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„Mörder, Vergewaltiger, Plünderer“: Szczepan Twardochs Bild von „den“ Russen
Foto: imago / Est&Ost„Mörder, Vergewaltiger, Plünderer“: Szczepan Twardochs Bild von „den“ Russen

Gesellschaft

Nie wieder Völkerhass!

In seiner Abscheu über den russischen Krieg gegen die Ukraine vergreift sich ein polnischer Schriftsteller auf unerträgliche Weise im Ton

Hans Heckel
13.04.2022

Die schrecklichen Bilder und Nachrichten aus der Ukraine, die Millionen an Vertriebenen und Flüchtlingen wecken nicht allein beklemmende Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. Sie lassen auch einen alten Dämon wieder von der Kette, den wir Zeitgenossen eigentlich für immer gebändigt glaubten: den Hass auf ganze Völker.

Szczepan Twardoch, einer der bekanntesten polnischen Gegenwartsliteraten, ließ seinem Dämon in einem Beitrag für die „Welt“ vergangene Woche freien Lauf. Das Ergebnis ist zutiefst beunruhigend. Twardoch fragt beispielsweise: „Ist es wirklich überraschend, dass russische Soldaten vergewaltigen und morden? Wäre nicht das Gegenteil überraschend gewesen?“ Mit dieser abgründigen Frage beginnt der 1979 geborene Autor seine Tirade, und beantwortet sie gleich darauf mit dem wohl vernichtendsten Urteil, das man über ein ganzes Volk sprechen kann: „Nichts anderes habe ich von den Russen erwartet, genau dieses Bild der ,russischen Welt' wird in meiner Familienerinnerung tradiert. Überrascht wäre ich eher gewesen, hätte sich herausgestellt, dass der russische Soldat 2022 kein Mörder, Vergewaltiger und Plünderer ist.“

Seine Familienerinnerung ist auch eine deutsche. Twardoch erzählt von seiner ostpreußischen Großmutter und seinem deutsch-schlesischen Großvater, welche als junge Menschen beim sowjetischen Einmarsch in ihre Heimat 1945 Fürchterliches erlebt haben – wie Millionen andere Deutsche auch.

Die Versöhnung komplett verpasst

Danach aber trennen sich die Erinnerungen. Die Jahrzehnte der mühsamen Versöhnung, die mit dem Gewaltverzicht der deutschen Vertriebenen 1950 begannen und schließlich auch zwischen Deutschen und Russen im Königsberger Gebiet zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und zahllosen engen persönlichen Freundschaften geführt haben, die sind an dem in Polen aufgewachsenen Twardoch offenbar vollkommen vorbeigegangen. Dafür hat sich bei ihm das Bild „des“ Russen als barbarisches Monster festgefressen. Als die Putin-Regierung in den vergangenen Jahren zunehmend in eine antideutsche Paranoia verfiel, gerieten auch russische Partner deutscher Organisationen immer mehr unter Druck. Dessen ungeachtet haben viele von ihnen ihre Kooperation mit den Deutschen fortgesetzt. Wer den autoritären und damit latent gefährlichen Charakter der Putin-Regierung herausstreicht, sollte den Mut dieser Russen nicht unterschätzen oder gar einfach negieren.

Twardoch folgt stattdessen dem alten Grundmuster des Völkerhasses: Er macht eine ganze Nation für das verantwortlich, was er dessen Regierung anlastet, er weigert sich, hier irgendeinen Unterschied zu sehen. Dabei sind sich westliche Beobachter längst einig, dass Putin sein Land in eine Diktatur verwandelt hat, in eine Staatsform also, in welcher das einfache Volk so gut wie keinen Einfluss hat auf die Politik. Dass es Subjekte gibt, die sich einer Diktatur andienen, für jede Drecksarbeit zu haben sind oder den „großen Führer“ sogar blind anhimmeln, unterscheidet die Russen von keinem anderen Volk mit eigener Diktatur-Erfahrung. Diese Subjekte aber mit dem gesamten Volk in Eins zu setzen, um so eine komplette Nation zu verdammen – das ist eine häufige Wurzel des Völkerhasses. Eine simple Gleichsetzung von Spitze und Volk verbietet sich ja sogar in Demokratien, denn auch dort ist der Einfluss der einfachen Bürger auf die große Politik begrenzt.

