Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Süß, scharf, bunt gemischt und außergewöhnliche Kombinationen – ostpreußische Spirituosen haben es so richtig in sich
Während der mittelalterlichen Warmzeit, die etwa bis zum Jahr 1400 andauerte, wurde auch im klimatisch recht rauen Ostpreußen Wein angebaut und konsumiert. Später allerdings tranken die Ostpreußen dann doch lieber Bier und härtere Spirituosen, wenn es ihnen nach alkoholischen Getränken gelüstete. Ein „Schlubberche“, also „kleiner Schluck“ Schnaps, wurde nicht nur an Festtagen wie Weihnachten und Silvester, sondern ebenso bei vielerlei anderen Gelegenheiten fällig – zum Beispiel zur Anregung der Verdauung. Auch wenn das, wie man heute aus Medizinerkreisen weiß, rein gar nichts bringt und somit unter die Kategorie „falsche Wahrheit“ fällt. Doch zumindest ist es stets ein gutes Scheinargument für ein Gläschen. Und so spielte angesichts der deftigen Küche Ostpreußens dieses „Schluck-Märchen“ lange eine unverzichtbare Rolle.
In der agrarisch geprägten Provinz Ostpreußen stellte man Spirituosen oft unter Verwendung von Korn oder Kartoffeln her. Ein altpreußischer Kartoffelschnaps mit 38 „Umdrehungen“ ist noch heute unter dem Handelsnamen „Lorbaß“ erhältlich. Auf Agraralkohol basierte darüber hinaus der Samländer Aquavit. Dieser bezog seinen besonderen Geschmack aus der Hinzufügung von Kümmel und Dillsamen und besaß einen Alkoholgehalt von ebenfalls 38 Prozent.
Ostpreußens Nationalschnaps
Neben klaren Schnäpsen liebten die Ostpreußen auch Likör. Einer davon, nämlich der „Bärenfang“, avancierte sogar zum inoffiziellen Nationalgetränk der Provinz. Er enthielt Honig sowie weitere Zutaten wie Vanilleschoten, Zimtstangen, Nelken und Zitronenschalen. Vermutlich genehmigten sich schon die alten Prußen die aromatische Spezialität mit 20 bis 45 Volumenprozent Alkohol. Auf jeden Fall wurde der „Bärenfang“ seit dem 15. Jahrhundert regelmäßig genossen.
Im Memelland kursierte zudem eine Variante mit der Bezeichnung Meschkinnes, abgeleitet von dem litauischen Wort „meška“ für „Bär“. Diese enthielt gar 50 Prozent Alkohol und wird derzeit noch immer in Form des „Tapiauer Meschkinnes“ angeboten.
Ein weiterer, typisch ostpreußischer Likör war der „Kurenkaffee“. Die Kuren arbeiteten meist als Fischer und fuhren auch bei Regen, Wind und Kälte aufs Meer hinaus. Dabei stärkten sie sich gern mit allerlei Gemischen aus Warmbier, Schnaps und Kaffee. Daraus entstand später ein moderater Kaffeelikör, welcher überall in Ostpreußen Freunde fand.
Gern trank man zwischen Memel und Weichsel Trakehner Blut, Nalewka, Marjellchen, Gumbinner Marillchen oder Moosbeere mit Wodka. Der erster war ein Halbbitter-Likör und der zweite ein Weichselkirsch-Likör, wobei die anderen auf Schwarzen Johannisbeeren respektive Aprikosen basierten. Bei der Moosbeere mit Wodka wiederum konnte es sich sowohl um einen leichten Likör mit 20 Volumenprozent Alkohol als auch um einen Wodka mit 40 Prozent und Aromen von Moosbeeren und Holunder handeln.
Ein Gläschen mit Leberwurst
Sehr gerne griffen die Ostpreußen aber auch zu gewagten Kombinationen. Die bekannteste war zweifellos der Pillkaller Machandel. So ein „Aperitif“ bestand aus einem Glas klarem Schnaps, das von einer Scheibe Leberwurst mit Senf gekrönt wurde und manchmal das Abendessen ersetzte – vor allem, wenn es mehrere solcher „Appetitmacher“ gab. Eine Variation des Pillkaller Machandels stellte die Pillkaller Stutenmilch dar. In diesem Fall schlürfte man den erhitzten Schnaps mit Zucker und Schlagsahne durch Strohhalme aus Sektgläsern. Gewöhnungsbedürftig im Geschmack, aber schnell wirkend.
Zu den typisch ostpreußischen Kreationen zählten weiter Nikolaschka und Blutgericht. Nikolaschka war Branntwein mit einer Zitronenscheibe, Zucker und Kaffeepulver, während Blutgericht an das gleichnamige Lokal in den Kellergewölben des Königsberger Schlosses erinnern sollte und Kirschlikör, Aquavit, Eierlikör sowie Pflaumenschnaps vereinte. Ähnlich farbenfrohe Zutaten kennzeichneten das „Kirchenfenster“. Bei dessen Zubereitung wurden Portwein, Eierlikör und Pfefferminzlikör in ein Grogglas gefüllt, ohne das Ganze zu verrühren.
Auch für Damen geeignet
Außerdem gab es noch vier sehr eigenwillige Rezepte aus dem Memelland. Beim Memelwasser mit Grundeis enthielt der Cocktail Doppelkorn, Wodka oder Aquavit sowie Zucker und eine Prise gemahlenen Kaffee. Im Falle des Pepperinnis wiederum bestand das Getränk lediglich aus einem klaren Schnaps, in den die Leute nach Belieben weißen und schwarzen Pfeffer schütteten. Außerdem kreierte der Landarzt Arthur Kittel aus Ruß im Kreis Heydekrug zwei alkoholische Getränke namens Rußer Milchpunsch und Rußer Wasserpunsch. Das erstere Gebräu – angeblich „auch für Damen geeignet“ – kombinierte Zuckerrohrschnaps, Rum, Zucker und Zitrone mit kochender Milch. Doch war der den Männern vorbehaltene Wasserpunsch ein warmes, heftiges Gemisch aus Kognak, Portwein, Zucker und einem kleinen bisschen Wasser.
Geopfertes Auge
Angesichts der Vorliebe der Ostpreußen für „geistige Getränke“ kursierten im Lande zugleich zahlreiche Anekdoten über den Konsum derselben. Eine lautete folgendermaßen: Im Krankenhaus am Königsberger Oberhaberberg ärgerte sich der leitende Arzt über den permanenten Schwund beim Alkohol für medizinische Zwecke. Daher versah er die entsprechende Flasche eines Abends mit dem Etikett „Vorsicht! Methylalkohol! Nach Genuss droht Erblindung!“ – Am nächsten Morgen war der Füllstand dennoch weiter gesunken und auf dem Aufkleber stand:
„Ein Auge hab ich riskiert!“