Ihre Nachkommen aber zogen zwei Generationen später weiter in das östliche Ostpreußen nahe Gumbinnen. Hier wurde die Schreibung ihres Namens Thies festgelegt. Der Autor hat die Herkunftsorte seiner Vorfahren in Frankreich und Deutschland besucht und berichtet von seinen Reiseeindrücken.

Von den 44.000 Hugenotten, die in deutsche Territorien einwanderten, fand fast die Hälfte Aufnahme in Preußen. Intellektuelle und bestimmte Berufsgruppen waren Vorreiter der Integration, während die Bauern und Handwerker in den ländlichen Gebieten erst nach drei Generationen Anschluss und Aufnahme in der deutschen Gesellschaft fanden, so auch die Ahnen des Autors. In der Gegend von Gumbinnen ließen sich ab 1712 etwa 5000 Neusiedler hugenottischen und reformierten Bekenntnisses aus Frankreich, Österreich und der Schweiz nieder. Die Nachkommen der „Schweizer Kolonie“ heirateten, wurden Gastwirte, Tabakbauern, Gewerbetreibende und schließlich Bildungsbürger. Die Geschichte der Familie Thies war seitdem bis zur Flucht aus Ostpreußen im Herbst und Winter 1944/45 eine ostpreußische Geschichte, dennoch ist bei ihnen die Erinnerung an ihre französische Herkunft wachgehalten worden.

Da die familiäre Überlieferung dünn gesät ist, blieb dem Autor reichlich Spielraum, um seine Familienchronik in einen weit verästelten thematischen Rahmen einzufügen. Besonders ausgeprägt ist sein Interesse an Frankreich. Er bedauert, dass das Erbe der Hugenotten in Deutschland vergleichsweise wenig Beachtung findet.

Es könnte dem geringen Interesse an dem Thema geschuldet sein, dass sich das deutsche Hugenotten-Museum in der 3000-Einwohner-Stadt Bad Karlshafen im Nordosten von Hessen befindet. Folgerichtig ist dieser Standort jedoch insofern, als es nirgendwo sonst in Deutschland eine Hugenotten-Ansiedlung gibt, die noch so geschlossen erscheint „mit ihrer Ordnung, Strenge, Schlichtheit und Eleganz“.

Thies präsentiert Vorschläge für Ansatzpunkte einer Weiterentwicklung des deutschen hugenottischen Erbes. Besonders Berlin mit seinem reichen französischen Erbe sei in dieser Hinsicht gefragt. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland hat seiner Ansicht nach bei der Erinnerungsarbeit im Sinne eines Programms zur deutsch-französischen Verständigung Nachholbedarf. Letztere liegt dem frankophilen Autor besonders am Herzen.


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