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Treffpunkt durstiger Kehlen um 1900: Ausflügler und studentische Corporierte trafen sich zu einem oder mehreren kühlen Krügen Bier im Ausschankhaus der Brauerei Wickbold in Königsberg beim Tiergarten
Bild: Bildarchiv OstpreußenTreffpunkt durstiger Kehlen um 1900: Ausflügler und studentische Corporierte trafen sich zu einem oder mehreren kühlen Krügen Bier im Ausschankhaus der Brauerei Wickbold in Königsberg beim Tiergarten

Königsberg

Prickelnder Genuss: Brauerei Wickbold

Flüssiges Gold aus Hopfen und Malz mit vollmundigem Geschmack nach ostpreußischer Art

Jürgen Ehmann
08.03.2025

Bereits in früheren Jahrhunderten war Königsberg wegen seines Bieres berühmt. Die Besitzer entsprechender Häuser, die das verbriefte Recht besaßen, Bier streng nach Deutschem Reinheitsgebot zu brauen und zu verkaufen, bildeten die Zunft der Mälzenbräuer, die ihren Namen getreu dem Spruch „Hopfen und Malz – Gott erhalt's“ trugen. Die im Jahr 1786 existierenden Brauhäuser – immerhin 102 in der Altstadt, 31 im Kneiphof und 220 im Löbenicht – exportierten große Quantitäten an Königsberger Bier in alle deutschen Himmelsrichtungen.

Erst im Jahr 1865 wurde der Export bei 23 damals existierenden Brauereien eingestellt, und erstmalig drehte sich der Bierfluss: Es wurde von diesem Zeitpunkt an mehr Bier nach Königsberg importiert als exportiert. Doch über die Zeit hinweg etablierte sich besonders eine Brauerei in Königsberg mit bestem Ruf in der Bierwelt, was der Qualität und dem hervorragenden Geschmack des Bräusaftes zu verdanken war – die Brauerei Wickbold.

Kleine Brauerei, großes Renommee
Der elf Kilometer südlich von Königsberg und zwei Kilometer östlich des Tharauer Waldes gelegene Ort Wickbold, der bereits im Jahr 1789 im Buch „Volständige Topographie des Königreichs Preussen“ unter dem Namen „Wickboldt“ Erwähnung fand, bestand aus einem Rittergut und einem Dorf. Nicht mehr und nicht weniger. Das 1846 erneut erwähnte Gut besaß zu dieser Zeit mittlerweile auch ein Adlig Patrimonial-Gericht sowie ein Gutsgefängnis. Zu Zeiten Friedrichs des Großen wird der Rittergutsbesitzer Keßler, 1852 und im Juli 1857 der Ritterguts- und Fabrikbesitzer Rudolf Reuter sowie im 1857 der Generalmajor von Bischofswerder genannt. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte kam eine kleine Brauerei hinzu.

Die Wiener Brauer- und Hopfen-Zeitung „Gambrinus“ vom 15. Februar 1889 berichtete, dass die Erzeugnisse eben dieser Brauerei Wickbold „bis zum Jahr 1870, bis wohin der kleine Rittergutsbesitzer Wickbold das Geschäft auf sehr primitive Weise betrieb, ein glänzendes Renommée“ hatten.

Ein Brauhaus auf der Höhe
Am 1. Dezember 1871 wurde auf dem Rittergut die Aktien-Brauerei Wickbold mit dem Zweck des Betriebs einer Bierbrauerei sowie dem Betrieb der Landwirtschaft gegründet. Für die Direktion wurden die Herren Loebell und Kayser, für den Aufsichtsrat der Vorsitzende Böhm sowie die Mitglieder Bülowius, Pensky und Schwanfelder namentlich erwähnt. Das Kapital betrug 1.680.000 Mark. Publikationsorgane waren die „Königsberger Hartung'sche Zeitung“ und die „Ostpreußische Zeitung“.

