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Pommern lebt, solange wir es wollen

Zum 75-jährigen Bestehen der Pommerschen Landsmannschaft

Wolfgang Müller-Michaelis
15.05.2023

Im Geleitwort zur Gedenkschrift „20 Jahre Pommersche Landsmannschaft“ von 1968 würdigte der damalige Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen Herbert Wehner die Pommern und übrigen Heimatvertriebenen dafür, dass sie mit ihrer Leistung und ihrem Aufbauwillen die deutsche Nachkriegsgeschichte entscheidend mitgeformt und dadurch die Möglichkeit offen gehalten hätten, „dass auch dem deutschen Volk das Recht auf Selbstbestimmung wird gewährt werden müssen“.

Weitere 20 Jahre später, im September 1988, wurde dieser Hoffnung auf Selbstbestimmung und Wiedervereinigung anlässlich der Eröffnung des Pommernzentrums in Lübeck-Travemünde durch Bundespräsident Richard von Weizsäcker erneut Ausdruck verliehen, nicht ahnend, dass dieser in die weitere Zukunft projizierten Erwartung schon ein Jahr später durch ein gütiges Schicksal, dem Fall der Berliner Mauer, wenn auch nur in Bezug auf den Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik, entsprochen wurde.

Engagement für die Heimat
Auch wenn auf diesem Wege nur unser Vorpommern in den freien deutschen Staatsverbund wieder eingegliedert wurde, blieb das viermal so große und geschichtsträchtige Hinterpommern zwar bei Polen, kam aber wenige Jahre später durch den Eintritt unserer östlichen Nachbarn in das freie Europa unter das uns schließlich doch vereinende Dach der Europäischen Union. Immerhin hat die damalige Bundesregierung durch ihren zuständigen Minister schon 20 Jahre nach Gründung der PLM anerkannt, dass wir mit der landsmannschaftlichen Arbeit auf dem richtigen Wege waren, an dem mehrere Generationen verdienter Landsleute im Verlauf von 75 Jahren mitgewirkt haben.

Schon drei Jahre nach Kriegsende, am 19. Mai 1948, kamen in Lippstadt in Westfalen Oskar Eggert, Wilhelm Hoffmann, von Kleist-Retzow, Ulrich Schreiber und Walter Stubbe zu einer Initialsitzung zusammen, um die Gründung der PLM auf den Weg zu bringen. Erster Sprecher wurde Staatssekretär a.D. Herbert von Bismarck, dem vier Jahre später Eggert folgte. Von Stund an entfaltete sich mit der PLM kaskadenförmig eine der größten gemeinnützigen Organisationen auf deutschem Boden, die praktisch an jedem Ort vertreten war, sämtliche Lebensbereiche abdeckte und ein Dutzend Vereinigungen mit jeweils eigenem organisatorischen Unterbau umfasste.

Unter der obersten legislativen Institution der Pommerschen Abgeordnetenversammlung mit ihrem charismatischen Präsidenten Hans-Edgar Jahn, der zugleich PR-Berater von Bundeskanzler Konrad Adenauer war, rangierte der Bundesvorstand, dessen bedeutendster Sprecher in der Nachfolge von Eggert 1975 bis 1990 Philipp von Bismarck, Bundestags- und Europaabgeordneter, war.

Die dauerhafte politische Stabilität der PLM zu dessen Amtszeit war in ihrer dualen Organisationsstruktur begründet, wobei das Hauptgerüst der Mitgliedschaft die Landesgruppen bildeten, die durch die Vereinigung der 27 hinterpommerschen Heimatkreise, der drei geteilten Kreise Vorpommerns und des Heimatkreises der Landeshauptstadt Stettin ergänzt wurden, die im Pommerschen Kreis- und Städtetag zusammengefasst sind unter der engagierten Führung zunächst von Franz Schwenkler und anschließend bis heute und so Gott will auch in Zukunft von Präsidentin Margrit Schlegel.

Es ist unmöglich, hier alle Persönlichkeiten aufzuzählen, denen die PLM über die Jahrzehnte hinweg ihren Erfolg und ihre Ausstrahlung auf das politische Geschehen in Deutschland verdankt. Aber einige sollen doch genannt werden, wie die beiden Schatzmeister Schröder senior und junior von den Anfängen bis in die 2000er Jahre; Carl Wiggert, der langjährige Vorsitzende des Pommerschen Zentralverbandes, dem die Führung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Landsmannschaft, wie der Herausgabe der Pommerschen Zeitung, oblag. Ihm folgte ich 1980 während der Bauphase des Pommernzentrums nach, dessen Grundstück oberhalb des Skandinavienkais in Travemünde ich von der Neuen Heimat erwarb, indem ich das legendäre Pommernhaus in der Hamburger Johnsallee verkaufte.

Der Lübecker Kaufmann Friedrich Karl Lüder, der nie ein Amt in unserer Organisation bekleidete, sich aber als stiller Mäzen große Verdienste um die Landsmannschaft erwarb, darf nicht vergessen werden. Während der gesamten Bauzeit des Pommernzentrums mit der Ostsee Akademie von 1982 bis 1988 stellte er dem Bundesvorstand für Sitzungen seine Geschäftsräume in Lübeck zur Verfügung, er förderte maßgeblich den Bau der Versöhnungskirche und war Sponsor jenes originalen pommerschen Bauernhauses, das wir 1976 in seine Teile zerlegt als Gastgeschenk zum Gedenken an die frühen pommerschen Siedler für das Freiluftmuseum „Old World Wisconsin“ zur 200-Jahr-Feier in die USA brachten.

