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Ein Kunstmuseum in Mecklenburg-Vorpommern entdeckt Alfred Heinsohn, ein Mitglied der Schwaaner Künstlerkolonie bei Rostock

Helga Schnehagen
30.10.2021

Seit knapp 20 Jahren beherbergt die ehemalige um 1790 erbaute Wassermühle von Schwaan ein modern eingerichtetes Kunstmuseum. Im Schatten von Mecklenburg-Vorpommerns Staatlichen und Rostocks Städtischen Kunstsammlungen zieht das Städtische Kunstmuseum der 5000-Seelen-Gemeinde rund 20 Kilometer südlich von Rostock überregional eher selten die Aufmerksamkeit auf sich. Seine Dauerausstellung widmet sich in erster Linie den Malern der Schwaaner Künstlerkolonie, seine Sonderausstellungen vor allem Landschaftsmalern aus ihrer Zeit.

Das sollte sich mit der aktuellen Sonderausstellung „Alfred Heinsohn – Maler der Moderne“ ändern. Die Schau basiert auf einem ambitionierten Forschungs- und Kooperationsprojekt zwischen dem Kunstmuseum Schwaan und dem Staatlichen Museum Schwerin. Dabei gibt der zur Ausstellung entstandene Katalog als Werkverzeichnis von 150 Gemälden und 150 Zeichnungen und Aquarellen erstmals einen Überblick über das Gesamtwerk des Künstlers.

Die Entstehung der Freilichtmalerei hatte die Sicht auf die Landschaft in ganz Europa verändert. Vom Hintergrund avancierte sie zum eigenen Sujet und fand ihren Ausdruck nicht nur im Naturalismus, sondern immer öfter auch im Impressionismus. Von überall her reisten die Maler aufs Land, um vor Ort ihre Motive zu finden. Bis heute bezaubern ihre Landschaftsgemälde. Gerade die Schwaaner Arbeiten regen unwillkürlich dazu an, Norddeutschland mit wacheren Augen wahrzunehmen. Viele Motive kann man in seinen Wiesen, Feldern und Wäldern wiederfinden und sich nicht zuletzt – wie die Maler von einst – in sie verlieben.

Begründer der vor rund 130 Jahren entstandenen und bis zum Ersten Weltkrieg blühenden Künstlerkolonie war der gebürtige Schwaaner Franz Bunke (1857–1939). Ab 1886 war er Lehrer für Landschaftsmalerei an der Großherzoglichen Kunstschule Weimar und brachte im Sommer regelmäßig Schüler mit in seine Heimatstadt. Unter ihnen war auch Alfred Heinsohn. 1875 in Hamburg geboren, ließ sich dieser in Schwaan sogar ein Haus an der Warnow bauen.

Die durch einen Aufruf jetzt neu entdeckten Arbeiten erlauben es, Heinsohns künstlerische Entwicklung von der regionalen Verwurzelung in Mecklenburg-Vorpommern in den europäischen Kontext erstmalig intensiv zu beleuchten: von der Gestaltung geschauter Natur zur Abstraktion, von der Darstellung des Raumes zur Fläche, von der malerischen Umsetzung zur zeichenhaften Formulierung. Denn wie bei keinem anderen Schwaaner Maler unterlag Heinsohns Schaffen im Umfeld von Expressionismus, Futurismus und Kubismus gravierenden Veränderungen.

Selbstmord in Hamburg

„Hätten wir und die Schweriner uns nicht Heinsohn gewidmet, wäre er in zehn Jahren weg gewesen. Wir haben vieles vor der Mülltonne gerettet“, so Heiko Brunner, Leiter des Schwaaner Kunstmuseums. Wer noch einen Heinsohn bei sich zu Hause hat, sollte ihn gut behandeln. Mit der wissenschaftlichen Anerkennung als bedeutender Vertreter der Moderne dürfte nicht nur sein Bekanntheitsgrad, sondern auch der Wert seiner Bilder steigen.

Diese Wertschätzung war Heinsohn zu Lebzeiten nicht vergönnt. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte er nach Hamburg zurück, wo er sich vereinsamt und verarmt am 12. November 1927 das Leben nahm. Künstlerisch ambitioniert, hatte er sich nach dem Ersten Weltkrieg den neuesten Strömungen zugewandt und diese persönlich interpretiert. Gerade seine um 1920 entstandenen Bilder dürften mit zum Wertvollsten seines Erbes zählen.

Vor dem Hintergrund der weltweit großen Waldbrände ist Heinsohns vor hundert Jahren entstandener „Brennender Wald“ von erschreckender Aktualität. Noch dem Spätimpressionismus verhaftet, zieht das farbenfrohe Ölgemälde, das seinen Weg aus Privatbesitz in die Ausstellung gefunden hat, den Betrachter sog­artig in seinen Bann.

Ins Auge fallen auch die etwa gleichzeitig und in gleicher Größe (rund 70 mal 100 Zentimeter) geschaffenen Bilder „Kühe“ und „Rinder und Schafe in Rückansicht“ der Kunstsammlungen Schwerin. In ihrer expressionistischen Vereinfachung reizt Heinsohn die Abkehr von der Wirklichkeit weiter aus und macht damit einen Riesenschritt in die Moderne. In Verbindung mit den Motiven, hier Rindviecher, die sich tumb Auge in Auge gegenüberstehen, dort zwei Herden, die sich brav durch die Stadt treiben lassen, wird man über die Betrachtung hinaus – nicht ohne leichtes Schmunzeln – zu eigenen Interpretationen angeregt.

Zurück in Hamburg widmete sich Heinsohn der Stadtlandschaft. Mit großem Interesse hält er den Wandel in seiner Heimatstadt mit dem Pinsel fest, die neuen Geschäftsstraßen und weiträumigen Plätze, den prosperierenden Hafen, aber auch die alten Gassen. Wenn sich dabei die Konturen der Gebäude in Licht auflösen, „markieren (diese Gemälde der 1920er Jahre) den Höhepunkt in der Malerei von Alfred Heinsohn im Sujet Stadtlandschaften“, heißt es im Besucherheft.

Neu entdeckt wurden im Zuge der Ausstellung 21 Gemälde und 48 Aquarelle im Kleinstformat. Ölbilder und Aquarelle, deren kleinstes nur fünf mal vier Zentimeter misst: Skizzen von hoher Qualität und eigenem künstlerischem Reiz, „der bei Zeitgenossen von Heinsohn so nicht zu finden ist“, so das Besucherheft.

• Alfred Heinsohn – Maler der Moderne Ausstellung bis 28. November im Kunstmuseum Schwaan, Mühlenstraße 12, 18258 Schwaan, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr. Tourist-Information im Museum mit Faltblättern zu den Kunstpfaden auf den Spuren der Schwaaner Künstler. www.kunstmuseum-schwaan.de


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