Das 1876 von Hermann Frischbier herausgegebene Buch „Preussische Sprichwörter und volksthümliche Redensarten“ erwähnte auf Seite 76 den „Heidbarg“ oder „Quälbarg“ als eine scherzhafte Bezeichnung für die Brauerei Wickbold. „Die Anhöhe, auf der die Brauerei liegt, war früher von der königlichen Heide umgeben; zu Zeiten des Begründers der Brauerei war sie den Arbeitern ein Ort der angestrengten Arbeit, die man nur zu gern Qual nennt.“

Die Bauaufträge im Sommer 1872 wegen Erweiterungen der Bierbrauereien Wickbold, Schönberg und Ponarth gaben zahlreichen Bauhandwerkern Beschäftigung. Die erste große Generalversammlung am 18. Dezember 1872 setzte für das erste Geschäftsjahr vom 1. Dezember 1871 bis 1. Oktober 1872 die Dividende mit acht Drittel Prozent fest. Im Geschäftsjahr 1876/77 zahlte die Brauerei wegen den außerordentlich hohen Hopfenpreise hingegen keine Dividende.

Am Abend des 22. Septembers 1878 bemerkte der Wächter der Brauerei Wickbold gegen 20 Uhr in den Fenstern des obersten Darrbodens, dort wo Hopfen, Gerste und Malz gelagert werden, über dem Sudhaus ein ausbrechendes Feuer. Trotz des sofortigen Einsatzes der örtlichen Feuerwehr, die damals als „Ortsspritze“ bezeichnet wurde, und der Unterstützung der eintreffenden Feuerwehren aus den umliegenden Ortschaften konnten ein Abbrennen des Sudhauses, der Malzspeicher, des Pech- und des Teehauses sowie der Gerätekammer nicht mehr verhindert werden. Und dennoch wurden die betroffenen Gebäude in kürzester Zeit wieder neu errichtet, und der Braubetrieb konnte wieder aufgenommen und fortgesetzt werden.

Des Kaisers Bierwünsche
Kaiser Wilhelm II. stattete am 4. September 1879 mit seiner Ehefrau, der Kaiserin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach, Königsberg einen Besuch ab. „Während der Kaisertage in Königsberg im September d. J. hat das Wickbold'sche Bier bei den Hoffestlichkeiten eine hervorragende Rolle gespielt“, wie die Königsberger „Ostpreußischen Zeitung“ schrieb. „Die Vorliebe des Kronprinzen, des Fürsten Bismarck und anderer höchsten und hohen Herrschaften für ein gutes Bier ist bekannt und hat sich auch hier wieder besonders gezeigt. Die Wickbolder Brauerei hat für den kaiserlichen Hof während dessen Hierseins täglich über zwei Tonnen Bier zu liefern gehabt. Nach Aufhebung der Tafel am 7. September begaben sich die hohen und höchsten Herrschaften auf das Plateau über dem Pregel hinaus, um sich dort dem Biergenusse hinzugeben. Auf ausdrücklichen höchsten Wunsch hatte dort Wickbold zwei Quellen seines Gebräues eröffnet, eine dunkle und eine helle. Den hohen Herrschaften mundeten beide Sorten ganz vorzüglich, sie wollten gar nicht glauben, dass es hiesige Gebräue seien. Es wurden nicht weniger als täglich zweieinhalb Tonnen getrunken. Bei dem Festcommers im Schützenhause wurde auf ausdrücklichen Wunsche des Kronprinzen ausschließlich nur in Bier commerfirt.“

Das Bier schmeckte den hohen Herrschaften. Ja, sogar so gut, dass sich daraus eine Bitte ableitete, die eigentlich schon mehr ein Befehl war: „Vielseitig ausgesprochene Wünsche höchster und hoher Herrschaften, aber insbesondere des Kaisers selbst, dieses Bier auch in Berlin haben zu wollen, hat die Wickbold'sche Brauerei veranlasst, am hiesigen Platze eine Filiale zu errichten und mich mit der alleinigen Vertretung zu betrauen.

