12.12.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

THORIUM-FLÜSSIGSALZREAKTOREN Kernreaktoren, in denen der Kernbrennstoff in Form geschmolzenen Salzes vorliegt, bieten eine Fülle von Vorteilen. In China wird in nächster Zukunft eine Versuchsanlage in Betrieb gehen

„Perfekte Technologie“

Der Ausgangsstoff ist billig und weltweit vorhanden, nicht einmal Kühlwasser wird benötigt und der Müll wird weniger und verfällt viel schneller als herkömmlicher Atommüll: Die Thorium-Technologie steht für eine neue Qualität der Nutzung der Kernenergie

Wolfgang Kaufmann
23.01.2022

Im Hongshagang-Industriepark bei Wuwei in der zentralchinesischen Provinz Gansu wird in nächster Zukunft eine Versuchsanlage in Betrieb gehen, die das Potential besitzt, nicht nur die Energieerzeugung im Reich der Mitte, sondern in der ganzen Welt zu revolutionieren. Keine Kohlendioxidemissionen mehr infolge der Nutzung fossiler Brennstoffe, keine Landschaftsverschandelung durch Windräder, kein massenhafter Einsatz von Akkus aus umweltschädlicher Produktion, keine Stromausfälle bei Windstille und Bewölkung, aber auch kein Strahlungsrisiko aufgrund von Reaktorhavarien, alles das verspricht der innovative Thorium-based Molten Salt Reactor-Liquid Fuel No. 1 (TMSR-LF1) des Shanghai Institute of Applied Physics, der für eine neue Qualität der Nutzung der Kernenergie steht und dieser quasi einen „grünen Anstrich“ geben soll.

Die Funktionsweise des Thorium-Flüssigsalzreaktors TMSR-LF1 ist relativ einfach. Das schwach radioaktive Element Thorium wird in Flüssigsalz aufgelöst und mit Neutronen beschossen. Dadurch entsteht das Isotop Uran 233, dessen Spaltung große Wärmemengen freisetzt. Der Reaktor produziert also seinen Brennstoff selbst. Dieses Verfahren bringt letztlich sehr viel mehr Sicherheit als der Betrieb klassischer Kernreaktoren (siehe unten) und darüber hinaus auch noch eine Vielzahl weiterer Vorteile.

Sechs Vorteile

Zum Ersten werden nur äußerst geringe Mengen an Thorium 232 benötigt. Denn der Energiegehalt einer Tonne Thorium entspricht der von 200 Tonnen Uran-Metall oder 28 Millionen Tonnen Kohle, wie der italienische Physik-Nobelpreisträger Carlo Rubbia errechnete.

Zum Zweiten gibt es überall auf der Welt größere Thorium-Vorkommen. Im Prinzip kommt das Element in der Gesteinskruste ähnlich häufig vor wie Blei und fällt zudem als Abfallprodukt bei der Förderung von Seltenen Erden an. Deshalb ist es auch nicht teuer. Dahingegen drohen perspektivisch Verknappungen und Preisexplosionen beim Uran, weil die Zahl der konventionellen Kernkraftwerke neuerdings wieder deutlich zunimmt.

Zum Dritten kann ein Thorium-Flüssigsalzreaktor praktisch überall errichtet werden, also beispielsweise auch in Wüstenregionen. Denn er benötigt keinerlei Kühlwasser.

Zum Vierten entstehen bei seinem Betrieb auch deutlich weniger radioaktive Abfälle. Außerdem sollen über 99 Prozent des Atommülls aus dem TMSR-LF1 nach spätestens 300 Jahren in harmlose Isotope zerfallen sein. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, die geringen Restmengen an länger strahlendem Material später in fortgeschritteneren Flüssigsalzreaktoren zu verarbeiten und damit gänzlich zu neutralisieren. Zum Vergleich: In mit Uran betriebenen konventionellen Atommeilern fallen langlebige radioaktive Spaltprodukte mit Halbwertszeiten von vielen tausend Jahren an, obwohl nur ein kleiner Bruchteil des verwendeten Kernbrennstoffs genutzt wird.

