Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Wer im Leben vorankommen will, lässt sich „coachen“ – Der Markt dafür „boomt“, und das trotz vieler schwarzer Schafe
Was macht eigentlich ein Coach? Der Begriff kommt aus dem Englischen und bezeichnet ursprünglich eine Kutsche. Diese soll den Coachee – denjenigen, der einen zuvor definierten beruflichen Weg zurücklegen möchte – zu seinem Ziel befördern. Der Coach ist entsprechend eine Art Kutscher, ein Begleiter, der das Wissen hat und über Techniken verfügt, einen Menschen zu einem bestimmten Ziel zu begleiten.
Aktuell sind entsprechende Seminarangebote groß im Trend. Wenn man dem riesigen Angebot Glauben schenken darf, kann eigentlich niemand ohne Coach auskommen. Der Markt dafür ist unfassbar profitabel. Heute gibt es Coaches für alle Gelegenheiten. Das war nicht immer so. Vor 15 oder 20 Jahren wurde ein Berater gebucht, wenn es darum ging, im beruflichen Rahmen eine bedeutende Veränderung zu vollziehen. Team-, Einzel- oder Projektcoachings sollen dabei helfen, Prozesse besser zu meistern. Dabei geht es bei einem solchen Angebot im Kern darum, die selbst hervorgebrachten Ideen und Impulse zu strukturieren, zu lenken und zur Umsetzung zu bringen.
Heute bieten Coaches ihre Dienste in allen Bereichen des Lebens an. So gibt es „Life Coaches“, „Ernährungs-Coaches“, „Personal Fitness Coaches“ und Coaches für Achtsamkeit oder gesunde Lebensführung. Aber auch Bereiche der Psychologie gehören dazu. Zu nennen sind dabei Beziehungs-Coachings, Coachings für unzufriedene Mütter, betrogene Ehemänner und für Menschen, die unter ihren Führungskräften leiden. Beratung, Beistand und Unterstützung scheint in diesen Bereichen stark gefragt zu sein.
Viele Anbieter geben sich den Titel „Coach für persönliches Wachstum“. Andere schreiben sich auf die Fahne, mit ihrem – oft vermeintlichen – Wissen beruflichen Stress und Angst bewältigen oder spirituelles Erwachen begleiten zu können. Sehr gerne wird auch Beratung bei der richtigen Einstellung zu Finanzen angeboten – betitelt „Coachings für das richtige Money-Mindset“. Es versteht sich von selbst, dass jeder Coach sich dabei als „Experte“ auf seinem Gebiet darstellt.
Weder gibt es genaue Angaben über die Anzahl der Coaches in Deutschland, noch gibt es belastbare Zahlen über deren Reichweite und Erfolge. Mal ist zu lesen, dass bundesweit rund 30.000 Berater ihre Dienste anbieten, dann wieder wird erwähnt, dass höchstens 20 Prozent der Anbieter seriös sind. Neben durchaus sinnvollen und seriösen Angeboten hat sich ein Coaching-Markt von geldhungrigen Laien entwickelt, der hinterfragt werden muss, weil sie die Dinge oft verschlimmern statt verbessern.
Viel interessanter als die vielen verschiedenen Nischen, in denen sich Tag für Tag mehr Berater als Coach präsentieren, ist es dabei, einen Blick hinter diesen Trend zu werfen.
Coachings sind ein Markt. Hier wird viel Geld verdient. Und hinter den Coaches, die mit ihren Angeboten die sozialen Medien pflastern, stehen andere Berater, die eher als Unternehmer zu sehen sind und die Menschen mit Fachkenntnissen versprechen, dass sie ihrerseits als Coach zu Reichtum gelangen können. Und das innerhalb weniger Monate. Wer als Hundetrainer, Physiotherapeut, Buchautor, psychologischer Berater oder Ähnliches bereits auf dem Markt ist, aber noch keinen ausgefüllten Terminkalender hat, entspricht der Zielgruppe der Unternehmer-Coaches.
Bei den Angeboten geht es stets darum, möglichst schnell möglichst viele zahlende Kunden zu gewinnen: im Internet, in den sozialen Medien, mit einem Buch oder mit einem Seminar. Dazu kommen Newsletter, Beratungsgespräche, Onlineauftritte, Podcasts oder Videos. Jeder Anbieter, der neue Coaches gewinnen will, arbeitet mit einer eigenen Auswahl, einem eigenen Portfolio an Instrumenten. Und jeder Anbieter verspricht den Erfolg auf dem kurzen Weg.