Königsberg i. Pr., 4 October 1879. gez. H. Kaiser.“

Geschäftliche Berg- und Talfahrt
Ab dem Betriebsjahr 1881/1882 schrieb das Unternehmen bis zum Betriebsjahr 1887/1888 jedoch mehr und mehr Verluste. Anstelle des 1883 ausgeschiedenen Direktors Wilhelm August Fink wurde daraufhin der Kaufmann Elimar Klein als nächster kaufmännischer Direktor und als Hoffnungsträger gewählt.

Im Auftrag der am 11. April 1889 errichteten „Brauerei Wickbold, Aktiengesellschaft, Königsberg“ übernahm dann ein Konsortium, bestehend aus der Handelsgesellschaft Litten & Co., Jacobson und Japha, Kaufmann Samuel Magnus, Kaufmann Hermann Teschendorf und Kaufmann Franz Haarbrücker in Königsberg sämtliche Aktien der aufgelösten und in der Liquidation befindlichen „Aktienbrauerei Wickbold“. Der Brauerei gehörte in Königsberg das Grundstück in der Polnischen Gasse Nr. 1. Mitglieder des Aufsichtsrates der neuen Aktiengesellschaft waren die in Königsberg lebenden Kaufleute George Marr, Walter Japha, Samuel Magnus, Hermann Teschendorf, Franz Haarbrücker und Ascher Aron.

Der 1887 angestellte Brauermeister Ackermann blieb in seinem Amt als technischer Direktor. Als zweites Vorstandsmitglied wurde 1893 der Brauereidirektor Carl Friedrich Wilhelm Buchholz mittels Beschlusses des Aufsichtsrates bestellt. Man wollte damit auch die Sicherung und Wahrung der Qualität des Bieres sicherstellen.

1896 erfolgte eine Einigung der Vorstände der vier größten in der Umgebung von Königsberg belegenen Brauereien Ponarth, Schönbusch, Wickbold und Rettig mit den Vorständen des Zentralvereins der Gastwirte und des Vereins der Kaufleute der Kolonialwarenbranche. Vom 1. April ab sollten die größten Abnehmer, die Gastwirte und Bierverleger, das Liter Lagerbier mit 17 Pfennige, die übrigen Käufer mit 19 Pfennige bezahlen. Der Aufsichtsrat ernannte am 31. März 1897 für den zum 1. April 1897 ausscheidenden bisherigen Direktor Gustav Wiersbißky Johannes Ladehoff zum neuen Direktor.

Das Ende einer Ära
Neben den erhofften Gewinnen erzielte das Unternehmen aber auch immer wieder Verluste wie die 199.775 Mark im Geschäftsjahr 1896. Die Generalversammlung vom 23. Dezember 1912 beschloss daher eine Grundkapitalherabsetzung. Nach einer Kapitalerhöhung im Frühjahr 1918 zahlte das Unternehmen für das Geschäftsjahr 1917/1918 immerhin sechs Prozent Dividende. Die außerordentliche Generalversammlung vom 14. Januar 1921 beschloss erneut eine Kapitalerhöhung.

1921 wurde der Stadtälteste Bieske als Vorsitzender des Aufsichtsrats genannt. Der seit 1903 tätige Direktor Hermann Röder, gleichzeitig auch im Aufsichtsrat der Brauerei Ponarth vertreten, schied aus dem Vorstand aus und wurde zum Generaldirektor der Rückforth-Aktiengesellschaft Königsberg ernannt.

Rückforth aus Stettin war ein Großkonzern der Bier- und Spritbranche und in Königsberg, Unterhaberberg 21, vertreten. Die Aktiengesellschaft war an 27 Gesellschaften (gemäß Stand von 1921), unter anderem an den Königsberger Brauereien Wickbold, Ponarth und Schönbusch beteiligt. Der langjährige Prokurist Gustav Janzon wurde an Röders Stelle nun zum Direktor
gewählt.

Anfang 1923 beschlossen die Aktionäre der Wickbold- und der Ponarth-Brauerei den Zusammenschluss beider Brauereien. Die Fusion wurde im Herbst 1923 mit Unterstützung der Rückforth Aktiengesellschaft durchgeführt, und damit ging auch der Name der Brauerei samt dem Bier im Firmennamen Ponarth auf. Eine Königsberger Bier-Ära fand somit ihr Ende.


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