Zum Fünften liegen die Kosten für den Bau und Betrieb von Thorium-Flüssigsalzreaktoren niedriger als bei den sonst zumeist verwendeten Leichtwasser-Reaktoren. Das resultiert vor allen aus dem geringen Betriebsdruck der Anlagen, der zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen überflüssig macht, sowie der Tatsache, dass keine Brennstäbe beschafft werden müssen.

Zum Sechsten lassen sich Reaktoren wie der TMSR-LF1 auch deshalb ausgesprochen wirtschaftlich betreiben, weil in ihnen nicht nur Uran 233 erbrütet wird, sondern zusätzlich noch viele andere radioaktive Spaltprodukte entstehen, die zum Beispiel in der Nuklearmedizin benötigt werden. Und manche der Radionuklide verwandeln sich sogar in ausgesprochen begehrte Elemente wie Rubidium, Zirconium, Molybdän, Ruthenium, Palladium, Neodym und Samarium. Desgleichen wird das Edelgas Xenon frei, das unter anderem als Isolationsmedium sowie in der Laser- und Raumfahrttechnik zum Einsatz kommt.

Der Krieg ist aller Dinge Vater

Erfunden wurde die dem TMSR-LF1 zugrunde liegende Technologie nicht in China, sondern in den USA. Dort experimentierten die Luftstreitkräfte bereits ab 1954 mit einem kleinen Flüssigsalzreaktor, der zum Antrieb von Langstreckenbombern dienen sollte. Das Projekt fand jedoch ein rapides Ende, als die Vereinigten Staaten über Interkontinentalraketen verfügten. Ebenso legten bundesdeutsche Wissenschaftler aus der Kernforschungsanlage Jülich zu Beginn der 1970er Jahre einige Studien über Flüssigsalzreaktoren vor, die letztlich wegen der ablehnenden Haltung des damaligen Leiters der Reaktorentwicklung, Rudolf Schulten, keine Beachtung fanden.

Ein weiterer Grund für die fehlende Akzeptanz des alternativen Reaktortyps war das absolute Desinteresse der Nu-klearindustrie rund um die Welt. Mit den klassischen Atommeilern ließ sich hervorragend Geld verdienen, und auf die Einnahmen aus der Herstellung von Brennstäben wollte auch niemand verzichten. Deshalb wurden allerlei vorgeschobene Argumente gegen den Einsatz von Flüssigsalzreaktoren ins Spiel gebracht, wie beispielsweise das angeblich höhere Korrosionsrisiko und die hypothetische Gefahr, dass jemand die Meiler missbraucht, um waffenfähiges Spaltmaterial zu produzieren.

Dies hat die Volksrepublik China nicht davon abgehalten, seit 2011 umgerechnet 400 Millionen Euro in die Entwicklung des TMSR-LF1 zu investieren. Schließlich verfolgt die Pekinger Führung das ehrgeizige Ziel, das Reich der Mitte bis 2050 „klimaneutral“ zu machen, und dabei könnte sich die „perfekte Technologie“ der Flüssigsalzreaktoren als absolut unverzichtbar erweisen.

Der Reaktor, der nun am Rande der Wüste Gobi erprobt werden soll, hat erst einmal nur eine Nennleistung von zwei Megawatt. Damit kann er lediglich um die 1000 Haushalte mit Strom versorgen. Sollte sich das Konstruktionsprinzip des TMSR-LF1 bewähren, dann würde allerdings bis etwa 2030 der erste Prototyp eines Thorium-Flüssigsalzreaktors mit 373 Megawatt Leistung in Betrieb gehen, dem dann in schneller Folge identische Anlagen in ganz China folgen. Ob Deutschland zu diesem Zeitpunkt immer noch in seiner Atomkraft-Abstinenz verharrt oder inzwischen auch auf die „Grüne Kernenergie“ setzt, bleibt abzuwarten.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

sitra achra am 29.01.22, 12:26 Uhr

Auch wenn der Atomstrom die bessere Lösung sein sollte, müssen wir uns unbedingt von der weltweiten Energieverschwendung bei stets wachsender Weltbevölkerung befreien. Leider ist das Bewußtsein dafür noch nicht in dem dafür notwendigen Maß vorhanden. Es wird aber langsam Zeit, dass dies im Geschwindschritt vollzogen wird!