Coaching für Zwei-Katzen-Haushalt
Den Weg zum Erfolg als Coach lassen sich die hoffnungsvollen Trainer, Seminarleiter und Berater einiges kosten. Das Basispaket kann schon mal locker 8000 Euro kosten. Der Inhalt: Eine Anleitung für den Aufbau eines Vertriebssystems in Form von Videos, Tutorials oder Online-Gesprächen. Gefordert wird vom zukünftigen Coach ein hoher zeitlicher Einsatz und das Umsetzen der vorgeschlagenen Maßnahmen.
Wer nicht beim Basis-Angebot verharren will oder nicht die Zeit hat, mehrere Online-Sitzungen und Video-Calls zu absolvieren, dem werden Extras angeboten. Das Buch, das geschrieben werden soll, damit über die Vermarktung des Werks Kunden angezogen werden, wird dann von einem Ghostwriter erstellt. Kosten: rund 20.000 Euro. Der Webauftritt oder das Online-Seminar-Video, die nach Video-Anleitung selbst erstellt werden können, werden dann durch Mitarbeiter des Coaching-Anbieters umgesetzt. Und natürlich ist das ein Premium-Paket. Kosten: bis zu 15.000 Euro.
Diese Art der Vermarktung ist eine Masche, mit der aktuell sehr viel Geld gemacht wird. Denn die Verträge werden oft am Telefon geschlossen. Zu Beginn des Gesprächs wird bereits angekündigt, dass der Interessent sich am Ende des Telefonats entscheiden muss: für oder gegen eine Zusammenarbeit. Psychologisch geschickte Gesprächsführung sorgt dafür, dass die Buchung des Coachings mit dem Willen zum Erfolg gleichgesetzt wird. Wer kann da schon nein sagen? Und Verträge, die von Freiberuflichen und Gewerbetreibenden am Telefon abgeschlossen werden, sind nur sehr schwer wiederrufbar.
Klar, dass der zukünftige Coach anschließend zusehen muss, dass er Geld verdient. Was liegt da näher, als den Ratschlägen des eigenen Beraters zu folgen. Damit das System zuverlässig funktioniert, ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen ein Coaching buchen. Um an zahlungskräftige Kunden zu kommen, wird auf ein maßgeschneidertes Angebot gesetzt. Nischen-Angebote sind angeblich besonders vielversprechend. Dabei gibt es derzeit wohl nichts, wofür eine Beratung überflüssig erscheint. So gibt es unter anderem Angebote wie Coachings für den Zwei-Katzen-Haushalt oder Coachings für das Stillen nach der dritten Geburt.
Das System funktioniert hervorragend, der Markt boomt. Ein wichtiger Faktor in diesem System sind die Menschen, die am Telefon hochpreisige Angebote verkaufen. Sie werden „Closer“ genannt, da sie etwas zum „Abschluss“ bringen. Und natürlich erhalten sie eine hervorragende psychologische Schulung. Es versteht sich von selbst, dass diese Ausbildung Geld kostet. Bei vielen Anbietern zahlen Interessenten um die 3000 Euro dafür, dass sie später für die Unternehmen am Telefon zukünftige Coaches von der Zusammenarbeit überzeugen dürfen.
Einige Unternehmen bieten an, dass die Ausbildungskosten mit den erzielten Verkäufen verrechnet werden können. Versprochen wird, dass im ersten Jahr durchaus 50.000 bis 100.000 Euro verdient werden können. Das Tragische daran: Oft sind Closer selber nur Coaching-Interessenten, die ihrerseits gerne die hochpreisigen Angebote buchen würden, dafür aber kein Geld haben.
Warum der Markt boomt, erklärt ein Blick auf die Statistik. Anfang Juli ist beim Statistischen Bundesamt der neue Report auf Basis der Consumer Insights Global Umfrage veröffentlicht worden. 36 Prozent der Personen in Deutschland, die den sogenannten Life Coaches in den Sozialen Medien folgen, haben ein hohes Jahreseinkommen. Neue Inhalte zu erlernen hat für diese Zielgruppe eine weitaus höhere Bedeutung als für den durchschnittlichen Bundesbürger. Die Bereitschaft zur Weiterbildung wird hier – zumindest von einigen schwarzen Schafen der Szene – schamlos ausgenutzt.
sitra achra am 07.11.23, 18:17 Uhr
Da haben sich etliche Closer in die Politik verirrt. Ein solches Verkaufsgenie in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsminister will uns unbedingt seine Pofelware, bestehend aus Wärmepumpen, Windrädern, Photovoltaik und anderem Zeugs dieser Art andrehen. Da hat man den Bock wahrlich zum Gärtner gemacht. Nach erfolgtem Deal ist jegliches Umtauschrecht oder Schadenersatz kategorisch ausgeschlossen. Wysiwyg.