26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Östlich von Oder und Neiße

„Schlesisches Nachtlesen“

Literaturfreunde können in Görlitz an einem Abend gleich mehrere Standorte in zwei Ländern ansteuern

Chris W. Wagner
31.03.2022

Joanna Bator ist polenweit mindestens so bekannt wie Olga Tokarczuk. Und wie bei der Nobelpreisträgerin ist auch im Werk von Bator Schlesien stets ein Thema. Die Waldenburgerin lebt in Warschau, besucht jedoch ihre niederschlesische Heimat immer wieder gerne, zuletzt im Winter, als ihr in Hirschberg [Jelenia Góra]der Riesengebirgspreis für Literatur verliehen wurde. Nun können auch die Bewohner des beiderseits der Lausitzer Neiße gelegenen Görlitz Bator begegnen. Sie ist Gast des diesjährigen „Schlesischen Nachtlesens“, das am 8. April um 17 Uhr in der Ost-Görlitzer [Zgorzelec] Ruhmeshalle, die heute ein Kulturzentrum (Dom Kultury) ist, beginnt. „Im Mittelpunkt des Abends steht Bators neuestes Buch ‚Gorzko, gorzko' (wörtlich: „Bitter, bitter“), das derzeit von Lisa Palmes ins Deutsche übersetzt wird“, freut sich Organisatorin Agnieszka Bormann, Schlesienreferentin am Schlesischen Museum zu Görlitz.

Schlesien ist stets ein Thema

Die aus Südostpolen stammende Germanistin und Kulturmanagerin lebt und arbeitet seit 17 Jahren im schlesischen Görlitz: „einem perfekten Ort für eine deutsch-polnische Übersetzerin und Kulturmanagerin“, sagt sie. Die Autorin Bator lernte Bormann bei der Verleihung des Riesengebirgspreises persönlich kennen. „Wir saßen nebeneinander beim Abendessen und kamen ins Gespräch“, sagt Bormann. Weil sich die beiden auf Anhieb gut verstanden haben, willigte Bator ein, beim schlesischen Nachtlesen dabei zu sein. Bormann verspricht einen geistreichen Abend. Den Sinn des „Schlesischen Nachtlesens“ erklärt sie so: „An mehreren, teilweise ungewöhnlichen Orten in Görlitz tragen bekannte Persönlichkeiten Texte vor, die mit Schlesien zu tun haben. Literaturfreunde flanieren von Ort zu Ort und lauschen kurzen, etwa 15- bis 20-minütigen Lesungen.“ Diese Kurzbeiträge finden mehrfach statt, sodass man alle Standorte des Nachtlesens als Route ablaufen kann, ohne auf konkrete Uhrzeiten fixiert zu sein.

Auf bundesdeutscher Seite der Neißestadt wird unter anderem im Kaufhaus Totschek in der Steinstraße, dem 1868 gegründeten, mondänen Bekleidungshaus, in dem heute Unternehmer an Entwicklungsstrategien für die Region tüfteln, gelesen. Auf der Route des „Schlesischen Nachtlesens“ befinden sich Leseorte wie das vegane Bistro Kochwerk am Demianiplatz oder der Optiker Brillenlounge am Otto-Buchwitz-Platz. Bormann zückt ein weiteres Ass aus dem Ärmel: „Die Leseroute erstreckt sich dieses Jahr zwischen zwei Görlitzer Seniorenheimen: der Villa Marie Curie in der Joliot-Curie-Straße und dem Zentralhospital in der Krölstraße. Ihre Türen sind während des ‚Schlesischen Nachtlesens' geöffnet.

Nach zwei Jahren kultureller Entbehrungen soll wieder etwas geboten werden. Im Gegensatz zu allen anderen Leseorten, wo jede halbe Stunde derselbe Text dargeboten wird, wird in beiden Seniorenheimen jeweils ein anderer Text zu hören sein.

Die Senioren in den Heimen und die Besucher dürfen sich zum Beispiel auf Auszüge aus den Tagebüchern der Fürstin Daisy von Pless ,Tanz auf dem Vulkan' freuen. Nach fast 100 Jahren wurden sie im Februar neu verlegt und werden druckfrisch beim ‚Schlesischen Nachtlesen' zu Gehör gebracht.“ Für sie ist Daisy von Pless (1873–1943) eine der schillerndsten Figuren der schlesischen Geschichte.

Kulturelles nach zwei Jahren

Der langjährige Opernsänger am Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau-Görlitz, Stefan Bley, nimmt die schlesischen Literaturfreunde auf eine Reise ins Iser- und Riesengebirge mit. Er liest aus dem „Wanderer im Riesen-Gebirge“.

„Die Lektüre entführt uns in die verschwundene Welt des Iser- und Riesengebirges des 17. bis 20. Jahrhunderts. Wir erleben den Lebensalltag in den Bergen, in den Bauden, auf den Wegen. Wir lernen die Bauden-Bewohner, Reiseführer, Glashüttenarbeiter, Schmuggler und natürlich die Wanderer kennen. Arbeit und Freizeit, Freud und Leid, Sitten und Speisen – und alles vor dem Hintergrund der wunderbaren Berglandschaft.“ Das hofft Bormann, die selbst leidenschaftlich gern im Riesengebirge wandert.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

sitra achra am 31.03.22, 09:34 Uhr

Für uns ist Schlesien auch ein Thema, allerdings kein polnisches.

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS