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Helga Schubert: „Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten“,  dtv,  München 2021,  gebunden, 221 Seiten,  22 Euro
Helga Schubert: „Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten“, dtv, München 2021, gebunden, 221 Seiten, 22 Euro

Autobiographisches

Reflexion des Erlebten in der DDR

Helga Schubert, geboren in Hinterpommern und in Greifswald aufgewachsen, erzählt Episoden ihres Lebens und vergleicht sie mit der Gegenwart

Dagmar Jestrzemski
29.05.2021

Mit der Erzählung „Vom Aufstehen“ gewann die Schriftstellerin Helga Schubert 2020 den Ingeborg-Bachmann-Preis. „Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten“ lautet der Titel des Endprodukts bestehend aus einer Sammlung autobiographischer Texte. Schubert wurde 1940 in Berlin geborenen und lebt mit ihrem Mann, dem Maler und früheren Professor für Klinische Psychologie, Johannes Helm, in Mecklenburg-Vorpommern. Die studierte Psychologin war in der DDR als Klinische Psychologin und Psychotherapeutin tätig. Nebenberuflich veröffentlichte sie seit den 1970er Jahren Kinderbücher und Erzählbände, schrieb Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher.

Im neuen Buch bilden kontemplativ angelegte Miniaturen und Episoden aus der Zeit, in der die DDR-Diktatur Regie im Leben der Menschen führte – kombiniert mit Beobachtungen aus ihrem heutigen Alltag –, den Rahmen dieser persönlichen Rückschau. Deren Kern sind Geschichten, die von der Mutter der Autorin handeln und von der Großmutter väterlicherseits, die einst der Enkelin während der Ferien in ihrem Haus mit Garten in der Greifswalder Obstbausiedlung ein Refugium bot.

Ihren Vater hat Schubert nie kennengelernt. Er starb 1941 im Zweiten Weltkrieg. Diese Leerstelle im Leben der Tochter mit Liebe auszufüllen hat ihre Mutter versäumt. Sie wollte und konnte es nicht, weil sie offenbar aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur dazu nicht in der Lage war. Das Verhalten der Mutter, die mit 101 Jahren starb, und das komplizierte Verhältnis zwischen Mutter und Tochter reflektiert Schubert in den zentralen Kapiteln des Buches am Anfang („Mein idealer Ort“), in der Mitte („Eine Wahlverwandtschaft“) und am Ende („Das vierte Gebot“, „Vom Aufstehen“). „Mein Lebensthema ist die Geborgenheit“, schreibt sie unvermittelt im Kapitel über eine Fastenwanderung an der Nordsee. Ein Motiv, das in mehreren Geschichten verhandelt wird, ist das Alter.

Bei Kriegsende flüchtete ihre Mutter, die Tochter im Kinderwagen schiebend, aus einem Dorf in Hinterpommern zu den Schwiegereltern nach Greifswald. „Der Schwiegervater meiner Mutter gab seiner Frau und meiner Mutter Gift und forderte sie auf, sich zu vergiften, sobald die Russen in der Tür stünden. Aber meine Mutter weigerte sich: nein, dann müsste ich ja zuerst mein Kind vergiften. Das kann ich nicht.“ „Aufstehen“ bezeichnet eine Haltung, die sich für die Autorin als Maxime erwiesen hat, um unter nicht veränderbaren Umständen selbstbestimmt einen Aufwärtstrend herbeizuführen.


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