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Wirtschaftsklima I

Ökonomen sagen eine weitere Rezession voraus

Der Indikator des Instituts für Makroökonomie steht seit Monaten auf „Rot“ – Hohe Energiepreise, steigende Zinsen und Kaufzurückhaltung sind der Grund

Peter Entinger
03.10.2023

Die schlechten Nachrichten aus der deutschen Wirtschaft reißen nicht ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland in den kommenden drei Monaten sich erneut einer Rezession ausgesetzt sieht, ist in den letzten Wochen von einem bereits hohen Niveau aus noch leicht angestiegen. Das geht aus dem Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung hervor.

Für den Zeitraum von September bis Ende November weist der Indikator eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 74 Prozent aus. Anfang August betrug sie für die folgenden drei Monate 71,5 Prozent. Der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator zeigt wie in den Vormonaten „rot“, was eine akute Rezessionsgefahr markiert. „Der deutschen Konjunktur fehlt es weiter an Wachstumsimpulsen, aus fast allen Richtungen kommen nach wie vor Gegenwinde“, sagt IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld über die aktuellen Ergebnisse.

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Krise. Nachdem sie zu Beginn des Jahres in eine Rezession gerutscht war, stagnierte sie im zweiten Quartal des Jahres. Ausgehend von gesunkenen Konsumausgaben der Verbraucher ist das Bruttoinlandsprodukt laut Angaben des Bundesamtes im ersten Quartal 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft.

Zum Ende des Jahres 2022 war die Wirtschaftsleistung Preis-, Saison- und Kalender-bereinigt bereits um 0,5 Prozent gesunken. Im zweiten Quartal dieses Jahres stagnierte die Wirtschaft dann. Nun sind die neuesten Aussichten weiterhin ziemlich schlecht.

Wirtschaft steckt in tiefer Krise
Einer der Hauptgründe sind die gestiegenen Energiepreise. Doch auch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) spielt eine Rolle. „So notwendig sie ist, um die Inflation zu bekämpfen, hat sie eben starke Nebenwirkungen“, erklärt Wirtschaftsexperte Aloys Prinz von der Universität Münster. Durch die höheren Zinsen könne die Konjunktur gedämpft oder sogar zum Absturz gebracht werden.

Dass die Rezessionswahrscheinlichkeit bisher nicht zurückgeht, deutet nach Ansicht des IMK-Konjunkturindikators darauf hin, dass sich die erwartete konsumgestützte Erholung der Konjunktur verzögert und wahrscheinlich erst zum Jahresende beginnt.
Zwar hätten die Nominallohnzuwächse im zweiten Quartal erstmals seit über einem Jahr die Verbraucherpreisinflation ausgleichen können. Da die Inflation aber nur langsam zurückgehe, bleibe der Reallohnzuwachs verhalten und eine durchgreifende Erholung des privaten Verbrauchs komme bisher nicht in Gang. „Gleichzeitig leidet die Produktion in den energieintensiven Industrien unter anhaltend hohen Energiepreisen, woran sich ohne eine wirksame wirtschaftspolitische Initiative zur Stabilisierung nichts ändern wird“, sagt Konjunkturexperte Hohlfeld voraus.

Zudem könnte sich die Lage im Baugewerbe nach der weiteren Erhöhung des EZB-Leitzinses und zunehmender Finanzierungskosten der Bauträger weiter verschärfen. Die deutsche Exportwirtschaft sei mit einer lahmenden Auslandsnachfrage konfrontiert, insbesondere aus China und den USA. Unter diesen Umständen sei für die Produktion der Industrie insgesamt derzeit bestenfalls eine Stagnation absehbar. Auch andere Institute kommen zu ähnlich wenig erfreulichen Ergebnissen. Im Juli sagte das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. (ifo-Institut) einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung für das Jahr 2023 voraus.

Die Stimmung ist schlecht
Die Stimmung in der Wirtschaft sei schlecht, der ifo-Geschäftsklima-Index sank im Juli das dritte Mal in Folge. „Wir haben eine Mischung aus kurzfristigen Problemen und längerfristigen Herausforderungen, die Deutschland in besonderer Weise treffen“, sagte ifo-Präsident Clemens Fuest und fügte hinzu: „Kurzfristig haben wir steigende Zinsen, wodurch weniger Geld für den Konsum oder für Kredite ausgegeben wird.“

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-Bank, fordert im „Deutschlandfunk“ eine „Agenda 2030“, weil es so viele unterschiedliche Probleme in der Wirtschaft gebe, dass ein Konjunkturpaket allein nicht reichen werde. „Bei den vielen strukturellen Problemen braucht es unterschiedliche Maßnahmen, um in fünf oder zehn Jahren vielleicht wieder Wirtschaftsmotor Europas zu werden“. Generell sind alle Experten der Meinung, dass die Strompreise in Deutschland im internationalen Vergleich zu hoch sind. Dadurch seien die energieintensiven Industriezweige eingebrochen. „Unter diesen Umständen ist für die Produktion der Industrie insgesamt derzeit bestenfalls eine Stagnation absehbar“, ziehen die IMK-Forscher eine wenig erfreuliche Bilanz und blicken düster in die nahe Zukunft.


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