Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Was wäre das Osterfest ohne die traditionellen und geliebten Bräuche, die seit Generationen bestehen?
Es war einmal ein Land am Meer. In seiner Mitte war ein großer, breiter Strom, der sich aus mehreren kleinen Flüssen speiste. Einer von ihnen war die Ihna und auch diese wurde von anderen weitaus kleineren Läufen verstärkt. Einige von ihnen trugen Namen, wie Bauergraben oder Krampe, andere waren wiederum so klein, dass man gar nicht auf den Gedanken gekommen war, diese durch einen eigenen Namen noch mit Bedeutung zu versehen.
Dennoch hatten all jene Wasserläufe in der Osterzeit, die sich nach dem Mond richtete, ihre Bedeutung. Denn wenn die Sonne am Sonntag aufging, stahlen sich die Ausgeschlafenen aus ihren Häusern, um etwas von dem kühlen Nass abzuschöpfen und heimzutragen, auf dass es seine wundersame Wirkung – Gesundheit und ein langes Leben – schenken sollte: „Wer sik dormit wascht, würd schön, wer dorvon drünk, bleew gesund ...“
So war es auch vor etwa 100 Jahren in einem Dorf in der Heide, die sich noch heute zwischen Gollnow und Ueckermünde, beidseitig des Dammschen Sees, erstreckt. Zu jener Zeit war dem ersten noch kein zweiter Weltenbrand gefolgt und pommersches Platt legte sich noch auf die Zungen der Nachfahren jener Kolonisten, die einst der Alte Fritz in das Land gerufen hatte und die den staubigen Boden erst urbar gemacht hatten.
Einer von ihnen war ein alter Mann. Wir wollen ihn „Opa Reinhard“ nennen, denn so nannte man ihn im ganzen Dorf. Sein Leben war nicht gerade einfach. Die Mutter seiner Kinder war ihm früh gestorben, sodass er neben der Landwirtschaft diese alleine hatte großziehen müssen. Seiner dem Leben zugewandten Art hatte dies keinen Abbruch getan.
Traditionelle Bräuche
Wie andere Frühaufsteher machte auch er sich auf den Weg zu einem fließenden Bächlein, welches sich zwischen der Ober- und Unterreihe des Dorfes durch den Boden zog, den einst Bäume bedeckten und über den nun sein Pflug ging. Das Osterwasser geschöpft, machte er sich vergnügt auf den Heimweg, nicht ahnend, dass man ihm längst nachstellte und ihm an den alten Eichen auflauerte. Drei Jungs der Nachbarschaft sprangen ihm in den Weg und riefen: „Guten Morgen, Opa Reinhard!“ – „Morgen, Jungens, was macht ihr?“ Dann stockte seine Stimme, denn sein Osterwasser war gerade zum „Schladderwoater“ geworden. Es war nicht der erste Streich, den sie ihm spielten. Tage zuvor hatten sie „Opa Reinhard“ seinen Leiterwagen mit Seilwinden auf die Scheune bugsiert. Und auch heute sollte es nicht beim „Schladderwasser“ bleiben, denn als er seine Karnickel abfüttern wollte, gab es eine weitere Überraschung: Da lagen plötzlich Eier im Stroh.
All das waren zweifellos harmlose Streiche. Nur: Am 1. April 1945 saß „Opa Reinhard“ nun am Straßenrand. Wieder war Ostersonntag, doch niemand war da, um ihn zu foppen. Die Jungens waren längst junge Männer geworden, eingezogen an die Front – und nur der liebe Gott wusste, wo und ob sie überhaupt noch unter den Lebenden weilten. Überhastet hatte auch das Dorf im März den Packbefehl bekommen, war zunächst geschlossen mit ihren gepackten Leiterwagen Richtung Langenberg gefahren und als es dort nicht mehr weiter ging, schließlich in Richtung Gollnow, immer der Front und dem Donner der Kanonen entgegen. Zwar hatten sie es dann doch noch in Richtung Stettin geschafft, aber Tiefflieger hatten sein Pferd weggeschossen.
Seine Habe lag im Straßengraben, um nachfolgende Fahrwerke nicht zu behindern, und den Anschluss an seinen Dorf-Treck hatte er auch verloren. Was ihm blieb, war alles, was er auf dem Leib trug und die Erinnerung. Und was gäbe er nun für ein Ei? – Doch die Tradition der pommerschen Osterbräuche blieb in so vielen pommerschen Familien erhalten.