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Ausstellung zum 100. Todestag des ostpreußischen Künstlers Lovis Corinth in Berlin – Im Fokus stehen früher beschlagnahmte Werke
Die Alte Nationalgalerie in Berlin erinnert mit einer Jubiläumsausstellung an den ostpreußischen Maler Lovis Corinth. Er starb vor 100 Jahren im niederländischen Zandvoort (die PAZ berichtete). Die Ausstellung „Im Visier!“ erzählt zugleich die verhängnisvolle Geschichte seiner und der Werke seiner Ehefrau Charlotte Berend-Corinth, die der Maler nach seiner Übersiedlung 1901 nach Berlin in der von ihm dort gegründeten Malschule als eine seiner ersten Schülerinnen kennenlernte.
Die Bilder stammen aus allen Schaffensperioden des Künstlerpaars. Besonders ins „Visier“ werden die unterschiedlichen Provenienzen der Bilder genommen. Dieses geschieht in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus, und hier wiederum auf das Jahr 1937, als NS-Propagandaminister Joseph Goebbels die Säuberungsaktion zur Entfernung sogenannter „Entarteter Kunst“ für die gleichnamige Münchener Ausstellung angeordnet hatte.
Wer in die Alte Nationalgalerie kommt, muss viel lesen, denn das wirklich Beeindruckende und Mitreißende, neben der ästhetischen Kraft der dargestellten Bilder, ist, dass bei jedem Ausstellungsobjekt mittels ausführlicher Bildbeschriftung das jeweilige Schicksal des Werkes zu erfahren ist. Jedes Exponat lädt zum längeren Verweilen, da die Besucher in Kenntnis gesetzt werden, wann es entstand, wem es gehörte, ob es beschlagnahmt, verkauft, zurückerworben wurde und welchen Verbleib es bis heute nahm.
Die Ausstellung ist in fünf Räume unterteilt, die jeweils einer bestimmten Thematik unterliegen. Im ersten mit dem Titel „Beschlagnahmt – Zurückgegeben – Überwiesen – Angekauft“ gibt es Einblicke in die Bestände der Nationalgalerie bis 1945. Hier hängt das im Museum verbliebene Gemälde „Toledo“ von Charlotte Berend-Corinth, das als Nachweis der „Verfalls- und Judenkunst“ diffamiert und verwahrt wurde, aber auch Corinths „Inntal-Landschaft“, das man beschlagnahmte und – warum auch immer – 1939 wieder an die Nationalgalerie zurückholte.
Verschollenes in Schwarz-Weiß
Der Begriff „entartet“ wurde von den Machthabern niemals genau definiert, daher unterlag die Aktion reiner Willkür, was auch an Corinths Werken abzulesen ist. Der Erlass des Ministers forderte, sich der „Verfallskunst“ seit 1910 anzunehmen. Dennoch fielen Werke Corinths vor diesem magischen Datum zum Opfer, wie das Gemälde „Familie Rumpf“ von 1901. Von den insgesamt 17, darunter Zeichnungen, als „entartet“ beschlagnahmten Werken kamen 1939 drei Gemälde zurück, auch das 1924 entstandene „Trojanische Pferd“, das im Original zu bewundern ist. Auch hier tut sich wieder die Frage nach dem Warum auf.
Raum 2 wartet mit dauerhaften Verlusten der Nationalgalerie nach 1945 als Faksimiles auf. Schwarz-weiße Reproduktionen zeigen die im Krieg verschollenen Objekte: Corinths „Bauernreigen“ von 1895 und sein „Bildnis C. Becker“ von 1889. Farbig sind die Kopien, wenn die Bilder noch existieren und heute in Galerien im Ausland hängen wie zum Beispiel Corinths „Selbstbildnis mit Strohhut“ im Kunstmuseum Bern oder sein „Ecce Homo“ von 1925, das heute vom Kunstmuseum Basel beherbergt wird.
Die Nationalsozialisten verwerteten die beschlagnahmten Werke entweder durch Verkauf an andere Galerien im Ausland zur Devisenbeschaffung, letztlich für den Krieg, oder vernichteten „Unverwertbares“. In der Berliner Schau hat man die Gelegenheit, diese Meisterwerke als Kopien noch einmal zu betrachten und ihrer Geschichte nachzugehen. 1939 wurden insgesamt 5000 Werke verschiedener Künstler in der Berliner Hauptfeuerwache verbrannt und 125 Gemälde in Luzern zur Versteigerung angeboten. Von Corinth waren 15 Bilder darunter.
Ein Held auch in Mitteldeutschland
Raum 3 ist mit „Angekauft – Überwiesen – Geschenkt“ betitelt und behandelt die Zeit nach 1945 sowie die Neuzugänge der nun zwei Nationalgalerien in Ost und West. In Ost-Berlin gab es keine Werke des Künstlers mehr, dafür konnte sich West-Berlin über viele Gemälde Corinths freuen, was an der Auslagerung auf Westgebiet zu Kriegszeiten lag. Die DDR tat einiges, um ihren Corinth-Bestand durch Neuankäufe wieder aufzufüllen und veräußerte dafür andere Gemälde. Auch hier bleibt rätselhaft, warum der bekennende Monarchist Corinth im real existierenden Sozialismus solch hohes Ansehen genoss.
Raum 4 thematisiert die 1992 nach der deutschen Vereinigung zusammengeführten Nationalgalerien. Corinths Werke sind in beiden Galerien zu finden. Unter dem Titel „Zurückgekauft – Geschenkt – Verwahrt“ sind hier Bilder zu sehen, die 1937 zwar beschlagnahmt wurden, wie „Rosa Rosen“ von 1924 und „Walchensee Mit Lärche“ von 1921, aber von West-Berlin 1983 und 1960 zurückgekauft wurden.
Den Weg zum fünften Raum begleiten vier Büsten, die den Maler darstellen und in eine Ausstellung etlicher Zeichnungen, Aquarelle und Druckgraphiken aus dem Kupferstichkabinett führen. 28 Werke aus der Sammlung fielen der „Säuberung“ 1937 zum Opfer, wovon 16 nach dem Krieg wieder zurückkamen. Abgerundet wird die Schau durch Objekte wie Journale, Fotos und Dokumente in Vitrinen.
Man sollte für die Hommage an Corinth viel Zeit mitbringen, denn es ist großartig, welche Ergebnisse die Mitarbeiter des Zentralarchivs zur Provenienzforschung erarbeitet haben. Das Archiv sieht sich auch als „historisches Gedächtnis“ und lässt die Besucher ausführlich an ihrer Forschung teilhaben. Mit Sicherheit schaut man die Bilder nach der Lektüre der Schrifttafeln mit anderen Augen an.
„Im Visier! Lovis Corinth, die Nationalgalerie und die Aktion ,Entartete Kunst'“, Alte Nationalgalerie, 10178 Berlin, geöffnet täglich außer montags bis 2. November von 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 14 Euro, Karten im Internet: shop.smb.museum