Beim Blick darauf, was „die“ Russen heute denken, verweisen Kommentatoren auf eine jüngste Umfrage des Lewada-Instituts, wonach 83 Prozent Putin unterstützen. Marina Owsjannikowa hat ihre Zweifel. Die junge TV-Journalistin ist bekannt geworden, als sie in den Nachrichten ihres eigenen Senders mit einem Anti-Kriegs-Plakat in die Kamera stürmte. Seitdem ist sie Schikanen ausgesetzt.

Owsjannikowa schreibt, ebenfalls in der „Welt“, von der Angst, die sich in ihrem Land breitgemacht habe. Auch die PAZ berichtete bereits über die drakonischen Strafen, die drohen können, wenn jemand die offizielle Lesart des Kreml zum Ukrainekrieg infrage stellt. Lewada befrage die Leute zu Hause oder per Anruf, so die junge Journalistin, und fragt: „Wenn plötzlich jemand auftaucht oder anruft und fragt: Unterstützen Sie die militärische Spezialoperation und Wladimir Putin persönlich? Was werden sie wohl antworten?“

Ohne deren Einverständnis werden russische Wehrpflichtige zu Zeitsoldaten gemacht, Putin muss sich auf tschetschenische Schergen und die bezahlten Söldner der dubiosen „Wagner“-Truppe stützen – und dennoch mutmaßen westliche Militärexperten, dass dem Kreml-Herrn bald die Soldaten ausgehen könnten. Nichts also deutet darauf hin, dass die jungen Männer des 140-Millionen-Volkes begeistert, gar fanatisch zu den Waffen drängen, um die Ukraine niederzuwerfen oder dort gar, weil es laut Twardoch ihrem russischen Wesen entsprechen soll, Kriegsverbrechen zu begehen. Nichts.

Zurück ins frühe 20. Jahrhundert?

Den polnischen Autor mit den teils deutschen Wurzeln ficht das alles nicht an. Er steigert sich in eine wahre Vernichtungsphantasie hinein. Er wünsche sich, dass „Russland diesen Krieg nicht einfach nur verliert, sondern wirklich zusammenbricht“, spricht von einem „Morgenthau-Plan für Russland“. Man solle misstrauisch bleiben „gegen jede Neuauflage eines ,zivilisierten' Russland, gegen jedes neue Tauwetter“, das er fürchtet. Russland solle stattdessen „endgültig und unwiderruflich zusammenbrechen“. Twardoch sehnt sich eine Vernichtung herbei, wie sie Deutschland 1945 widerfahren ist.
Dabei übersieht der Autor, dass der Kreml über ein Atomwaffen-Arsenal verfügt, mit dessen Hilfe er die Welt vernichten kann, Europa in jedem Falle. Vermutlich würde er einen solchen Hinweis als moralisch anrüchig, ja als feige zurückweisen. In seinem hasserfüllten Furor hat verantwortungsbewusster Pragmatismus keinen Platz.

Viel schlimmer aber ist, wie er den Hass und die Verachtung gegen ein ganzes Volk wieder hoffähig machen will als angesehener Autor. Er beflügelt damit auch jene, die ihren schäbigen Gratismut in Übergriffen gegen einfache Russen oder gar nur russisch erscheinende Menschen in Deutschland und anderswo in der Welt ausleben. Szczepan Twardochs Weg führt uns zurück in die entsetzlichen Verirrungen des frühen 20. Jahrhunderts.


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Kommentare

Gustav Leser am 16.08.22, 17:06 Uhr

Das passt
Polnische Phantasien
+ angloamerikanische Geopolitik

•Angefangen vom falschen Dimitri 1605
•über Pilsudskis Pläne eines Intermarium-Großreichs 1919
•bis zur Drei-Meere-Initiative 2016/2021.

Eine hochgerüstete Supermacht Polen ab Oder-Neiße, schon mfr. auch nuklear.

=>
•Chinas Seidenstraßenprojekt wäre zerschnitten
•Russland in ständiger Gefahr
•Der deutsche Kleinstaat würde unvermeidlich zum Vasallen Polens:
Arbeiten bis wir schwarz werden.
Dann gingen die Lichter hier wirklich aus.

Putin hat die anglo-polnischen Pläne am 24.2. ausgebremst.
Aber nur vorerst.

Waffenstudent Franz am 16.04.22, 18:56 Uhr

Wird auch heute noch zelebriert wenn Deutsche zum Staatbesuch in Frankreich erscheinen! Und die Deutschen nehmen brav den Hut ab! Aber der Franzmann darf das.

französische Nationalhymne

Französischer Originaltext
Allons enfants de la Patrie,
Le jour de gloire est arrivé!
Contre nous de la tyrannie
L’étendard sanglant est levé. (2×)
Entendez-vous dans les campagnes
Mugir ces féroces soldats?
Ils viennent jusque dans vos bras
Égorger vos fils, vos compagnes.

