21.10.2025

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Böser Trend

Polnische Sittenwächter gehen auf Patrouille

Was eher als Spaß im Internet begann, wird nun zunehmend zur psychischen Gewalt gegen junge Frauen

Hagen Ritter
20.10.2025

Ursprünglich wohl als Witz gedacht, eskaliert in Polen eine Form von Cybermobbing, die wie eine moderne Variante der islamischen „Belehrungsstreifen“ im Iran daherkommt. Seit dem Sommer verbreiten sich in den sozialen Netzwerken Videos, die Gruppen junger Männer zeigen, die auf Straßen oder in Einkaufszentren gezielt junge Frauen und Mädchen bloßstellen, die aus ihrer Sicht zu freizügig und provokativ gekleidet sind. Finden die Männergruppen eine junge Frau, die ihnen nicht „sittsam“ genug vorkommt, sprechen sie diese an und fordern sie dazu auf, „mehr Respekt“ zu zeigen.

Die Videos der Konfrontationen werden anschließend auf Plattformen wie TikTok oder Instagram mit beleidigenden Kommentaren veröffentlicht. Bei ihren Aktionen tragen die zumeist minderjährigen jungen Männer gelbe Warnwesten mit der Aufschrift „Szon Patrol“, zu Deutsch ungefähr „Huren-Patrouille“ oder „Schlampen–Streife“. Mittlerweile wurden bereits mehr als 12.000 Videos von „Szon Patrols“ online gestellt. Begonnen hat die Entwicklung laut polnischen Medienberichten während der Sommerferien, als einige polnische Schüler auf der Plattform TikTok die nach ihrer Ansicht unpassende Kleidung von Mitschülerinnen kommentierten. Diese Aktion fand unter älteren Jugendlichen schnell Nachahmer, eskalierte und breitete sich auch auf Instagram und Facebook aus.

Polens Beauftragter für Kinderrechte, Mikołaj Pawlak, hat die Plattformen Meta und TikTok inzwischen aufgefordert, den unsäglichen Trend des „Szon Patrol“ einzudämmen: „Das ist eine reale Form von psychischer Gewalt, die – wie Experten warnen – zu tiefgehender Stigmatisierung und langfristigen emotionalen Problemen führen kann.“

Polnische Medien haben tatsächlich bereits über Fälle berichtet, bei denen Mädchen plötzlich an einer Schulphobie leiden oder sogar Angst bekommen, das Haus zu verlassen. Kinga Szostko, Gründerin der App „KidsAlert“, berichtete im polnischen Radiosender Tok FM, viele Opfer der „Szon Patrols“ hätten sich nach den Sommerferien nicht mehr zur Schule getraut.

Der Psychologe Konrad Ciesiolkiewicz betont in einem Beitrag für das Nachrichtenportal „Interia.pl“: „Das ist nichts anderes als reine Gewalt unter Gleichaltrigen – psychische und sexuelle Gewalt. Mädchen, die dieser Form der Gewalt ausgesetzt sind, können mit ihren psychischen und sozialen Folgen viele Jahre lang zu kämpfen haben.“ Juristisch ist den „Szon Patrols“ offenbar nur schwer beizukommen. Bei den selbst ernannten Sittenwächtern handelt es sich zumeist um Minderjährige. In Polen gelten Jugendliche erst ab 17 Jahren als strafmündig, allerdings können die Eltern haftbar gemacht werden.

Als Reaktion auf die „Szon Patrols“ haben drei polnische Journalistinnen das Video einer originellen Aktion veröffentlicht. Gezeigt werden die drei Frauen, wie sie durch die Straßen Warschaus gehen und Passanten Rosen überreichen. Statt der Aufschrift „Szon Patrol“ tragen die Warnwesten der Frauen die Aufschrift „Schön Patrol“ – inklusive des deutschen Umlauts.


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