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Neue Quellenedition zum Briefwechsel Friedrich Wilhelms mit Victoria aus der Zeit des deutschen Bruderkrieges
Die Kulturstiftung des Hauses Hessen verwahrt in ihrem Familienarchiv auf Schloss Fasanerie bei Fulda die Korrespondenz des preußischen Kronprinzenpaares Friedrich Wilhelm und Victoria. Durch die jüngste Tochter des späteren zweiten Kaiserpaares des Deutschen Reiches, Margarethe, und deren Ehe mit Friedrich Karl von Hessen gelangten die Briefe in das hessische Hausarchiv. Dieses Jahr nun hat die Kulturstiftung durch Christine Klössel den Quellenband „Die Korrespondenz des preußischen Kronprinzenpaares Friedrich Wilhelm und Victoria in Kriegszeiten 1866“ herausgegeben.
Jenes Jahr 1866 war ein Wendejahr der deutschen Geschichte. Im Sommer wurde der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland zwischen Österreich und Preußen entschieden und mit dem Sieg Preußens eine wichtige Voraussetzung für die Einigung des um Österreich verkleinerten Deutschland geschaffen.
Aus dem Frühjahr und dem Sommer 1866 stammt der größte Teil der in dem Quellenband veröffentlichten Korrespondenz zwischen dem preußischen Kronprinzen und seiner Frau: 129 von insgesamt 156 Briefen und Telegrammen; die übrigen 27 Briefe entfallen auf den Zeitraum vom 6. bis zum 29. November, als sich Friedrich Wilhelm aus Anlass der Vermählung des russischen Thronfolgers Alexander (III.) mit der dänischen Prinzessin Dagmar in St. Petersburg aufhielt.
Als Befehlshaber der 2. Armee spielte der Thronfolger eine wichtige, bei der Schlacht von Königgrätz am 3. Juli sogar eine entscheidende Rolle. Während des Getrenntseins wechselten Friedrich Wilhelm und Victoria täglich Briefe miteinander. Das familiäre Hauptmotiv dieser Korrespondenz ist die wachsende Besorgnis der Eltern um die Krankheit des kleinen Lieblingssohns Sigismund und dann die große Trauer nach dessen Tod. In dieser Zeit konnte Friedrich Wilhelm seiner Frau nicht zur Seite stehen, musste sich damit begnügen, sie mit tröstenden Worten aufzurichten. Insgesamt lässt der Briefwechsel das innige, von gegenseitiger Liebe geprägte Verhältnis der Ehepartner erkennen.
Den heutigen Leser werden natürlich in erster Linie die – im weitesten Sinne – politischen Angelegenheiten interessieren, die in der Korrespondenz eine Rolle spielen und deren Erörterung die Einstellung der Briefschreiber ihnen und den handelnden Personen gegenüber erkennen lassen.
Haltung gegenüber Bismarck
Hier ist vor allem die Haltung Friedrich Wilhelms und Victorias gegenüber der Person und der Politik des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck zu erwähnen. Victorias Abneigung gegenüber „dem großen Seeräuber“, „dem bösen Mann“ und dessen „infamer Politik“ ist bereits aus dem Briefwechsel der Kronprinzessin mit ihrer Mutter, der britischen Königin Victoria, bekannt. In der mit ihrem Mann geführten Korrespondenz kommt sie immer wieder ganz unverhüllt zum Ausdruck: „Ich mißtraue Allem was von Bismarck ausgeht“, dessen „ruchlose Politik ... das Vaterland in solche Gefahr gebracht hat.“
Diese Einstellung wird von Friedrich Wilhelm geteilt und mitgetragen: „Deine politischen Ansichten sind auch die Meinigen“; „... dann sucht der Seeräuber gewiß umgehend die Gelegenheit den Krieg vom Zaun zu loszureißen“; „... wir leiden müssen unter einer Politik die wir seit Jahren als unheilvoll verurtheilen mußten“; „Wohin man blickt nichts als Unerhörtes, Folgenschweres – weil Bismarck es will.“ So und ähnlich klingt es immer wieder vor Königgrätz.
Aber bereits in dieser Zeit lässt Friedrich Wilhelm seine Überzeugung erkennen, dass die „volle Durchführung solcher Entschlüsse“ wie des zum Krieg gegen Österreich, „nun man einmal die Dinge so weit getrieben hat“, „eine zwingende Nothwendigkeit“ sei. Dieser Gesichtspunkt tritt nach dem Sieg über Österreich, an dessen Erringung der Kronprinz ja einen ganz entscheidenden Anteil gehabt hat, sowohl in Friedrich Wilhelms wie auch in Victorias Briefen immer mehr in den Vordergrund.
