10.10.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Vor wenigen Dekaden eine zerfallene Ruine, jetzt aber größtenteils saniert: Die Johanniter-Kirche zu Großen Eichsen
Foto: PüstovVor wenigen Dekaden eine zerfallene Ruine, jetzt aber größtenteils saniert: Die Johanniter-Kirche zu Großen Eichsen

Johanniter-Kirche zu Groß Eichsen

Prachtvolles Erbe des Mittelalters

Ein dörfliches Schmuckstück sakraler Baukunst in Mecklenburg mit wechselhafter Historie konnte gerettet werden

Ulf Püstov
02.10.2024

Begründet wurde die Kirche vom Johanniterorden. Bereits im Jahr 1194 wird der Ort Groß Eichsen, damals einfach Eixen, als Pfarrei des Bistums Ratzeburg belegt. Im Jahr 1230 findet sich die Kirche von Eixen im Ratzeburger Zehntregister.

Nach der Niederwerfung der slawischen Stämme durch den Sachsenherzog Heinrich den Löwen, allen voran des Obotritenfürsten Niklot, erhielt dessen Sohn Pribislaw im Jahr 1167 große Teile Mecklenburgs als Lehen zurück, mit Ausnahme der Burg Schwerin und eines umfangreichen zugehörenden Gebiets. Dieses gab Heinrich der Löwe seinem Gefolgsmann und vertrauten Ministerialen, dem Edelherren Gunzelin von Hagen, der damit der erste Graf von Schwerin wurde. Die Grafschaft von Schwerin blieb fast 200 Jahre im Besitz der Dahlenburger. Im Jahr 1357 kam sie durch Verkauf zum Haus Mecklenburg und zählte fortan bis zum Ende der Monarchie im Jahr 1918 zu den Hauptbesitzungen der mecklenburgischen Herzöge.

Um das Jahr 1200 schenkten die Grafen von Schwerin die Dörfer Eixen, Goddin, Moraas und Sülsdorf dem Johanniterorden, der sich im 13. Jahrhundert langsam über Mecklenburg ausdehnte und ein kleines Kloster in Sülstorf errichtete. Eine Ortschaft, die 20 Kilometer südlich von Schwerin liegt. Gleichzeitig holten die slawischen Fürsten einige tausend deutsche Siedler aus Westfalen, Niedersachsen, Friesland und Holstein in ihr Land, die es kultivieren und bewirtschaften sollten. Geleitet wurden die Priorei Sülstorf anfänglich noch von der Komturei in Werben (Elbe) in der Altmark. Nach und nach verschoben sich jedoch die Machtverhältnisse und es kam Anfang des 14. Jahrhunderts zur Gründung einer Komturei in Kraak, unweit von Sülstorf.

Anspruch und Schenkung
Im Mittelalter entwickelte sich die Johanniter-Kirche von Eixen mehr und mehr zu einer bekannten Wallfahrtskirche. Diese Entwicklung wurde begünstigt durch den Ausgang von Streitigkeiten um das Kirchenpatronat, die zwischen den Johannitern und den Ratzeburger Bischöfen geführt worden waren und die die Ordensbrüder im Jahr 1283 für sich entscheiden konnten. Im 16. Jahrhundert findet sich sogar die Bezeichnung „Münster zu Groß Eixen“, was als ein Hinweis auf die Größe und die Bedeutung der Johanniter-Kirche in der damaligen Zeit gedeutet werden kann. Nachweislich ist auch, dass die herzogliche Familie oft in Groß Eichsen zu Gast war.

Im Spätmittelalter (1250–1500) nutzten zudem durchziehende Ritter die Johanniter-Kirche als Pilgerherberge auf ihrem Weg nach Ostpreußen. Sie waren auf der „Heidenfahrt“ beziehungsweise „Litauenreise“. Mit dieser euphemistischen Umschreibung waren die militärischen Aktionen des Deutschen Ordens gegenüber der heidnischen Bevölkerung in Litauen gemeint. Aus Abenteuerlust und in der Hoffnung auf Ruhm und Anerkennung reisten seinerzeit Ritter aus Deutschland, England, Frankreich, Schweden und anderen europäischen Ländern im Frühjahr in das Gebiet des Deutschen Ordens, um an Kriegszügen teilzunehmen, bei denen es offiziell um die Christianisierung Nordosteuropas ging. Diese Kreuzzüge endeten mit der Christianisierung Litauens im Jahr 1387.

