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Das Oktoberfest fällt seuchenbedingt aus? Nicht in der ARD, wo man das Bierfestival filmisch hochleben lässt
Es hätte auch schiefgehen können mit dieser historischen Betrachtung des Oktoberfestes. Der ARD-Mehrteiler hätte zur freundlichen Schnurre geraten können, zusammengesetzt aus dampfender Bierseligkeit plus Blasmusik, als Garnierung folkloristisch gewandete Statisten, die durch eine nachgebaute Budenstadt spazieren – eine konventionelle Nacherzählung des bayerischen Volksfestes halt, das jedes Jahr zu Herbstbeginn Millionen auf die Wiesn zieht und das in diesem Jahr allerdings Corona-bedingt ausfällt.
Regisseur Hannu Salonen wollte mehr. Was die ARD im Ersten Programm jetzt unter dem nüchternen Titel „Oktoberfest 1900“ an drei Abenden in sechs Doppelfolgen erzählt (15., 16., 23. September, jeweils 20.15 Uhr), erinnert in seinen besten Szenen an den Rausch des drogenseligen „Babylon Berlin“, denn auch in München trieben es Künstler und Intellektuelle um die Jahrhundertwende bunt.
Die Musik setzt dazu moderne Akzente, spielt etwa ein Beatles-Lied ein oder eine Opernarie. Den Einbruch des Fremden verkörpert eine Gruppe von Eingeborenen aus der Südsee, die wie damals üblich auf einer Völkerschau gezeigt werden und das profane Biergeschäft um eine mystische Komponente erweitern. „Folge deinem Totem“ steht vieldeutig auf den Zetteln, die zur Zirkusattraktion auf der Wiesn laden.
„Die Leute sollen saufen!“
Der Mehrteiler lässt nichts aus, bedient seinen ursprünglichen Titel „Bier und Blut“ auch mit den Gewaltdarstellungen. Da werden Strohmänner bemüht und Bauernopfer verlangt, da fliegen die Fäuste, und gleich in der ersten Folge verliert der Bierkönig Ignatz Hoflinger von „Deibel-Bräu“ auf grausame Art sein Leben. Sein sauber abgetrennter Kopf wird von einem am Ufer zeltenden „Wilden“ aus der Isar gezogen, und sogleich entsteht die Mär von der Schuld der Fremden.
Letztlich geht es um viel mehr als um Bier. Es geht um die Aufteilung der Welt, die in diesem Fall die Wiesn ist. Prompt stehen sich die Konkurrenten um eine Lizenz zum Ausschank in einem erbitterten Showdown gegenüber: Hier der Eindringling Curt Prank aus Nürnberg, der mit Allmachtsphantasien auftrumpft. „Ich bau eine Bude für 6000 Menschen, eine Burg, eine Festung“, tönt er, eindrucksvoll verkörpert von Mišel Matičević. Als die Kapelle ein behäbiges „Prosit der Gemütlichkeit“ anstimmt, zieht er dirigierend das Tempo an, bis der Saal dampft und schwankt: „Die Leute sollen saufen!“
Auf der anderen Seite die Provinzfürsten, die dem Newcomer keinen Handbreit des biergetränkten Bodens gönnen und vor keiner Finte zurückschrecken. Dann ist da noch Maria Hoflinger, die sich nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes plötzlich als Unternehmerin wiederfindet. Eine Frau gegen den Rest der Männerwelt.
Wie Schauspielerin Martina Gedeck als Maria über der zertrampelten Grasnarbe der Wiesn eine zweite künstlerische Ebene einzieht, wie sie die Frau verkörpert, die das Lebenswerk ihres Mannes fortsetzen will, letztlich verzweifelt und wie eine griechische Rachegöttin Amok läuft, ist ganz großes Kino.