Ralf Pöhling am 28.01.22, 22:47 Uhr

Warum machen die Chinesen das und nicht wir? Vor nicht einmal 50 Jahren wären wir in diesem Bereich weltweit Marktführer gewesen.

Pieter Bogaers am 26.01.22, 01:11 Uhr

Sehr gut geschriebener Artikel über die Möglichkeiten dieser grünen Kernenergie. Hoffentlich hilft es Deutschland, aus der Klemme herauszukommen, in der es sich gerade befindet. MSR bieten meiner Meinung nach die perfekte Möglichkeit, CO2-freundlich Energie zu erzeugen. Dass es funktionieren kann, haben die Amerikaner bereits bewiesen. Schade, wenn China zum Experten wird und wir in Europa dort einkaufen müssen.

Chris Benthe am 25.01.22, 11:14 Uhr

Danke für den Artikel. Sehr interessante Perspektive. Das ist ermutigend. Wenn schon Deutschland diesbezüglich keine technischen Innovationen mehr zuwege bringt, dann eben auf diese Weise. Am Ende wird es hoffentlich ein Geschenk an die Welt sein. Ist mir recht.

Waffenstudent Franz am 24.01.22, 11:09 Uhr

Grundlagenforschung, Nein Danke!

Ein Detektorradio ist eine Maschine, die mit Energie aus der "Luft" arbeitete.

Seine Geburtsstunde hat der Detektor in den 1920er-Jahren. Als der Rundfunk noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es damit zum ersten Mal die Möglichkeit, auch zu Hause einem Unterhaltungsprogramm zu lauschen. Auch ist der Detektor günstig und hat den Vorteil, dass er ohne Strom funktioniert.

Aber daran zu forschen, das ist unwürdig.

Dann gab es bis zu seiner Vernichtung durch die Royal Airforce, anno 1943, einen "Cooler Converter". Auch diese Wundermaschine versorgte nach dem Prinzip des Detektorradios mehrere Häuser im Raum Stralsund erfolgreich mit Elektrizität.

Schließlich entwickelte Professor Turtur ebenfalls ein Maschinchen, das mit kostenloser Raumenergie arbeitet.

Aber Genderforschung ist wichtiger!

Siegfried Hermann am 23.01.22, 10:20 Uhr

Richtig. Das hatten wir in Deutschland schon! Genauer in Hamm-Uentrop. Das Ding ging nie in Betrieb, angeblich wegen Tschernobyl. Tatsächlich waren die Politiker zu feige, zu zugeben, das sie da ein MRD-Grab geschaufelt hatten, das systemisch nicht funktioniert! (link Holger Strohm)
Richtig ist auch, das nicht 300 Jahre, sondern 500 Jahre das Zeugs strahlt und vermindert weiter strahlt. Für alle die nicht rechnen können. Da müsst ihr bis Kolumbus zurück gehen. Ob man sich in 500 Jahre noch an den Strahlenschrott erinnert???
Theor. gibts kein GAU. Theor.
Praktisch wurde das noch nicht nachgewiesen!
Wüste.
Ok. Sollen die in Mekka das mal machen...
Und einen Harken hat die Sache doch! Man kann kein waffenfähiges Uran damit herstellen. Wer will in Zukunft, wo selbst die Perser und Mohamedaner darauf nicht verzichten wollen, koste es was es wolle, nur an Rand dabei sein und erpresst werden, statt mittendrin das Zepter schwingen???
Nebenbei:
Keine Akkus.??? Hat wohl Kobold-Lena phantasiert! Demnächst waren dann die E-Autos über die Oberleitung, gelle!? Quasi an der grün-bunt-faschistischen langen Leine.

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS