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Seefahrt und Dankbarkeit

Pommersche „Kirchenschiffe“

„Vergissmeinnicht“ – Die „gedeckte Korvette“ seit 210 Jahren in der Swinemünder Christuskirche

Erwin Rosenthal
25.02.2024

Am 3. Juni 1765 hatte der preußische König Friedrich II. Swinemünde das Stadtrecht verliehen. Im Unterschied zu den meisten jahrhundertealten pommerschen Städten zierten die neue Stadt jedoch weder Stadtmauern noch Türme oder Zinnen. Selbst eine Kirche fehlte.

Als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit dem Ausbau des Hafens an der Swinemündung ein ständig wachsendes neues Gemeinwesen entstand, war der Bau einer angemessenen Stätte für den Gottesdienst eine zwingende Notwendigkeit geworden. Aber erst drei Jahrzehnte nach der Stadtgründung wurde am Kleinen Markt die erste Swinemünder Kirche geweiht. Die finanzielle Grundlage hierfür bildete ein Königliches Gnadengeschenk von 12.800 Talern.

Eingeweiht wurde das Gotteshaus am 6. September 1772. Es war ein schmuckloser hallenartiger Bau ohne Turm. Einen Turm erhielt die Kirche erst im Jahre 1881. Und auf den Namen „Christuskirche“ weihte man sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nach dem Bau der zweiten Kirche der Stadt, der Lutherkirche. Die erste Swinemünder Kirche war also ein Jahrhundert namenlos gewesen. Der Bombenangriff vom 12. März 1945 hat am Gebäude kaum Schäden angerichtet, ebenso wenig wie der darauffolgende Vandalismus.

Im Norden in vielen Kirchen
Seit 1814 schmückt die Christuskirche das Modell einer Korvette. Europäische Kirchen in Küstennähe zieren häufig Schiffsmodelle, die als Schenkungen von Gilden oder Privatpersonen den Weg in die Gotteshäuser fanden. In katholischen Kirchen werden sie, in Anlehnung an die katholische Tradition der Bitt- oder Dankgaben in Form der „Votivtafeln“, oft auch Votivschiffe genannt.

Oft hatten Kapitäne, die aus Seenot gerettet wurden, sie gestiftet. So hängt in der Seemannskirche in Prerow auf dem Darß im nördlichen Seitenschiff die „Peter Kraft“, das Modell einer englischen Dreimastfregatte, gestiftet 1780 von dem Kapitän gleichen Namens. Dahinter hängen die „Teutonia“ und im Mittelschiff das größte Modell, die „Napoleon“. Beide wurden um 1850 von Kapitänen für ihre Rettung aus Seenot übergeben.

In den eher protestantisch geprägten Nord- und Ostseeländern repräsentieren die Schiffsmodelle hingegen vorrangig einen Berufsstand. In Dänemark soll es etwa 1400 „Kirchenschiffe“, Kirkeskib genannt, geben. Den Innenraum der Bugenhagen-Kirche in Greifswald-Wieck schmücken fünf Kirchenschiffe. Sie sollen daran erinnern, dass die Seefahrt über Jahrhunderte das prägende Element und die wichtigste Form des Broterwerbes in Wieck bildete. Der vollschiffgetakelte Raddampfer „Barussia“ wurde vom Oberpolier der Greifswalder Schiffszimmermannsleute H. Will im Jahr 1865 gebaut und der Kirchengemeinde „zum sichtbaren Erinnerungszeichen, dass des Christen Beruf auf dem Meere, so ganz besonders unter dem Schutze Gottes wie unter den Erhörungsgebeten der Gemeinde stehe,“ geschenkt. Das Modell eines Zeesbootes und eines Dreimasttopsegelschoners übergab ein früherer Pfarrer der Kirche seiner Gemeinde. Komplettiert wird die Sammlung durch ein Folkeboot und das Modell der Viermastbark „Pommern“.

Die beiden Schiffe in der Kirche von Garz (auf Usedom) sind Kopien, die Originale aus den Jahren 1770 beziehungsweise 1825 befinden sich im Museum in Wolgast.

Versprechen in Gefangenschaft
Eine romantische Geschichte rankt sich um das Modell der Korvette, die in der Swinemünder Christuskirche hängt. Der Chronist der Stadt, Robert Burkhardt, hatte im Jahr 1921 geschrieben: „Mitten in unserer Christuskirche hängt ein kleines Holzschiff, das am Heck die Namen ‚Christian Heins' und ‚Vergissmeinnicht' trägt.“ Und Burkhardt weist darauf hin, dass das Schiff keineswegs von Seeleuten gestiftet wurde, die glücklich aus ihrer Seenot gerettet worden sind.

Der Spender des Schiffes, der Hamburger Schiffer Christian Heins, wurde in der „Franzosenzeit“, also in der Zeit zwischen 1806 und 1813, mit seinem Schiff von französischen Kaperern aufgebracht und gemeinsam mit anderen Schiffen nach Bordeaux geschleppt. Wäre er geflohen, hätte er sein Schiff verloren. In der jahrelangen Wartezeit auf seine Freiheit fertigten er und sein Bruder, ein gelernter Zimmermann, eine gedeckte Korvette an. Heins gelobte, das Modell derjenigen Kirche zu schenken, in der er eine Frau heiraten würde.

Nachdem er im Jahre 1814 Bordeaux verlassen durfte, ging seine erste Reise mit einer Ladung Rotwein und der „Vergissmeinnicht“ nach Swinemünde. Hier lernte er die Tochter des Teerschwelers Martin Wagner kennen und heiratete sie noch im gleichen Jahr. Die Trauung fand in der seinerzeit noch einzigen Kirche Swinemündes, in der Christuskirche statt. Im Kirchenbuch ist vermerkt, dass der 37-jährige Kapitän aus einem kleinen Dorf bei Stade stammte. Seine Swinemünder Braut Hanna Charlotte Dorothea Wagner war 15 Jahre jünger.

Sein Versprechen hat er nicht vergessen. Getreu dem Gelübde wurde das Modell der „Vergissmeinnicht“ in der Christuskirche aufgehängt. Anfangs gegenüber der Kanzel, später in der Mitte zwischen den Kronleuchtern, wo die Korvette noch heute, nach 210 Jahren, zu bewundern ist.


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