Überhaupt die Frauen: Kaum ein Film, der zu Hochzeiten des Patriarchats spielt, lässt sich die Chance entgehen, in die Handlung einige Frauenschicksale einzuflechten. Sklavinnen waren sie seinerzeit, Spielbälle im Machtspiel ihrer Väter und Ehemänner – die Tochter Clara des Curt Prank etwa soll strategisch profitabel verheiratet werden, möglichst mit einem Konkurrenten. Ihre Gesellschaftsdame Colina Kandl, die einen folgenreichen Fehltritt ihres Schützlings nicht verhindern kann und deshalb rüde aus dem Haus gejagt wird, zischt noch im Abgang: „Du verschacherst deine Tochter wie ein Stück Vieh.“
Moritat ohne Happy End
Sie selbst muss nach dem Rauswurf als „Biermadl“ ihr Geld verdienen und schwingt sich dazu auf, eine Revolution auszurufen, als das Trinkgeld der Serviererinnen gekürzt wird. Schauspielerin Brigitte Hobmeier sieht ihre Colina als eine Reformerin. „Im Mittelalter wäre sie wohl als Hexe verbrannt worden.“ Aber auch um die Jahrhundertwende ergeht es ihr nicht gut – der Mann ein Schläger und Trunkenbold, die Freiheit eines selbstbestimmten Lebens noch in weiter Ferne.
Als Gegenpol zu dem rauflustigen Intrigantenstadl der Bierbarone platziert Salonen eine zarte Liebesgeschichte frei nach „Romeo und Julia“, bei der sich ausgerechnet der Sohn der Hoflingerin (Klaus Steinbacher) und die Tochter des Prank (Mercedes Müller), beide Sprösslinge zutiefst verfeindeter Clans, ineinander verlieben. Ein Happy End verkneift sich der Regisseur, das würde zu dieser Moritat aus deutschen Landen auch nicht passen. Kaum hat das junge Paar die Ringe getauscht, erscheint der Brautvater Curt Prank in der Tür, an der Leine einen hechelnden Rottweiler. „Folge deinem Totem“ raunt es dunkel, und der Zuschauer ahnt: Hier wurde soeben ein Pakt mit dem Teufel geschlossen.
PS: Wer es nüchterner mag: Im Anschluss an den ersten Teil wird am 15. September um 21.45 Uhr die Dokumentation „München 1900“ ausgestrahlt.
Siegfried Hermann am 16.09.20, 11:11 Uhr
Ich muss meinen Vorredner MC Recht geben.
1900 wurde das BGB eingeführt. Hauptgrund: Rechtliche Sicherheit bei Wirtschaftsverträgen und Absicherung der Frauen und Kinder im Scheidungsfall. Selbst die Auflösung von Verlobungen und was mit dem Verlobungs-geschenken passieren soll, ist da geregelt!
btw
Ich wollte mir die 1. Folge ansehen. Nach 15 min. habe ich Kotzanfall bekommen, wegen der unsäglichen verlogenen und linkischen Sicht-Erzählweise und umgeschaltet.
Für so einen hahnebüchen propandistischen Scheixx
wurde wieder endlos Zwangs-Gebührengelder verbrannt. DDR 2.0 pur!
Mahlzeit!
Maximus Confessor am 15.09.20, 14:34 Uhr
"Überhaupt die Frauen: (...) Sklavinnen waren sie seinerzeit, Spielbälle im Machtspiel ihrer Väter und Ehemänner(…)"
Diese Aussage ist blühendster Unsinn, historisch schlichtweg falsch und nicht haltbar. Sicherlich waren Frauen nicht gleichberechtigt und ihre Situation ist mit der heutigen nicht vergleichbar aber von "Sklavinnen" zu sprechen ist absurd, selbst im Sinne einer Hyperbel. Ausschlaggebend waren insbesondere schlichtweg verschiedene Rollenbilder bzw. Rollenverständnisse von Mann und Frau, die sich sicherlich kritisieren lassen aber trotzdem sehr weit von jeglicher Form der "Sklaverei" entfernt sind. So musste eine Frau bspw. einer Eheschließung zustimmen, eine Zwangsehe gab es nicht.
Fazit: Frau Martin hat nicht nur schlecht recherchiert sondern verfügt anscheinend auch über keinerlei historischen Kenntnisse der Epoche. Schade.