Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Die traditionelle Veranstaltung der LO galt der aktuellen Situation der Minderheiten in der Woiwodschaft Ermland und Masuren
Der 15. Deutsch-Polnische Kommunalpolitische Kongress der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) stand unter dem Motto „Die Minderheiten der Woiwodschaft Ermland und Masuren im Spannungsfeld der Politik“. An der zweitätigen Veranstaltung, die vom 4. bis 5. Oktober in Allenstein stattfand, nahmen knapp 60 Personen teil. Die Vorträge wie auch die Diskussionen machten eines deutlich: Der Wunsch nach einer vertieften Zusammenarbeit ist auf beiden Seiten groß.
Bei der Begrüßung stellte LO-Sprecher Stephan Grigat fest, dass sich in den vergangenen Jahren die Lebensverhältnisse in Deutschland und Polen angeglichen haben, und dass man nun darüber reflektieren müsse, wie man sich als Gesellschaft angesichts von Pandemien und Kriegen positioniert. Als Gäste begrüßte er Jarosław Słoma, den Abgeordneten zum Sejmik und Vorsitzenden der Kommission für Minderheitenfragen, sowie Jacek Piuronek, Regierungsmitglied der Woiwodschaft Podlachien. Aus der Bundesrepublik waren Ulrich Mädge, Oberbürgermeister der Stadt Lüneburg a.D. und Vorsitzender des Stiftungsrates der Ostpreußischen Kulturstiftung (OKS), sowie der Vorstandsvorsitzende der OKS, Klaus-Ulrich Mika, der Einladung gefolgt.
Da Ulf Püstow, Bundesvorstand der LO und Kreisvertreter der Kreisgemeinschaft Treuburg, krankheitsbedingt ausfiel, übernahm Grigat kurzfristig die Moderation der Veranstaltung.
Bevor der Vortragsreigen begann, sprachen Słoma und Piuronek ihre Grußworte. Słoma dankte der LO für 40 Jahre Zusammenarbeit, warnte aber gleichzeitig davor, dass diese durch die russische Aggression bedroht sei. In Bezug auf das Veranstaltungsthema erklärte der Politiker, dass in Ermland und Masuren die deutsche und die ukrainische Minderheit die größten seien. Wohl auch deshalb, weil man in der Region offener gegenüber anderen sei, da es in der Geschichte Ostpreußens viele Einwanderer gegeben habe.
Piuronek zeigte sich beeindruckt von den Veranstaltungen der LO, etwa dem regelmäßig stattfindenden Sommerfest oder dem Kommunalpolitischen Kongress. Dass die Deutsche Minderheit aktiv ist, zeige sich nicht nur durch Tanzgruppen, sondern auch an neuen Führungskräften in den Kreisgemeinschaften.
Eine gespaltene Gesellschaft
Das Thema des ersten Vortrags lautete: „Zum Stand der deutsch-polnischen Beziehungen nach den Regierungswechseln in beiden Ländern“. Krzystof Gładkowski von der Ermländischen-Masurischen Universität spannte einen Bogen von dem ersten Treffen zwischen Helmut Kohl und Lech Wałesa 1989 bis in die Gegenwart. Auf der politischen Ebene folgte auf den 1990 geschlossenen Grenzvertrag 1991 der deutsch-polnische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit.
Seitdem ist viel Positives geschehen, sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher und kultureller Ebene. 5000 deutsche Unternehmen sind in Polen tätig und es hat sich eine intensive kulturelle Zusammenarbeit entwickelt. Dem stünden in den letzten Jahren jedoch konkurrierende politische Lager gegenüber, in Polen in erster Linie vertreten durch die nationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die durch Europaskepsis und Deutschfeindlichkeit hervortritt sowie die pro-europäische Bürgerplattform (PO).
In der Scholz-Ära sei es zur Stagnation in den Beziehungen gekommen. Olaf Scholz wurden dessen Kontakte zu Russland angekreidet, Berlin habe zu große Erwartungen an Warschau gehabt, die Ampelregierung habe vieles nicht mehr finanziert, da die Deutsche Minderheit schrumpft, und nicht zuletzt habe der Ukrainekrieg viele Mittel gebunden.
Doch auch jetzt zeigten sich Probleme. Sowohl Friedrich Merz als auch Donald Tusk stünden unter dem Druck rechter Parteien. Die PiS instrumentalisiere mit ihren Reparationsforderungen an Deutschland das Geschehen des Zweiten Weltkriegs. Weitere Streitthemen seien das Migrationsproblem, Grenzkontrollen oder der geplante Zentralflughafen als Konkurrenz zum BER. Dabei liege Hoffnung auf der Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen, da Merz gleiche Interessen habe und pragmatische Lösungen anstrebe. Im Bereich von Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft seien die Beziehungen gut.
Die tiefe Spaltung der polnischen Gesellschaft spiegelte sich in der heftigen Diskussion im Anschluss wider. Eine Teilnehmerin aus Osterode sah sich für innenpolitische Propaganda missbraucht. Auch Piuronek, welcher der PO angehört, und Słoma beanstandeten einige Formulierungen im Vortrag.
Der parteilose Professor entgegnete, dass er Tatsachen dargestellt und die polnische Presse zitiert habe. Die Diskussion belege aber, dass die deutsch-polnischen Beziehungen ein innenpolitisches Pro-blem in Polen geworden seien.