Die Johanniter blieben bis zur Durchsetzung der Reformation in Mecklenburg in der Priorei Groß Eichsen. Um das Jahr 1549 wurde deren Besitz säkularisiert. Der Verfall der Baulichkeiten, die einst zur Johanniter-Kirche zu Groß Eichsen gehörten, ist nicht dokumentiert. Es wird jedoch berichtet, dass man die letzten Wohngebäude der Johanniter wegen Baufälligkeit zwischen 1700 und 1730 abgerissen habe.

Ein Interim in der Form, dass der Schweriner Domherr Paschen Gustävel Inhaber der Priorei war, bestand bis zum Jahr 1552. Hiernach übernahm der herzogliche Kanzler und Rat Johann von Lucka das Gut Groß Eichsen mit allen Gerechtigkeiten. Jedoch beanspruchte Herzog Johann Albrecht I. die hohe Gerechtigkeit, Steuer, Landfolge und Jagd. Aus diesem Grund wurde im Jahr 1560 ein Kontrakt mit Lucka geschlossen und das Gut dem Herzog zurückverschrieben, der es seiner Gattin, Anna Sophia von Preußen, als Privateigentum überschrieb. Sie war die älteste Tochter des letzten Hochmeisters des Deutschen Ordens und Gründer des Herzogtums Preußens, des Ansbachers Herzog Albrecht. Nach dem Tod von Anna Sophie von Preußen im Jahr 1591 wurde Groß Eichsen zusammen mit Goddin an Kurt von Sperling verkauft. Ihm folgten über die Jahrhunderte weitere Besitzer.

Rettung in höchster Not
Bis im Jahr 1978 das Schicksal dieses großartigen Bauwerkes besiegelt schien. Die Kirchengemeinde und die zuständigen Behörden resignierten vor der finanziell scheinbar nicht zu realisierenden Aufgabe, die inzwischen verfallene Kirche zu retten. Das Inventar sollte anderen Kirchen zukommen und die Ruine gesichert werden.

Trotz aller Aussichtslosigkeit wagte die Gemeinde 1983 das Unmögliche: Das Dach des Kirchenschiffes wurde neu gedeckt. In einem Großeinsatz räumte die Junge Gemeinde 1984 den Schutt aus der Kirche. Im November 1984 konnte dann wieder der erste Gottesdienst gehalten werden. 1987 machte die Johanniter-Hilfsgemeinschaft Lüneburg durch mannigfachen Einsatz und Spenden sogar die Erneuerung des Turmdaches möglich.

Nach der Deutschen Vereinigung hatten es sich die Kirchengemeinde und der 1994 gegründete Förderverein Johanniter-Kirche Groß Eichsen e.V. zum Ziel gesetzt, das Gotteshaus und seine kunsthistorisch bedeutende sakrale Ausstattung als eine würdige Stätte für kirchliches und kulturelles Leben zu erhalten.

Dank vielseitiger und großzügiger finanzieller Hilfen konnten in den Jahren 1994 bis 2016 das Sockelmauerwerk repariert, der barocke Altaraufsatz und das Triumphkreuz restauriert, die Rekonstruktion der Hantelmann-Orgel abgeschlossen, das Dachtragwerk und das Außenmauerwerk repariert, eine Innenbeleuchtung installiert und die Kirche neu ausgemalt werden. Schließlich erfolgte 2019–2021 die Sanierung der Nordhalle, der Einbau einer Teeküche sowie von Toiletten, die Restaurierung einer barocken Holzdecke in der Nordhalle im Stil ornamentaler Grisaillemalerei als auch die Restaurierung des barocken Chorgestühls für die ehemals 16 Ritter des Johanniterordens. Allerdings sind folgende kostenaufwendige Arbeiten noch zu bewältigen: Zum einen die Restaurierung der barocken Kanzel und zum anderen die Herstellung einiger Außenanlagen