Obgleich Victoria auch jetzt noch bei ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Bismarck verharrt: „Die brillianten u. glorreichen Erfolge unseres edelen ,Volkes in Waffen' – kann nie meine Meinung über Bismarck ändern“, so am 4. Juli, lässt sie keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie die politischen Folgen des Krieges entschlossen mitträgt: „Hat man sich entschlossen A – zu sagen, – so darf man vor B nicht zurückschrecken. Allen Prinzipien des Rechts und der Legitimität hat man ins Gesicht geschlagen – folglich muß man jetzt von keiner anderen Basis aus reden u. handeln, [...] Die Fürsten wieder einzusetzen, wäre ein Unsinn wie können sie denn jemals mit uns gehen.“ Sie rechnet auch bereits mit der Möglichkeit eines weiteren Krieges: „[...] wer weiß, ob wir nicht werden einen 3ten Krieg führen müssen um das zu erhalten was wir jetzt gewonnen.“
Hoffnung auf „bessere Tage“
Ganz ähnlich die Ansichten des Kronprinzen. Am 24. Juli schreibt er, er werde sich „nie irre machen lassen über die früheren ungeheuren polit. Fehler unserer Regierung die ich bekämpfte, auch nicht blindlings annehmen daß weil es jetzt vernünftig zugeht, Bismarck der ,Mann seiner Zeit' sei“, die Zeit sei „aber derartig, daß um zum großen Ziele zu gelangen Partei- oder Personalansichten zurück treten müssen, wenn es gilt dem Großen u. Ganzen des Vaterlandes Nutzen Heil u. Stärke zu schaffen“. „Seltsamerweise“ sieht sich Friedrich Wilhelm nach dem Sieg über Österreich dazu veranlasst, „oft auf Bismarck's Seite zu treten“ und ihm in der Auseinandersetzung mit König Wilhelm über die den besiegten Österreichern gegenüber einzuschlagende Politik „eine wesentliche Stütze“ zu sein, „um dem ,zeitgemäßen' seiner Ansichten Papa gegenüber Gewicht zu verschaffen. Ich muß sagen, daß Bismarck in dieser Frage ganz correct handelt, [...].“ Noch am 13. Juli hatte er geschrieben, ihn plage und verfolge „immer der Gedanke daß in Bismarck's Händen und bei der Umgebung von Papa doch nichts Ganzes, wirklich Deutsches heraus kommen wird, so daß ich recht bekümmert bin“.
Nach dem Tod Kaiser Friedrichs III. am 15. Juni 1888 ist bekanntlich oftmals die Frage erörtert worden, ob sich in Deutschland ein „liberales“ Regierungssystem hätte durchsetzen können, wenn dem Kaiser eine längere Zeit auf dem Thron als nur 99 Tage vergönnt gewesen wäre. Jegliche Antwort auf diese Frage ist notwendigerweise spekulativ. Der Briefwechsel Friedrich Wilhelms und Victorias aus dem Sommer 1866 lässt immerhin erkennen, dass die Korrespondenzpartner damals die Hoffnung hegten, einstmals, das heißt nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms, würden „constitutionelle“ Ansichten zur Geltung gebracht werden können. Am 14. Juni heißt es in einem Brief Victorias: „Gott schütze u. segne Dich u. hebe Dich auf zu besseren Tagen die durch Dich unserem lieben Volk beschieden werden mögen nach so vielen schweren unnöthigen Opfern u. nach so vielen bitteren Enttäuschungen!“
Der heutige Leser solcher und ähnlicher Hoffnungen weiß immer schon, dass bis zum Anbruch der so sehnlich erwarteten „besseren Tage“ noch 22 lange Jahre vergehen sollten. Als sie dann endlich angebrochen waren, war „es“ zu spät, vorausgesetzt, dass die Hoffnungen des Jahres 1866 überhaupt noch so lange Bestand gehabt haben sollten.
Es wäre sehr zu begrüßen, sollte sich die Kulturstiftung des Hauses Hessen dazu entschließen, dem verdienstvollen Band einen weiteren folgen zu lassen mit den Briefen, die Friedrich Wilhelm und Victoria in den Kriegszeiten von 1870/71 miteinander gewechselt haben.
„Die Korrespondenz des preußischen Kronprinzenpaares Friedrich Wilhelm und Victoria in Kriegszeiten 1866“, herausgegeben von der Kulturstiftung des Hauses Hessen, Archiv des Hauses Hessen durch Christine Klössel, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2025, 394 Seiten, 39,95 Euro