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Markus Brauckmann & Gregor Schöllgen: „München 72. Ein deutscher Sommer“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2022, gebunden, 365 Seiten, 25 Euro
Markus Brauckmann & Gregor Schöllgen: „München 72. Ein deutscher Sommer“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2022, gebunden, 365 Seiten, 25 Euro

Zeitgeschichte

Offene Fragen zum Olympia-Attentat

Fünf Jahrzehnte nach dem Blutbad in München 1972 zeichnen Markus Brauckmann und Gregor Schöllgen ein gesellschaftliches Bild der Zeit

Wolfgang Kaufmann
11.02.2023

Im Sommer 1972 wollte die Bundesrepublik Deutschland der Welt ihr freundlichstes Gesicht zeigen und die in München veranstalteten XX. Olympischen Sommerspiele zu „heiteren Spielen“ machen. Das Ganze endete jedoch in einem Fiasko. Keineswegs sind alle Aspekte des tatsächlichen oder vermeintlichen deutschen Versagens während des Olympia-Attentates durch die palästinensische Terrororganisation Schwarzer September aufgearbeitet.

Insofern bietet die Olympiade von 1972 und die gescheiterte Geiselnahme mit 17 Toten israelischer, deutscher und palästinensischer Herkunft auch nach 50 Jahren noch die Möglichkeit, ein spannendes Enthüllungsbuch vorzulegen. Aber genau das ist „München 1972“ nicht. Vielmehr haben sich die beiden Verfasser, der Regisseur Markus Brauckmann und der Historiker Gregor Schöllgen, dafür entschieden, sozial- und mentalitätsgeschichtlich vorzugehen: Statt Fakten, die ein klareres Licht auf die Vorgänge von damals werfen könnten, dominieren banale Geschichtchen über den „Summer of Love“, Rassismus, Mode, Musik und Sexualität sowie den Kampf zwischen Ost und West auf dem Gebiet des Sports.

Und wenn es ab Seite 205 endlich auch um das Attentat geht, bleibt die Darstellung ganz auf der offiziellen Linie, der zufolge die palästinensischen Attentäter politische Aktivisten, die deutschen Sicherheitskräfte inkompetent und die Israelis passiv gewesen seien. „Man muss wissen: Auch fünf Jahrzehnte später sind noch nicht alle amtlichen Unterlagen zur Einsichtnahme freigegeben.“ Und das stimmt, was logischerweise die nicht gestellte Frage impliziert: Wer will hier etwas verbergen und warum? Immerhin erhielt das Bundesamt für Verfassungsschutz 17 Hinweise auf einen bevorstehenden palästinensischen Terroranschlag während der Spiele, die keinerlei nennenswerte Reaktion bewirkten. Der nachrichtendienstliche Berater des Nationalen Olympischen Komitees, der BND-Agent Hans Langemann, avancierte trotz seines Totalversagens später zum faktischen Chef des Bayerischen Verfassungsschutzes.

Ignoriert wird auch, wie ziellos und unlogisch die palästinensischen Geiselnehmer agierten. Brauckmann und Schöllgen lassen offen, welche Rolle die israelischen Geheimdienste Mossad und Schin Bet sowie die Sondereinheit der israelischen Streitkräfte für verdeckte Operationen, Sayeret Matkal, gespielt haben. Sowohl der Mossad-Chef Tzwi Zamir als auch der Terrorismusexperte Victor Cohen vom Schin Bet und der Sayeret-Matkal-Kommandeur Moshe Betser weilten in München.


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