Was das Bauwerk ausmacht
Die Johanniter-Kirche zu Groß Eichsen ist ein in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstandener, stattlicher Bau der Backsteingotik. Er übertrifft die vor 1283 entstandene schlichtere Dorfkirche in Mühlen Eichsen in ihrer architektonischen Wirkung bei Weitem. Beide Kirchen bilden aber nicht erst seit Beginn der hiesigen kirchenbuchlichen Aufzeichnungen im Jahr 1670 ein Kirchspiel.

Die einst wohl geplante steinerne Wölbung des Kirchenschiffes ist nie verwirklicht worden. 1866 und 1867 wurde durch Georg Daniel eine Innenrestaurierung durchgeführt, bei der auch die noch erhaltenen Deckenlösung – ein hölzernes Tonnengewölbe – über einem sichtbaren Sprengwerk durch den Zimmerermeister August Gädt eingebracht wurde.

Die wuchtigen Seitenkapellen an der Nord- und der Südseite aus späterer Zeit vermitteln äußerlich den scheinbaren Eindruck einer Querhalle oder eines Querschiffs und prägen damit den Eindruck einer kreuzarmigen Kirche, wenn auch nicht ganz in symmetrischer Form. Während die südliche Kapelle aufgrund der eingezogenen Empore innen den Raumeindruck verstärkt, ist die nördliche zum Kirchenschiff abgeschlossen. In den Nordanbau wurde 1867 eine Sakristei eingebaut. Die Restfläche wurde im Jahr 2020 zu einem Gemeinderaum mit Teeküche und Toiletten umgebaut.

Beide Seitenanbauten sind mit Blendgiebeln versehen. Trotz der Änderungen im Laufe der Jahrhunderte blieb der ursprüngliche Charakter einer gotischen Kirche erhalten.

Acht Sprachen im Johanniterorden
Der mächtige, quadratische und dreigeschossige Westturm aus dem 15. Jahrhundert hat fast die Breite des Kirchenschiffes. Die Traufhöhe des gewalmten Satteldachs reicht bis an den First des Kirchenschiffes. Am westlichen Ende befindet sich ein Kirchhahn und am östlichen Ende das Johanniterkreuz mit seinen acht Spitzen, die auf die Seligpreisungen der Bergpredigt Jesu hinweisen. Eine andere Deutung der acht Spitzen zielt auf die verschiedenen Sprachen der europäischen Herrschaften, die im Johanniterorden seinerzeit präsent warten (Provence, Auvergne, Frankreich, Italien, Aragon, England, Deutsches Reich und Kastilien).

Die schlichte und sparsame Gliederung der Turmfassade erfolgt durch Strebepfeiler und zweiteilige Bogenfenster. Am westlichen Turmeingang sowie an den beiden Anbauten befinden sich Rücksprungsportale. Das Westportal hat zudem ein bleiverglastest Oberlicht.

Im Turm haben sich früher zwei Glocken von 1679 und 1680 aus der Werkstatt des Schweriner Glockengießers Joachim Mehler befunden. Beide trugen den Namen ihrer Stifter, Ulrich von Stralendorff und seiner Frau Margaretha von Plessen. Heute hat die Johanniter-Kirche nur noch eine Glocke. Die andere musste zu Kriegszwecken abgegeben werden und wurde eingeschmolzen.

Die Inneneinrichtung
Im Innern ist die kreuzrippengewölbte Turmhalle in ganzer Höhe zum Schiff hin geöffnet, an die sich Schildbögen für geplante Gewölbe anschließen. Die Anbauten sind flach gedeckt, der südliche zum Schiff offen, der nördliche abgetrennt. An der Balkendecke der Nordhalle lassen sich Reste ornamentaler Grisaillemalerei aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erkennen. Das ist eine Malerei, die auf reiner Schattenwirkung beruht und ausschließlich in Grau, Weiß und Schwarz ausgeführt wird.

