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Was Kubicki zu Merz wirklich gesagt hat, und warum sich ein Blick nach Dresden lohnt

Hans Heckel
30.03.2024

Er machte keinen Mucks. Nicht einmal ein Flüstern war zu hören, was zu denken gibt. Dabei gab es für den FDP-Chef ganz schön was klarzustellen – nach dem, was Friedrich Merz da rausgehauen hatte: Noch diesen Sommer würden die Liberalen die Ampel verlassen, und dann hätten wir Neuwahlen. Der CDU-Chef schickte sogar ein konkretes Datum für den vorgezogenen Urnengang mit, den 22. September. Da wären ja ohnehin Landtagswahlen in Brandenburg und daher könnten wir an dem Tag gleich auch den Bundestag neu sortieren.

Aber Christian Lindner schwieg dazu, tagelang. Nur Wolfgang Kubicki wollte das Wasser nicht halten und knallte Merz vor den Latz, dieser wolle „in einem Anflug von Größenwahn selbst bestimmen, wann der Bundestag neu gewählt werden soll“. Völliger Quatsch, weiß Kubicki selbst. Aber was der Schleswig-Holsteiner sagt, ist ohnehin meist nur in Sachen Unterhaltungswert von Belang. In dieser Hinsicht liefert das lustige Nordlicht stets mit großer Zuverlässigkeit, weshalb man ihm immer gern zuhört.

Inhaltlich schieben Kubickis pointierte Ausbrüche so gut wie nie etwas an. Oder ist es diesmal anders? Hören wir dem Mann mal ganz genau zu, vorbei an dem verbalen Böllerknall mit dem „Größenwahn“. Er sagte, „abgesehen davon, dass die FDP keinen Ausstieg plant, wäre sie selbstverständlich für einen solch unwahrscheinlich Fall vorbereitet“. Aha, man ist also „vorbereitet“ – so, so!

Also, jetzt mal Tacheles! Was Kubicki wirklich gemeint hat, ist Folgendes: Natürlich „planen“ wir Liberale den Ausstieg aus der Ampel längst, denn Merz hat ja vollkommen recht, wenn er sagt: „Die FDP weiß: Wenn sie in der Koalition bleibt, fliegt sie bei der nächsten Bundestagswahl wieder aus dem Parlament.“ Das dürfen wir, die FDP, nur nicht offen zugeben, denn Merz liegt ebenfalls richtig mit der alten Weisheit, „das Volk liebt den Verrat, aber nicht den Verräter“. Das vor Augen müssen wir dafür sorgen, dass nicht der FDP, sondern den ungeliebten Koalitionspartnern die Schuld zugewiesen wird am Bruch der Ampel. Daher müssen wir jetzt ein bisschen pöbeln gegen Merz. Und wer wäre dafür besser geeignet als ich, der Wolfgang?

Das ist es, was Kubicki wirklich im Kopf herumgeht. Es ist wie früher im Eherecht, als die Frage, wer schuld ist am Zerwürfnis, noch ganz wichtig war. Wir können uns auf einen monatelangen Nervenkrieg in der Ampel freuen, in dem die Schuld munter hin und her geschoben wird. Mal sehen, wer gewinnt.

Wie fertig diese Koalition bereits ist, wird auch an der Hektik deutlich, mit der einige Protagonisten da fuhrwerken. Die Ministerinnen Paus und Faeser scheint Torschlusspanik gepackt zu haben, weshalb sie ihre Pläne für die Zementierung einer auf Dauer linken Republik (egal, was der Wähler will) nun im Turbogang durchboxen wollen, Stichwort „Demokratiefördergesetz“ und anderer linksautoritärer Kram. Und Minister Habeck greift nach jedem Strohhalm, wobei er nun sogar den Patriotismus zu fassen bekommen hat.

Den fand er nach eigenem Bekunden doch „zum Kotzen“! Jetzt dagegen hat er sich vom DFB „ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht“, weil der Fußballbund von Adidas zur US-Marke Nike gewechselt ist, wie Sie sicherlich mitbekommen haben. Himmel, muss der Mann verzweifelt sein! DFB-Präsident Bernd Neuendorf erscheint etwas verwirrt. Auf Habecks Vorwurf des mangelnden Patriotismus hat der doch tatsächlich geantwortet: „Das hat mich fassungslos gemacht, was da gesagt wurde – ohne Kenntnis von Fakten, ohne Kenntnis von Hintergründen.“

„Brandmauer“? Nur gegen die CDU!
Wie bitte? Hat der Fußballchef dem Grünen nur mal eine Minute beim Regieren zugeguckt? Kenntnis von „Fakten“? Von „Hintergründen“ gar? Um solches Zeug hat sich Habeck noch nie geschert, weil er von Natur aus recht hat, egal was die Fakten und deren Hintergründe dazu meinen. Selbst, als Fakten und Hintergründe ihn in Form der berüchtigten „Wirklichkeit“ komplett „umzingelt“ hatten, wie er es ausdrückte, hielt Habeck stand in seiner ideologischen Trutzburg.