Der Delegation gehörten neben unserem Patenschaftsträger Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg, Prinz Louis Ferdinand von Preußen und Sponsor Lüder, Pommernsprecher Philipp von Bismarck und ich als sein Stellvertreter und PR-Chef der Landsmannschaft an.

Kontakte zu Pommern weltweit
So wie die Landsmannschaft bis heute bestehende Verbindungen zu den nach Nordamerika ausgewanderten Pommern geknüpft hat, ist es schon sehr früh über unseren Pommerndichter und Kulturpreisträger Klaus Granzow gelungen, zu den Pomeranos in Brasilien Kontakte aufzubauen, wo unsere alten Gebräuche und Lebensgewohnheiten bis hin zum pommerschen Platt stärker gepflegt werden als bei uns, den in Deutschland lebenden Pommern selbst.

Die innere Kraft der PLM, die es ihr über Jahrzehnte hinweg ermöglichte, auf moderate Weise ihre Ziele zu verfolgen und als Alleinstellungsmerkmal unter den Vertriebenenorganisationen eine eigene Gedenkstätte mit Kirche und Akademie zu errichten, kam nicht von ungefähr. Die Pommern hatten früh damit begonnen, Jugendorganisationen aufzubauen, so die Pommernjugend in der Deutschen Jugend des Ostens (DJO) und den Arbeitskreis pommerscher Studierender, später SAP. Auch ich bin als SAP-Vorsitzender zur PLM gekommen und wurde 1965 28-jährig von Eggert als jüngstes Mitglied in den Bundesvorstand berufen.

Die Liste der ehemaligen pommerschen Studenten ist lang, die später in Führungspositionen in der Landsmannschaft berufen wurden, wie Erhard W. Appelius, Manfred Gallwitz, Manfred Vollack, Günter Cnotka, Joachim Peters, Dieter Radau, Ingrid Saenger, Hajo Zühlke, Ortwin Leitzke sowie die Gründer des Hauses Stettin in Lübeck Ingeborg und Horst Jeschke. Klaus Moerler, Johannes Neumann und Guntram Kuse sind über die Pommernjugend zur Landsmannschaft gestoßen.

Dieser ständige Zufluss an Führungspersonal aus dem akademischen Raum kam den Intentionen Philipp von Bismarcks entgegen, die Landsmannschaft zu einem geistigen Keilriemen zu machen, mit dem er im Sinne unserer pommerschen Zielvorstellungen auf die Politik Einfluss zu nehmen gedachte. Ein Ergebnis dieses geistigen Aufbruchs war das Pommersche Manifest vom 26. Mai 1973.

Die unserem Manifest zugrunde liegende Idee, das kulturhistorische Erbe Pommerns auch unter veränderten politischen Rahmenbedingungen zu bewahren und mit der nach der Wende in Polen möglich gewordenen europäischen Einigung zu verbinden, stieß nicht überall auf Gegenliebe. Nachdem von Bismarck und ich 1990 aus den Führungsgremien der Landsmannschaft ausgeschieden waren, kamen bei den Pommern zunehmend Kräfte zum Zuge, die der Verzahnung unseres pommerschen Anliegens mit der europäischen Einigungsbewegung zunächst Widerstand entgegensetzten, später sogar bekämpften.

Meine kurzzeitige Rückkehr an die Spitze der Landsmannschaft am Beginn der 2000er Jahre konnte diesem Zug zu einer zeitweiligen politischen Radikalisierung leider nicht aufhalten, der symbolhaft auch in Angriffen auf unseren Festredner beim Pommerntreffen 2000 in Greifswald, den sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, ausartete, indem er von Mitgliedern einer Landesgruppe auf Demonstrationsschildern als Volksverräter tituliert worden war.

Dank an die Aktiven
Diese Entwicklung ist glücklicherweise Geschichte, auch wenn sie der pommerschen Sache einen hohen Preis gekostet hat. Umso mehr zolle ich Respekt und Anerkennung unseren beiden langjährigen Bundesvorsitzenden Margrit Schlegel und Adalbert Raasch, die unermüdlich und mit pommerscher Geduld und unterstützt durch unzählige treue Helfer daran arbeiten, der Mission der Pommern auch in turbulenten Zeiten weiterhin Gehör zu verschaffen. Ihr beispielgebendes Engagement erinnert mich an das Motto, unter das ich meine Reden vor den Landsleuten vor 50 Jahren stellte: „Pommern lebt, solange wir es wollen.“

Prof. Dr. Wolfgang Müller-Michaelis ist ehemaliger Vorsitzender des Pommerschen Zentralverbandes und Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft. Die Festveranstaltung zum Jubiläum findet am 19. Mai um 11 Uhr in der Versöhnungskirche in Lübeck-Travemünde und anschließend im Restaurant „Vineta“ statt.


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Kommentare

Wolfgang Müller-Michaelis am 17.05.23, 10:01 Uhr

Allen Teilnehmern des Jubiläumstreffens der Pommern in Travemünde herzliche Grüße vom ehemaligen Sprecher

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