Deutsche Übersetzung

Auf, Kinder des Vaterlandes,
Der Tag des Ruhmes ist gekommen!
Gegen uns ist der Tyrannei
Blutiges Banner erhoben. (2×)
Hört ihr auf den Feldern
Diese wilden Soldaten brüllen?
Sie kommen bis in eure Arme,
Um euren Söhnen, euren Gefährtinnen die Kehlen durchzuschneiden.

Kommentar:

Die wilden Soldaten waren aufgerufen, um im Elsaß den Söhnen Deutschlandes zu schaden. Und der Kampfauftrag war klar: Schneidet allen Deutschen Männern und Frauen die Kehlen durch.

Wolfgang Grundmann am 15.04.22, 21:24 Uhr

Als Sohn einer Danziger Flüchtlingsfamilie kann ich mich dem Kommentar von sitra achra nur zustimmen. Damals die "Gustloff" verpasst. Die friedvollen Russen...
Übrigens gilt heute für die Ukrainer was damals für uns Deutsche Bedeutung hatte: Soldaten kämpfen nicht besonders heftig für das, was vor ihnen liegt. Sie kämpfen für das, was hinter ihnen liegt. Heimat und Familie.

Ralf Pöhling am 15.04.22, 13:48 Uhr

Wenn man sein Leben lang, oder sogar darüber hinaus wenn die eigene Familiengeschichte davon geprägt ist, schlechte Erfahrungen mit einem anderen Kreis von Menschen macht, dann erwächst aus einer einmaligen oder zweimaligen Erfahrung irgendwann Vorsicht und dann vielleicht sogar Abneigung bis Hass, was sich dann nur noch schwer korrigieren lässt. Das gibt es in jede erdenkliche Richtung und hat nicht nur mit Polen und Russen zu tun. Das kennen auch die Afroamerikaner und die weißen Amerikaner, die Griechen und die Türken, die Franzosen und die Deutschen, die Palästinenser und die Israelis und so weiter und so fort. Wenn man jetzt die Nationalstaaten rasiert und die Grenzen schleift, so wie es in den letzten Jahren aktiv vorangetrieben worden ist, dann nimmt das Problem nicht etwa ab, es eskaliert erst richtig. Denn nur weil Grenzen wegfallen, werden aus Franzosen keine Deutschen, aus Muselmanen keine Juden oder eben auch aus Polen keine Russen. Sie sind sich nur plötzlich viel näher als sie es mit Grenzen waren, denn sie fließen ja nun grenzenlos ineinander, und die Konflikte nehmen wegen der unterschiedlichen Weltanschauungen und Sozialisationen drastisch zu, da diese ja nun direkt aufeinandertreffen. Wer das dann nicht aktiv entschärft, was bei der Globalisierung nicht beherzigt worden ist, der sorgt für die Eskalationsspirale. Nähe sorgt also nicht automatisch für mehr Verständnis und Friedfertigkeit. Nähe kann auch, wenn sie zu viel wird und zu lange andauert, zu massiver Abneigung führen. Jeder, der mal in einer Wohngemeinschaft gelebt hat, wird das sofort nachvollziehen können. Was im Kleinen so ist, ist auch im Großen so. Aus dieser Erkenntnis entstand nach Ende des Dreißigjährigen Krieges der Westfälische Nationalstaat. Gute Zäune machen gute Nachbarn. Denn in jedem umzäunten Territorium kann jeder seine eigenen Regeln selbst bestimmen, ohne dass ihm jemand anderes da hineinredet. Sofern dieser jemand anderes diese Zäune denn nicht gedenkt einzureißen. Und da denke ich, bei all dem Wahnsinn der sich in den letzten Jahren entwickelt hat, zuvorderst nicht an die Ukraine und die Russen, die haben damit diesmal nicht(!) angefangen, sondern an die linksliberalen Amerikaner und die linksliberalen Westeuropäer. Denn wer Grenzen einreißt, der reißt sie natürlich ein, um sich selbst auszubreiten. Der Westen war in den letzten Jahren allerdings sehr geschickt darin, dieses Einreißen der Grenzen anderer Länder nicht etwa als direkten Einmarsch zu verkaufen, sondern als "Befreiung" und das Durchmischen der Kulturen als "Bereicherung". Was in beiden Fällen einfach nicht stimmt und uns nun in diese Lage geführt hat, in der alte Konflikte wieder heiß werden und die Russen gegenhalten, was dann in den ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes natürlich für verständliches Grummeln in die andere Richtung sorgt.
Wir müssen zurück zum Westfälischen Nationalstaat und gesicherten Grenzen, in denen jeder seine eigenen Regeln selbst bestimmen kann, ohne dass ihm jemand anderes da hineinreden kann. Dann hört der ganze Wahnsinn auch auf und es gibt auch keine unangenehmen Reaktionen mehr. Von keiner Seite.

