30.04.2024

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Korporationen

Schlagende und nicht schlagende Verbindungen

An der Königsberger Albertina existierten bis 1944 zahlreiche studentische Vereinigungen

Wolfgang Kaufmann
24.09.2023

Obwohl die 1544 gegründete Albertus-Universität Königsberg lange Zeit die fünftkleinste der 20 deutschen Universitäten war, entstanden hier etliche studentische Organisationen. Den Anfang machten vier Landsmannschaften, in denen sich die Königsberger Studenten auf traditionelle Weise nach ihrer jeweiligen regionalen Herkunft organisierten. Daraus entstand im Gefolge der Befreiungskriege gegen Napoleon eine Allgemeine Burschenschaft nach dem Vorbild der Jenaer Urburschenschaft von 1815, in der die Landsmannschaften aufgingen. Dadurch sollte der Zersplitterung unter den Studenten analog der politischen Zersplitterung Deutschlands entgegengewirkt werden.

Dann kam die Zeit der Restauration als Konsequenz aus den Karlsbader Beschlüssen. Nunmehr wurde die nationalrevolutionäre Bewegung der Studenten mit allen Mitteln unterdrückt, was auch und gerade für das Königreich Preußen galt. Ausdruck dessen waren unter anderem mehrere Allerhöchste Kabinettsordres von Friedrich Wilhelm III. in den Jahren ab 1820. 1824 wurden die Studentenverbindungen sogar geheimen politischen Organisationen gleichgestellt, woraus bis 1836 über 200 Verurteilungen von Burschenschaftern wegen Hochverrates resultierten. Dennoch bildeten sich in Königsberg bis 1830 zahlreiche neue Korporationen beziehungsweise Landsmannschaften wie die Borussia, Pomesania, Pommerania, Pappenhemia, Littuania und Masovia.

Die staatliche Bekämpfung der studentischen Zusammenschlüsse endete erst mit der Deutschen Revolution von 1848/49, weil die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche die Aufhebung der Karlsbader Beschlüsse erzwang. Das führte zu einer Zäsur: Von verbotenen Untergrundorganisationen unbotmäßiger junger Männer mutierten die Verbindungen an den Universitäten nun zum Sammelbecken für die künftige akademische Elite der Nation. Dabei hatten die Studenten in Königsberg allerdings schon vor der großen Wende diverse neue Burschenschaften, andere Korporationen, Kränzchen, Klubs und ähnliches gegründet. So beispielsweise die Baltia (1834), Normannia (1835), Barbaria (1837), Albertina (1838), Hochhemia (1838), Nibelungia (1839), Germania (1843) und Saxonia (1843).

Bis zur Einstellung des Lehrbetriebes an der Universität Königsberg im Jahre 1944 existierte ein breites Spektrum unterschiedlicher studentischer Zusammenschlüsse, wobei die periphere Lage Ostpreußens und die relativ große räumliche Distanz zu anderen deutschen Universitäten zu einigen Besonderheiten führte. Deswegen äußerten manche süd- und westdeutsche Burschenschaften den Vorwurf, die Verbindungsstudenten in Königsberg seien sämtlich „halbe Litauer“ und sollten sich daher aus deutschen Angelegenheiten heraushalten.

Insgesamt zählte man an der Albertus-Universität sieben relativ kurzlebige sogenannte „Allgemeinheiten“ wie die Allgemeine Studentenschaft (1848–1852) oder die Königsberger Studentenschaft (1884–1888) sowie 152 Korporationen von der Adalberta bis zur Zollern. Dazu gehörten unter anderem auch Zusammenschlüsse mit katholischem, protestantischem oder jüdischem Hintergrund, Vereinigungen für Studentinnen, Sänger- und Sportverbindungen sowie akademische Fliegerschaften.
Dabei kam es im Laufe der Zeit zu diversen Querelen oder politischen Konflikten zwischen den einzelnen Gruppierungen. So stellten sich die Vertreter des Allgemeinen Deutschen Burschenbundes in Königsberg 1913 gegen die schlagenden Verbände an der Universität, denen sie „Tyrannisierung der übrigen Studentenschaft“ vorwarfen, worüber das sozialdemokratische Blatt „Vorwärts“ ausgiebig berichtete. Und das seit 1876 bestehende Corps Hansea Königsberg geriet ins Abseits, weil es kein ostpreußisches, sondern „ein reichsdeutsches Corps in Ostpreußen“ sein wollte, wobei die Mitglieder zugleich noch durch ihren demonstrativ einfachen Lebensstil provozierten.

Germania war die größte
Eine der größten und aktivsten Studentenverbindungen in Königsberg war die Burschenschaft Germania. Diese wurde im September 1843 gegründet und trat ab Februar 1845 als selbstständiger Zusammenschluss auf. Ihre Mitgliederzahl wuchs Anfang der 1850er Jahre extrem an. Im November 1854 erfolgte die Gründung der Tochterverbindung Gothia. Der Germania gehörten unter anderem der spätere Bürgermeister von Königsberg Paul Kunckel, der weltbekannte theoretische Physiker Arnold Sommerfeld und der zwischen 1967 und 1977 amtierende Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hans-Georg Wormit, an.

Weil die Burschenschaft es konsequent ablehnte, sich in eine Kameradschaft des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes umzuwandeln, blieb ihr 1936 nur die Selbstauflösung. Allerdings konnte sie sich am 8. März 1950 in Hamburg neu konstituieren. Die Germania nimmt heute Studenten der Universität Hamburg, der Technischen Universität in Hamburg-Harburg und der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr auf.

Ähnliche Wiedergründungen von ehemaligen Königsberger Studentenverbindungen fanden auch anderswo statt, darunter in Göttingen, wo seit 1949 die Gothia aktiv ist.


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Kommentare

Hubertus Lau am 25.09.23, 18:24 Uhr

Ein sehr guter Artikel über das Studententum an der Albertina.

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