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Deutsche Inschriften werden immer häufiger freigelegt und renoviert
Die deutsche Geschichte unter Putz und Farbe zu verstecken, das ging nur kurzfristig gut. Mit der Zeit löste sich so manche Stelle. Unter dem bröckelnden Putz kamen nun doch deutsche Aufschriften hervor. Eine Gruppe Breslauer Geschichtsenthusiasten ist nun auf der Suche nach solchen Stellen im Rahmen ihres Projektes „Unter dem Putz guckt Breslau raus“ (Spod tynku patrzy Breslau).
Initiator Grzegorz Czekański von der Tadeusz-Karpowicz-Stiftung für Kultur und Bildung hat seine Mitstreiter animiert, die in der ganzen Stadt verteilten deutschen Aufschriften zu katalogisieren. „Wir wollten die auf unterschiedlichen Blogs oder sonst irgendwo im Netz erscheinenden Fotos und Informationen zusammenfügen“, so Maciej Wlazło, Mitbegründer des Projektes. Daraus entsteht etwas Haptisches, ein Stadtplan, „den man auf eine Stadtbesichtigung mitnehmen kann“, so Wlazło gegenüber Radio Breslau.
Den Anstoß zu ihrem Vorhaben erhielten die Geschichtsfreude durch das 75. Jubiläum des Kriegsendes. „Es ist an der Zeit, ohne Komplexe oder schlechte Emotionen über die deutsche Vergangenheit Breslaus zu sprechen“, so der Fremdenführer und Autor des Blogs „Beard of Breslau“. Er findet, dass es der Stadt guttue, „denn das Wandern auf den Spuren deutscher Inschriften könnte eine zusätzliche touristische Attraktion werden“. Es sei interessant, einmal andere Wege bei der Erkundung einer Stadt zu gehen und so beispielsweise auf den Spuren einstiger Getreidemühlen, Kolonialwarenläden oder Bierstuben zu wandeln. Für Wlazło ist dabei der Bildungsaspekt wichtig: „Die Karte ist für Breslauer, aber auch für Touristen gedacht. Auch für Deutsche, denn sie wird gleich zweisprachig erscheinen.“ Der Stadtführer möchte anhand der neuen Karte selbst Rundgänge anbieten und dazu motivieren, immer mit offenen Augen durch alle Städte der „Westwand“ (ściana zachodnia) zu wandeln. Der Begriff steht im Polnischen umgangssprachlich für die 1945 unter polnische Verwaltung geratenen Teile Ostdeutschlands.
Auch in Oberschlesien wird derzeit an einem ähnlichen Projekt gearbeitet. „Vergessenes Erbe/Vergessene Inschriften“ präsentiert deutschsprachige Schriftzüge vorwiegend aus Oberschlesien. Der Journalist, Übersetzter und Autor Dawid Smolorz aus Gleiwitz [Gliwice] dokumentiert zusammen mit dem Berliner Fotografen Thomas Voßbeck deutsche Inschriften, die nach Kriegsende nicht unwiederbringlich zerstört wurden. Für Smolorz gilt die Regel: „Je schlechter der Zustand einer Stadt, desto größer die Chance, dass hinter dem alten Putz wieder Spuren vergangener Zeiten hervortreten.“ Er fand viele Relikte in der einst eleganten Stadt Beuthen [Bytom], die ihre besten Jahre hinter sich hat. „Vor allem im östlichen Teil der Innenstadt und im Stadtteil Roßberg [Rozbark], die beide in der Zwischenkriegszeit in geringer Entfernung zur polnischen Grenze lagen, gab es sehr viele kleine Läden. Für ihn sind die Streifzüge durch die stark vernachlässigten Viertel der einstigen Grenzstadt eine Art „Inschriften-Archäologie“. Doch in seinem Fokus stehen auch kürzlich sanierte Gebäude, an denen die Inschriften gleich mitrestauriert wurden. So fand er in der Bahnhofstraße [ul. Dworcowa] in Hindenburg [Zabrze] ein Ladenschild aus der Vorkriegszeit, das restauriert und durch eine Glasscheibe gesichert wurde. Ähnliche Initiativen gibt es im benachbarten Gleiwitz – seiner Heimatstadt. Anlässlich der Eröffnung einer Pizzeria im Gebäude einer ehemaligen „Drogengroßhandlung“ wurden die ursprünglichen deutschen Schriftzüge – soweit es noch ging – erneuert. „Dabei wurde eine Inschrift aus deutscher Zeit an einem Bürgerhaus in der Nähe des Gleiwitzer Bahnhofs freigelegt und nachgezogen. Wie mir der Besitzer des Hauses erklärte, sei er selbst kein Deutscher, er respektiere eben die deutsche Vergangenheit seiner Heimatstadt“, sagt Smolorz.
Die wohl größte Überraschung bereitete ihm die Renovierung des Backsteinturms der sogenannten Roten Chemie (Czerwona Chemia), des charakteristischsten Gebäudes der Schlesischen Technischen Universität Gleiwitz. „Nicht nur die zuvor kaum noch lesbare Inschrift ,Maschinenbau- und Hüttenschule' wurde hier erneuert. Man hat auch den eindeutig deutsch anmutenden gekrönten schwarzen Adler, der über dem alten Wappen von Gleiwitz ragt, mitsaniert“, freut er sich.
Smolorz ist auch im einst österreichischen Teil des heute zur Republik Polen gehörenden Schlesien unterwegs. Dort ginge man viel unverkrampfter mit den deutschen Spuren um, meint er. „Seit der Sanierung des Bielitzer Bahnhofs aus der Jahrhundertwende ist an seiner Fassade der Schriftzug: ,K.K. Privilegirte Kais. Ferd. Nordbahn' von weitem sichtbar“, zeigt er sich entzückt. Wie die Breslauer möchte auch Smolorz nicht auf seinem Wissen sitzenbleiben. Über seine „Inschriften-Archäologie“ publiziert er in polnischen und deutschen Zeitungen. Am 6. Oktober kann man ihm im Ratinger Haus Oberschlesien, am 7. Oktober im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus und am 8. Oktober in der Martin-Opitz-Bibliothek in Herne begegnen.
sitra achra am 11.09.20, 18:20 Uhr
Ja, wir haben eine gemeinsame Geschichte. Schade, dass dies erst so spät, vielleicht gar zu spät, erkannt wurde.