Lebendige Vorträge
„Menschen werden sich einig, wenn man die Politik davon fernhält“, lautet das Credo der jungen Germanistin Zuzanna Witkowska. Ihr Vortrag „Der deutsch-polnische Dialog in Ermland und Masuren von 1945 bis zur Gegenwart“ ist der Titel ihrer Magisterarbeit, für die sie zahlreiche Gespräche führte. Die Deutsche Minderheit half ihr, Kontakte in die Bundesrepublik zu knüpfen. Für ihre Arbeit hat sie sowohl Quellen aus deutscher als auch aus polnischer Sicht genutzt. Die Themen Umsiedlung und Vertreibung finden ebenso Berücksichtigung wie Musik und Literatur. Das Kant-Jahr 2024 spielt ebenfalls eine große Rolle. Gerade im südlichen Ostpreußen sei die Berücksichtigung historischer Begebenheiten wichtig für den Aufbau deutsch-polnischer Beziehungen, wozu die junge Frau aktiv beitragen möchte.
Im Anschluss referierten Wolfgang Freyberg, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Nordostdeutsches Kulturwerk, und Gabriela Blank vom Büro für Regionalpartnerschaften des Bezirks Mittelfranken, über „Die Gründung der deutschen Vereine/Gesellschaften in Ermland und Masuren nach 1989/90 und ihre Aktivitäten bis in die Gegenwart“. Sie zeigten Bilder vom zerstörten Allenstein 1945 sowie einen seltenen Filmausschnitt aus der polnischen Wochenschau. Die Szene spielt in Breslau. Sie lautet: „Die Deutschen verlassen ihre vorübergehenden Wohnorte“. Es sind Bilder einer düsteren Zeit: Orte werden umbenannt, sogenannte polnische Repatrianten anstelle der vertriebenen Deutschen angesiedelt. Auf Denkmälern werden Inschriften geändert, um den Eindruck zu erwecken, die Region sei schon immer polnisch gewesen. Deutsche dürfen ihre Sprache nicht sprechen und keine wichtigen Ämter bekleiden.
Erst mit dem Freundschaftsvertrag von 1991 ändert sich das Klima. Der Zugang zur Muttersprache ist möglich, Deutsche können sich organisieren. Vereine werden gegründet. Heute zählt der Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren 15 Vereine. Die beiden Referenten ließen einige Zeitzeugen in bewegenden Originalaufnahmen zu Wort kommen.
Roland Bilicki gab zum Abschluss des ersten Konferenztags einen Überblick über „Die Minderheit der Roma in Allenstein und der Region“. Die Zusammenarbeit mit Politikern stellte er als gut dar, es gebe viel Unterstützung, sodass man positiv in die Zukunft blicke. Seine Familie ist zum Teil aus Rumänien ins südliche Ostpreußen eingewandert, seine Oma war Deutsche. Bilicki erzählte, wie sein Vater in den 1960er Jahren dazu beigetragen hat, die Roma in Polen sesshaft zu machen. Er sorgte dafür, dass sie Lesen und Schreiben lernten. Als Patentinhaber zum Verzinnen von Kesseln gründete er eine Kesselgenossenschaft, die den Mitgliedern ein gutes Einkommen sicherte. Heute arbeiten Sinti und Roma im südlichen Ostpreußen als Busfahrer und Postboten, oder sie sind Musiker und Sportler.
Iga Nowicz begann den zweiten Veranstaltungstag mit einem Vortrag über das „Dokumentations- und Ausstellungszen-trum der Deutschen in Polen“ in Oppeln, in dem sie seit einem Jahr als Kulturmanagerin des ifa-Instituts für Auslandsbeziehungen tätig ist. Sie hilft bei der Dokumentation und der Archivierung. Das Zentrum verfügt über eine Bibliothek, ein Museum mit mehreren Ausstellungen. Mit Zeitzeugenberichten soll Geschichte zugleich lebendig gemacht werden. Die Einrichtung hat es sich zur Aufgabe gemacht, Generationen zusammenzubringen. So werden neben Filmvorführungen verschiedene Arbeitsgruppen angeboten.
Angst vor Russland
Bevor der nächste Vortrag folgte, meldete sich Sławomir Ambrozius mit einem dringenden Appell an die Versammelten. Er ist Bürgermeister von Gedwangen [Jedwabno] und sorgt sich als solcher vor einem russischen Angriff. Die russische Militärübung „Sapad 25“ habe nur 20 Kilometer vor der Grenze Allensteins stattgefunden. Er glaubt fest daran, dass Russland Polen auf dem Schirm habe und rief zum Zusammenhalt und gemeinsamen Handeln auf.
Zum Abschluss berichtete Kornelia Kurowska über die Stiftung „Borussia“, eine Kulturgemeinschaft in Allenstein, die sich nach der „Wende“ gebildet hat. Es handelt sich um eine Initiative polnischer Neubürger, die gemeinsam die Geschichte der Region erfassten. Inzwischen hat die Borussia partnerschaftliche Beziehungen zu Organisationen in der Bundesrepublik, in Weißrussland und Litauen. Zu ihren Verdiensten gehört es, neben der interkulturellen Bildung junger Menschen für den Erhalt und die Restaurierung des baufälligen Mendelsohn-Hauses vor dem jüdischen Friedhof gesorgt zu haben. Mit zahlreichen Nachfragen bekundeten die Kongressteilnehmer ihr Interesse an der Arbeit des Vereins.
Zeit für angeregte Gespräche gab es in den Kaffeepausen. Vor dem Konferenzsaal präsentierte das Kulturzentrum Ostpreußen eine interessante Ausstellung über „Bismarcktürme in Ostpreußen“.
Die Veranstaltung wurde mit WZVO-Mitteln der Stiftung Nordostdeutsches Kulturwerk, Lüneburg, für die Stiftung Ostpreußen gefördert