Dabei sind die Fakten im vorliegenden Fall schnell erzählt. Laut Neuendorf hatte Nike dem DFB ein Angebot gemacht, welches derart viel besser gewesen sei als die aller Mitbewerber, dass er gar nicht nein sagen konnte, ohne sich den Vorwurf der Verbandsschädigung einzuhandeln. Dass dem „Es ist ja nur Geld“-Minister diese simple Logik verschlossen bleibt, wundert uns allerdings nicht. Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft läuft unter seiner Fuchtel entsprechend: Während er den Partnerwechsel des DFB gewissermaßen zum Vaterlandsverrat hochjazzt, prügelt Habeck mit Elan ein deutsches Unternehmen nach dem anderen ins Ausland. Dieser Elan gehört zu den Gründen für die FDP, einen Fluchtweg aus der Koalition zu suchen.

Also Neuwahlen noch in diesem Jahr. Aber was kommt dann? Da können wir nur von den aktuellen Umfragen ausgehen. Die Ampel ist dann weg, klar soweit. Aber für Schwarz-Gelb wird es auch nicht reichen. Da sich die Union mit dem Hintern an die „Brandmauer“ geklebt hat, wird Merz die Grünen oder die SPD (oder beide?) ins Boot holen müssen, um Kanzler zu werden.

Die Deutschen werden Augen machen, wenn Paus oder Faeser ihr freiheitszerbröselndes Gruselprogramm unter einem CDU-Kanzler einfach weiter durchziehen, während Habeck die Reste der deutschen Wirtschaft planiert. Hinter der „Mauer“ bei den Blauen würden dann die Korken knallen, denn die ganze Wut, die sich derzeit gegen die Ampel richtet, schösse nun der Union ins Gesicht. Aber was soll Merz da nur machen?

In Dresden ist etwas Interessantes passiert. SPD, Grüne und Linkspartei ereifern sich gerade fürchterlich, dass CDU, FDP und Freie Wähler dort gemeinsam mit der AfD gestimmt haben. Dabei vergessen sie zu erwähnen, dass Linke und SPD das dort auch schon getan hatten. Ganz so unflexibel ist die „Brandmauer“ also gar nicht. Sie muss nur stehen, wenn sie der Union schadet oder bürgerliche Mehrheiten verhindert. Steht die Mauer dagegen dem linken Lager im Weg, wird sie kurz mal beiseitegeschoben.

Irgendwie scheint Merz sein strategisches Dilemma erkannt und das falsche Spiel des linken Lagers durchschaut zu haben. Der CDU-Chef kündigte lauwarm an, man werde sich den Dresdner Vorgang „genau anschauen“. In der Politikersprache bedeutet „genau anschauen“ soviel wie: Wir machen gar nichts. Was will er sich da auch „anschauen“, was nicht sowieso jeder gesehen hat?

Das Manöver könnte mit den bevorstehenden Landtagswahlen in drei neuen Bundesländern zu tun haben. Dort zeichnen sich interessante Konstellationen ab, die unter strikter Einhaltung der „Brandmauer“ eine Regierungsbildung recht schwierig erscheinen lassen. Und dann? Ich ahne es: Ein episches Drama voll von Lüge und Heuchelei, von dreisten Tricks und wüsten Beschimpfungen wird uns den Herbst versüßen – aufgeführt in den Ruinen einer Brandmauer.


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Kommentare

Sonja Dengler am 03.04.24, 09:22 Uhr

Wenn "die FDP die Ampel verlässt", dann geht das ja wohl nur unter einem Misstrauensvotum - dann aber ist keine "Wahl" notwendig, dann will Merz einfach nur Kanzler werden - ohne Wahl. Keiner wird ihn halt wirklich wählen wollen, das sieht er offenbar selbst.

Werner Müller am 02.04.24, 13:52 Uhr

Das kann ja noch heiter werden. Im sinne des Wortes, zaubert mir der Gedanke an die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Hampel:Innen breites Grinsen in die Mundwinkel. Und das alles bei den kürzer werdenden Tagen des Herbstes und bei einem wunderbaren halbtrockenen Moselriesling. Hasta luego

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