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Portrait

Olaf Scholz und der Ukrainekrieg

Daniel Brössler, Hauptstadtkorrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, sinniert über die Führungseigenschaften des deutschen Kanzlers

Dirk Klose
06.07.2024

Ein Buch über Olaf Scholz – hat das Sinn, wo doch täglich die Zeitungen über ihn berichten? Daniel Brössler, Hauptstadtkorrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, stellt die Politik des Kanzlers in der ständigen Reaktion auf den Ukrainekrieg vor. Er zeigt, dass das kriegsgeschüttelte Land mehr als andere wiewohl auch drängende Themen sein Handeln bestimmt.

Brössler geht auf die politischen Jugendjahre des jetzt 66 Jahre alten Scholz ein, der bei den Jusos als glühender Stamokap-Anhänger begann, über Stationen im Bundestag, als SPD-Generalsekretär, Erster Bürgermeister von Hamburg und Finanzminister im letzten Kabinett Merkel für viele unerwartet der SPD 2021 zum Wahlsieg verhalf, was ihm die Kanzlerschaft bescherte. Knapp drei Monate nach der Vereidigung am 8. Dezember 2021 hielt er seine viel zitierte „Zeitenwende“-Rede, in der er unter dem Eindruck des russischen Einmarschs in die Ukraine das Ende der europäischen Nachkriegsordnung konstatierte.

Seitdem sieht er den Westen in ständiger Konfrontation mit Putin. Brössler berichtet fast Monate genau über die dramatischen Ereignisse seitdem: ständige Abstimmungen in der Koalition und Kontroversen über Waffenlieferungen; dauernde Konsultationen besonders mit den USA und ein dabei entstandenes Vertrauensverhältnis zu US-Präsident Biden; Treffen mit Präsident Selenskyi, dramatische Tage mit dem Gespenst einer atomaren Apokalypse am Horizont; schließlich die unumgänglichen, endlos quälenden Finanzierungsfragen.

Immer wieder fragt Brössler dabei nach Scholz' Führungseigenschaften: nein, ein mitreißender Politiker sei er nicht, eher bedachtsam und abwägend, ein „Taktiker der Macht“ – offenbar Eigenschaften, mit denen er die brüchige Ampel zusammenhalten kann. Der Autor spricht vom „Ampel-Paradox“: Der Ukrainekrieg und seine wirtschaftlichen Folgen hätten sie unter permanenten Stress gesetzt und zugleich stabilisiert.

Es ist ein spannend zu lesendes Buch. Ein Einwand vielleicht, und zwar mit Blick auf die „Angst“ im Untertitel: So ganz kann man die Innenpolitik nicht ausklammern! Die Bevölkerung hat weniger Angst vor einem Krieg als vor vermeintlichen unmittelbaren Problemen wie Mi-gration, sozialer Verwerfung oder „Klimakatastrophe“. Wuchert Scholz mit seinen Pfunden zu wenig? Brössler sagt es so: „Erfolgreich ist Scholz nicht, weil die Leute ihn besonders mögen. Er ist es dann, wenn sie ihm besondere Fähigkeiten zutrauen.“

Daniel Brössler: Ein deutscher Kanzler. Olaf Scholz, der Krieg und die Angst“, Propyläen Verlag, Berlin 2024, gebunden, 330 Seiten, 25 Euro


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