Der Altar mit fünf Gemälden
Die Kirche besitzt einen Barockaltar, der vom Patron der Kirche, dem Hofgerichtspräsidenten Ulrich von Stralendorff (1641–1699) zusammen mit seiner Ehefrau Margaretha (geb. von Plessen, 1645–1708) aus dem Hause Damshagen im Jahr 1698 gestiftet wurde. Der weit ausladende, 6,60 Meter hohe und 5,85 Meter breite hölzerne Altaraufsatz gehört zu den frühesten und reichsten barocken Altaraufsätzen in Mecklenburg. Fünf Gemälde, in der Mitte das Abendmahl, die Kreuzigung und Himmelfahrt im oberen Teil, an den Seiten die Gesetzgebung und die Bergpredigt, schmücken diesen typisch barocken Altaraufsatz. Schnitzfiguren von Petrus, Paulus, beiden Johannes, dem siegreichen Christus und Engeln an den Seiten und in der Bekrönung ergänzen den Altar. Der Altaraufsatz wurde im Jahr 1998 nach Reparatur und Restaurierung wiedergeweiht

Die Kanzel
Die barocke Kanzel ist eine Arbeit von 1680. Auch sie trägt die Wappen von Ulrich von Stralendorff und seiner Gattin. Die Brüstungsfelder sind mit neutestamentlichen Szenen bemalt. Die derzeit noch nicht restaurierte Kanzel besitzt einen prächtigen Schalldeckel. Der Zugang erfolgt über eine schmale Treppe aus der Sakristei.

Kruzifix und Tauffünte
Das vom Ende des 15. Jahrhunderts stammende etwa vier Meter lange Triumphkreuz wurde 2006 restauriert. Sein ursprünglicher Platz war auf der Rückseite des Altars. Heute hängt es gut sichtbar im Kirchenschiff an der Wand zur Nordhalle.

Eine der wuchtigsten Granittaufen in Kelchform aus der Romanikepoche in Mecklenburg stammt noch aus der ersten Zeit der Priorei aus dem 14. Jahrhundert. Die Gesamthöhe der Tauffünte beträgt 103 Zentimeter und deren Breite misst
111 Zentimeter. Die Höhe der Kuppa beträgt 65 Zentimeter und hat eine Wandstärke von 15 Zentimetern. Sie ruht heute im Altarraum auf einem viel zu kleinen vierpassförmigen Sandsteinfuß, der vier Maskenköpfe – bärtige Menschen- und Widderköpfe – als figürlichen Schmuck hat. Der Fuß gehörte früher zu einer gotländischen Sandsteinfünte, die im Schweriner Dom stand. In früheren Zeiten befand sich die Tauffünte, wie allgemein üblich, am Eingang zur Kirche, in einem kleinen Seitenraum im Turm, links neben dem Westportal. Hier lassen sich noch einige kreisförmige steinerne Fundamentreste finden.

Das von Anfang des 16. Jahrhunderts stammende Chorgestühl ist aus Eichenholz gefertigt und besteht aus zwei Sitzreihen zu je acht Plätzen. Die Baldachine sind mit durchbrochenem gotischem Schnitzwerk und mit dem Wappen des Priors Johannes Wulff versehen. In den Jahren vor 1984 war es auf Grund baulicher Unzulänglichkeiten über lange Zeit erheblicher Feuchtigkeit ausgesetzt, was nicht ohne Folgen blieb. Als die Kirchengemeinde erste Anstrengungen unternahm, die Substanz zu sichern, wurden auch Teile nicht erhaltbares Chorgestühls entfernt. Nach der Restaurierung konnte es im Jahr 2021 wieder aufgestellt werden und schmückt seitdem den Altarraum.

Der Autor ist nicht nur Kirchenältester in dieser Kirchengemeinde sondern auch Vorsitzender des Fördervereins der Johanniter-Kirche Groß Eichsen e.V. Gerne bietet Ulf Püstov daher Interessierten Führungen nach Absprache an. Kontakt über E-Mail: ulf.puestow@googlemail.com


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS