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Fatale Treueschwüre auf Wallenstein – Das Deutsche Historische Museum Berlin erwirbt Dokumente aus dem Dreißigjährigen Krieg
Vor welchen bedeutenden Dokumenten man zukünftig steht, werden Betrachter im Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin sicher erst erkennen, wenn sie sich näher mit dem Dreißigjährigen Krieg und dem Leben des Feldherrn Albrecht von Wallenstein (1583–1634) befassen. Nach Restaurierung der Objekte schaut man auf mehrere knapp 400 Jahre alte Schriftstücke, von denen der Inhalt des ersten zu seiner Zeit den sicheren Tod bedeutete. Das Berliner Haus erwarb im Oktober 2024 Urkunden mit Originalhandschriften aus der Zeit des machtpolitischen Glaubenskrieges, die sogenannten Pilsener Reverse.
Wallenstein entstammte niederem protestantisch-böhmischen Adel und trat früh, was sehr ungewöhnlich war damals, zum Katholizismus über. Durch Heirat mit der vermögenden Witwe Lukretia von Witschkow wurde er 1609 zum Großgrundbesitzer in Mähren. Als es 1618 zum „Prager Fenstersturz“ kam, somit dem Auslöser für den 30 Jahre währenden Glaubenskrieg, stellte sich Wallenstein sofort auf die Seite der katholischen Habsburger. Im weiteren Verlauf des Krieges machte er dem oft in Finanznöten steckenden Kaiser Ferdinand II. 1623/24 das Angebot, eine ganze Armee aufzustellen, die er auf eigene Kosten finanzieren würde. Er verlangte in allen Gebieten, in denen seine Armee stand, eine hohe Kriegssteuer, mit der er seine Männer bezahlte.
Unter dem Motto, „Der Krieg ernährt den Krieg“ blieb den Menschen in den jeweiligen Territorien kaum etwas zum Leben übrig. Der Ruhm des Generalissimus bröckelte, als er sich mit dem Kaiser überwarf und später zu eigenmächtig in puncto Friedensverhandlungen wurde. Wallenstein drohte mit Rücktritt, was den Kaiser nicht schreckte, da er seinen Sohn als Oberbefehlshaber einsetzen wollte, Wallensteins Generäle und Obristen jedoch in Schrecken versetzte. Diese waren von seiner Armeefinanzierung abhängig. Zu viel hatten sie investiert und sehr viel erwarteten sie als Kriegsbeute.
So kam es zum ersten wichtigen Dokument, in dem sie dem Feldherrn schworen, ihm treu zu bleiben und sich auf keine Weise von ihm trennen zu lassen. Vermutlich hat Friedrich Schiller diese Dokumente niemals zu Gesicht bekommen, dennoch spielte das erste Pilsener Revers (auch: Pilsener Schluss genannt) vom 12. Januar 1634 in seiner Wallenstein gewidmeten Dramentrilogie eine bedeutende Rolle. Der Begriff Revers bezeichnet eine schriftliche Erklärung, sich zu etwas zu verpflichten. Der Dichter nannte diese somit in seiner Trilogie „Verschreibung“. Und genau das war das erste Pilsener Revers auch: eine Urkunde, vermutlich aufgesetzt von Feldmarschall Christian Freiherr von Ilow (1585–1634), weil sein Siegel dieses erste Revers ziert, mit Treueschwur und Ergebenheitsadresse (Loyalitätsbekundung) an Wallenstein, unterzeichnet in Pilsen am Abend des 12. Januar 1634 von 47 kaiserlichen Regimentsinhabern und Offizieren.
Keplers zutreffende Vorhersage
Damit Wallensteins Truppen vom ersten Pilsener Schluss in Kenntnis gesetzt werden konnten, wurde es fünfmal angefertigt. Dieses Schriftstück ging als Auslöser für die Ermordung Wallensteins in die Geschichte ein. Der Kaiser verhängte die Reichsacht über seinen General, womit jeder ihn straflos töten konnte.
Das zweite, nun kaisertreue Revers am 20. Februar 1634 aufgesetzt mit 32 Unterschriften, nützte niemandem mehr etwas. Wallenstein floh daraufhin nach Eger, wo sein Leben ein gewaltsames Ende fand. Auch viele der Unterzeichner verloren ihr Leben durch Hinrichtung wegen Hochverrats. Der Kaiser ließ nach den Urkunden fahnden, jedoch fand man sie nicht. Möglicherweise sind sie vernichtet worden. Einer der Unterzeichner war Feldherr Hans Ulrich von Schaffgotsch, der später wegen seiner Unterstützung Wallensteins in Regensburg hingerichtet wurde. Er brachte das fünfte Exemplar des ersten Revers zu den schlesischen Truppen und schaffte es schließlich die beiden Pilsener Reverse im Adelssitz seiner Familie im niederschlesischen Warmbrunn [Cieplice Śląskie-Zdrój] zu verstecken, wo diese, zusammen mit dem Protokoll, der sogenannten Vota, zum zweiten Pilsener Revers ab Mitte des 19. Jahrhunderts in der Schaffgotschen Majoratsbibliothek aufbewahrt wurden.
Wie Millionen andere Menschen musste auch die Grafenfamilie vor der Roten Armee 1945 Richtung Westen fliehen. Eine Quelle sagt, dass sie die Dokumente in den Kriegswirren zurückließen, eine andere behauptet, sie hätten sie, zusammen mit anderen wichtigen Papieren des Hausarchivs, mitgenommen. Somit ist der zwischenzeitliche Verbleib unklar, jedoch konnte die Familie die so bedeutenden Originalhandschriften Mitte der 1980er Jahre einem West-Berliner Antiquar anbieten. Von einem Kölner Auktionshaus erwarb das DHM diese dann Ende des vergangenen Jahres.
„Wir sind unserem Museumsverein zu großem Dank verpflichtet, dass wir diese herausragenden Schriftstücke von nationaler Bedeutung gemeinsam für die Sammlung des DHM ankaufen konnten. Dies ermöglicht uns auch, die dringend notwendige Restaurierung dieser einzigartigen Urkunden durchzuführen, um sie unserem Publikum in bestmöglichem Zustand präsentieren zu können“, sagt Raphael Gross, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum. Dank der großzügigen Unterstützung des Museumsvereins konnten diese einzigartigen Originale erworben werden.
Erstmals werden die Schriftstücke als nationales Kulturgut von einer öffentlichen Institution verwahrt. Ob man damals oder heute an die Voraussagen von Astrologen glaubt, sei dahingestellt. Jedenfalls ließ sich Wallenstein von dem Astronomen, Astrologen, Physiker und Mathematiker Johannes Kepler (1571–1630) Horoskope erstellen. Kepler sagte dem Machtmenschen eine große Karriere voraus und warnte darin eindringlich vor dem Jahr 1634. Am 16. Februar 1634 wurde Wallenstein von kaisertreuen Offizieren in Eger ermordet.