Jan Kerzel am 14.04.22, 17:24 Uhr

Twardoch, ein polnischer Schriftsteller. Ich habe seine auf deutsch übersetzten Bücher gelesen. Alle. Genial, mehr geht nicht, psychoanalytisch in die Tiefe gehend, ohne Vorurteile und Schablonen, das Verhängnis des Seins beschrieben wie es ist, unentrinnbar und unentwirrbar. Der Artikel hier ist nach meinem Dafürhalten ignorant und komplett indiskutabel. Mühsame Unterstellungen und ein kläglicher Versuch, irgendwas Vertriebenendeutsches unterzubringen. Twardoch lesen, kann hilfreich sein.

Sonja Dengler am 14.04.22, 08:54 Uhr

Dass "Putin zunehmend in eine antideutsche Paranoia verfiel" ist nicht weniger hass-erfüllt und indifferent, wie Twardochs Pauschalierungen.

Berlin 59 am 13.04.22, 19:45 Uhr

Die Russische Geschichte ist seit dem 19 Jahrhundert eine Abfolge von Politischen Fehlentscheidungen mit jeweils verheerenden Folgen für den Rest der Welt. Der polnische Schriftsteller hat zu 100% recht. Das herum Gejammer über die Atomwaffen kann man echt nicht mehr hören.

sitra achra am 13.04.22, 12:14 Uhr

Wenn ich Ihre noblen Ausführungen betrachte, kommt es mir wieder in den Sinn: typisch deutsch. Das heißt, auf billige Weise moralisierend, aber feige und duckmäuserisch und auf das eigene Wohlergehen bedacht. Da geht man eben über einen Berg von (ukrainischen) Leichen, Hauptsache man ist nicht emotional tangiert (höchstens auf sabbernde Weise rhetorisch, zu nichts verpflichtet), der Kommerz hat wie immer den Vorrang.
Die Schuld für die aufgestörte Bierruhe trägt dann ein armer polnischer Teufel wie Szczepan Twardoch, der als Hasstäter denunziert wird. Und wie steht es um die protokollierten Aufrufe zum Hass und zur Vernichtung der ukrainischen Zivilbevölkerung durch die authentisch russische Truppenführung? Wer ist hier der Aggressor?
Twardoch? Ist man autorisiert, hier eine Trennung zwischen einer angenommen friedlich gesinnten Bevölkerung und ihren umschwärmten Leithammeln zu machen? Das ist ebenso Wunschdenken wie politische Schizophrenie. Diese subtile Unterscheidung wurde während des sog. zweiten WK's für die Deutschen auch nicht vorgenommen. Da hieß es, mitgefangen, mitgehangen. Die Hetzaufrufe an die Rote Armee vonseiten Ilja Ehrenburgs, bei dem Einmarsch in Deutschland alle Deutschen abzuschlachten, auch Frauen und Kinder, stellt nur die grausame Spitze des Hasses eines in der Wolle grausam eingefärbten Volkes dar.
Diese Erfahrung haben die europäischen Völker, besonders die Polen mit den Russen über Jahrhunderte gemacht.
Jetzt wieder einmal den Quisling zu spielen, ist ein Schlag ins Gesicht der unzähligen Opfer dieses unbelehrbaren Volks.
Dass die Deutschen, besonders die Linken, Autokorsos der Schande in ihren Städten zulassen, wo die Mordtaten der Russen auf widerlichste Weise gefeiert werden, ist ein Zeichen ihrer Verantwortungslosigkeit, moralischen Verkommenheit und Scheintoleranz. Die Franzosen haben diese geistige Verwirrung denunziert und den Umzug der Schlächter als "cortège de la honte" bezeichnet. Ja, Schande über dieses Land!
Ich hingegen teile die Ansichten Twardochs voll und ganz, so wie die Mehrzahl der Polen übrigens.
Eine tatsächliche Lösung sehe auch ich in der finalen Auflösung dieses monströsen russischen Gebildes.
Ansonsten wird das von den Putinazis postulierte Eurasien unter der russischen Knute Realität.
Wehren wir uns!

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