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Thüringen und kein Ende

Ramelows Coup

Mit seinem Vorschlag, Christine Lieberknecht zur Ministerpräsidentin zu wählen, legt der Kopf der Linkspartei nicht zuletzt die Defizite der CDU offen

René Nehring
19.02.2020

In Tagen wie diesen muss man offenkundig auf alles gefasst sein. Am Montagabend verkündete der abgewählte Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow (Die Linke), angesichts der verfahrenen Lage in dem mitteldeutschen Bundesland, seine persönlichen Ambitionen vorerst zurückstellen und stattdessen für eine Übergangszeit seine Vorgängerin Christine Lieberknecht (CDU) für den Regierungsvorsitz im Freistaat vorschlagen zu wollen.

Damit hat Ramelow dem thüringischen Drama eine neue Wendung gegeben und – unabhängig davon, wie man persönlich zu ihm steht – zugleich einen echten Coup gelandet. Während sich die CDU – SPD und Grüne scheinen vor Ort keine Rolle mehr zu spielen – seit der Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich vor zwei Wochen mit Stimmen der AfD an Parteitagsbeschlüsse klammerte, die eine Zusammenarbeit mit AfD und Linkspartei untersagen, kann Ramelow – der in der Woche zuvor noch als schlechter Verlierer dastand – nun den seriösen Staatsmann mimen, der sich unabhängig, uneitel und unegoistisch in den Dienst des Landes stellt und generös sogar eine Vertreterin derjenigen Partei vorschlägt, die ihn die ganze Zeit über ausgrenzen wollte. 

Zudem hat Ramelow – nachdem bereits die AfD bei der Wahl Kemmerichs ihre neue Stärke demonstriert hatte – nun ebenfalls gezeigt, dass auch an seiner Linkspartei in Thüringen kaum ein Weg an die Macht vorbeiführt.

Die Union indes hat sich in der vorliegenden Angelegenheit gleich mehrfach blamiert. Da ist zum einen der thüringische Landes- und Fraktionsvorsitzende Mike Mohring, der in der vorletzten Legislaturperiode viel dafür getan hatte, die etwas spröde, aber grundsolide „Landesmutter“ Lieberknecht zu beschädigen – und dann trotz des schlechtesten Ergebnisses seiner Partei bei einer thüringischen Landtagswahl im vergangenen Herbst nicht den Anstand hatte, zurückzutreten. 

Schaden für die Union 

Und da ist eine Bundespartei, die nicht nur eine eklatante Führungsschwäche, sondern auch eine tiefe Orientierungslosigkeit offenbart. So ignorieren die Befürworter eines Zusammengehens mit dem scheinbar harmlosen Bodo Ramelow, dass dessen Linkspartei nicht nur bis heute tief in der Tradition der SED verwurzelt ist, sondern auch, dass führende Vertreter der Partei immer wieder – siehe G20 in Hamburg oder Leipzig-Connewitz – offen Sympathien für linksradikale Gewalt zeigen. 

Die argumentative Schwäche der Union lässt sich unter anderem daran erkennen, dass sie noch nicht einmal in der Lage war zu erklären, dass Ramelows vorläufiger Verzicht auf das Ministerpräsidentenamt auch ein Triumph der CDU und ihrer konsequenten Haltung gegenüber Links und Rechts sei. Stattdessen äußerten gleich mehrere Vertreter, dass man nun erst einmal überlegen müsse, wie man sich zum Ramelow-Vorschlag verhalten solle. 

Nicht zuletzt erhält die Union in Thüringen und im Bund die Quittung für ihr jahrelanges Wegducken im öffentlichen Raum. Hatte Angela Merkel als Oppositionsführerin noch auf ein wirtschaftsliberales Programm gesetzt – und war damit zusammen mit Edmund Stoiber bei der Bundestagswahl 2002 gescheitert – passte sie sich als Kanzlerin (Stichworte: Energiewende, Wehrpflicht, Immigration, Familienpolitik) in einer Weise an den überwiegend links-grünen Zeitgeist an, wie das zuvor selbst Sozialdemokraten, Grüne und Linksparteiler wohl kaum für möglich gehalten hätten. 

Anstatt für die eigenen Positionen zu streiten, setzte Merkel – einmal im Amt – auf „asymmetrische Demobilisierung“, auf eine Art Hase-und-Igel-Spiel, bei dem die Kanzlerin mit ihrer Richtlinienkompetenz jedes mögliche Thema der Opposition kaperte und immer schon Ergebnisse verkündete, während die anderen noch diskutierten, wie sie zum Ziel kommen sollten. Solange das gutging und sich auf Bundes- und Landesebene noch immer ein Partner für eine Regierungsbeteiligung fand, ist ihr die Union gern gefolgt. Doch hat die Partei auf dem Weg des Wohlverhaltens gegenüber dem Zeitgeist verlernt, Kurs zu halten, wenn ihr der Wind stark von vorn ins Gesicht bläst. 

Der lachende Verlierer 

Bodo Ramelow kann derweil in aller Ruhe den Staatsmann geben und die baldigen Neuwahlen abwarten. Nach derzeitigen Umfragen wird er dabei einen triumphalen Sieg einfahren – und seine Niederlage im vergangenen Herbst schon bald vergessen sein.


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